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$ 28. Verhaftung.

Der Angeschuldigte ist zu verhaften, sobald er der Flucht verdächtig, oder wenn anzunehmen ist, daß er Spuren der That vernichten, oder daß er Zeugen oder Mitschuldige beeinflussen werde, oder wenn die Verhaftung im Interesse der Disziplin geboten ist.

Durch die Haft ist er nur so weit zu beschränken, als es zur Sicherung ihres Zweckes oder zur Aufrechthaltung der Ordnung erforderlich ist.

Nach der Verhaftung ist er alsbald verantwortlich zu vernehmen.
Die Verhandlung und Entscheidung ist thunlichst zu beschleunigen.

$ 29.

Umstände zu Gunsten des Angeschuldigten.

In jeder Lage des Verfahrens haben Vorsteher und Gericht von Amts wegen auch die zu Gunsten des Angeschuldigten sprechenden Umstände jeste zustellen und zu beachten; namentlich sind bei Abmessung der Strafe die Umstände, welche die Schuldbarkeit mindern, gebührend zu berücksichtigen.

$ 30. Vertheidigung.

Auf einen Vertheidiger hat der Angeschuldigte nur Anspruch, wenn die Anklage auf eines der in den §§ 14 und 15 bezeichneten Verbrechen gerichtet ist. Er kann ihn wählen oder die Bestellung von Amtswegen verlangen. Die lettere geschieht durch den Gerichtsvorsteher. Von dem Anspruch auf Vertheidigung ist dem Angeschuldigten Mittheilung zu machen. Der Vertheidiger tritt erst bei der mündlichen Verhandlung in Thätigkeit. Demselben sind die Akten mitzutheilen und ist ihm Unterredung mit dem Angeschuldigten unter Aufsicht zu gestatten.

§ 31.

Eröffnung und Ausdehnung des Verfahrens.

Der Gerichtsvorsteher eröffnet das Verfahren, sobald er von einer strafbaren Handlung Kenntniß erhält, welche nach seiner Ueberzeugung zur Strajverfolgung geeignet ist (§ 3).

Das Verfahren ist summarisch und nicht weiter auszudehnen, als erforderlich, um festzustellen, ob die angeschuldigte Person zu verfolgen ist oder nicht. Jedoch sind Beweise, deren Verlust für die spätere Verhandlung zu besorgen ist, alsbald vollständig zu erheben.

$ 32.

Mündliche Verhandlung.

Die Entscheidung erfolgt auf Grund einer mündlichen Verhandlung, welche der Gerichtsvorsteher anberaumt, sobald er das Vorverfahren für abgeschlossen erachtet.

Der Gerichtsvorsteher ladet zu derselben den Angeschuldigten, die Zeugen und etwaige Sachverständige und benachrichtigt die Beisizer, wo deren Mitwirkung erforderlich ist, sowie den etwaigen Vertheidiger.

Ist der Angeschuldigte in Haft, so wird er vorgeführt.

$ 33.

Leitung und Gang der Verhandlung.

Der Gerichtsvorsteher leitet die Verhandlung. Wirken Beisiger mit, so steht ihnen zu, Fragen an Zeugen und Sachverständige zu richten. Dasselbe Recht hat der Angeschuldigte oder dessen Vertheidiger.

$ 34.

Beweisaufnahme.

Nach dem Aufruf der Zeugen, welche demnächst wieder abzutreten haben, wird der Angeschuldigte über die Anschuldigung vernommen und zur Beweisaufnahme geschritten.

Der Inhalt jeder wesentlichen Bekundung ist dem Angeschuldigten verständlich zu machen, und ist er zu befragen, was er darauf zu erwidern habe. Ueber die gesammte Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen.

$ 35. Entscheidung.

Nach Erschöpfung der Beweisaufnahme, zu deren Ergänzung die Verhandlung nöthigenfalls vertagt werden kann, wird das Urtheil gefällt, welches entweder auf Freisprechung oder auf Bestrafung lautet.

$ 36.

Gewinnung des Urtheils.

Das Gericht entscheidet nach freier Ueberzeugung, welche es auf Grund der Verhandlung sich bildet. Haben Beisitzer mitgewirkt, so entscheidet die Stimmenmehrheit. Der jüngste Beisißer giebt seine Stimme zuerst, der Vorsitzende die seinige zulezt ab.

§ 37.

Form und Verkündung des Urtheils.

In den Urtheilen ist die Formel, welche die Freisprechung von oder die Verurtheilung wegen der den Gegenstand der Anklage bildenden Handlung ausspricht, von den Gründen zu trennen. Die Gründe theilt der Gerichtsvorsteher nach der Verlesung der Urtheilsformel mündlich kurz mit und bringt sie binnen drei Tagen schriftlich zu den Akten.

§ 38.

Protokoll; Urtheilsgründe.

Das Protokoll über die Verhandlung ist von dem Gerichtsvorsteher und dem Gerichtsschreiber, die Urtheilsgründe sind nur von Ersterem zu unterzeichnen.

Riebow, Die Kolonial-Geseßgebung.

36

§ 39.

Rechtsmittel; Prüfung und Bestätigung von Todesurtheilen. Gegen die Entscheidungen des Stationsgerichts findet ein Rechtsmittel nicht statt.

Ist auf Todesstrafe erkannt, so sind die Akten durch den Gerichtsvorsteher mittelst Berichtes dem Landeshauptmann einzureichen.

Derselbe ist berechtigt, nach Prüfung der Sache ergänzende Ermitte lungen oder unter Aufhebung des Verfahrens eine neue Verhandlung der Sache vor demselben oder einem anderen Stationsgericht anzuordnen.

Kein Todesurtheil darf vollstreckt werden, bevor es von dem Landeshauptmann bestätigt ist.

§ 40.

Begnadigungsrecht des Landeshauptmanns.

Der Landeshauptmann kann erkannte Strafen im Wege der Gnade mildern oder ganz erlassen; bei der Umwandlung in eine gelindere Strafe ist er an das in § 12 vorgeschriebene Verhältniß nicht gebunden.

$ 41. Strafvollstreckung.

Die Vollstreckung der Strafe erfolgt unter Leitung des Gerichtsvorstehers gemäß der Urtheilsformel und nach den allgemeinen oder besonderen Anordnungen, welche über den Strafvollzug erlassen werden.

§ 42.

Kosten; Beitreibung zugesprochener Entschädigungen.

Sind durch das Verfahren besondere Kosten entstanden, so sind dieselben in einem abgerundeten Betrage dem Verurtheilten zur Last zu legen und in gleicher Weise wie Geldstrafen beizutreiben.

Entschädigungen zu Gunsten des Verleßten, welche nach § 17 erkannt sind, unterliegen ebenfalls der Beitreibung durch das Stationsgericht; jedoch findet im Unvermögensfalle Umwandlung in Freiheitsstrafe nicht statt.

§ 43.

Diese Strafverordnung tritt am 1. Januar 1889 in Wirksamkeit. Die zur Ausführung derselben erforderlichen Bestimmungen erläßt der Landeshauptmann.

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F.

Das Schuhgebiet der Marschall-Inseln. *)

I. Organe der Schuhherrschaft. **)

214. Verordnung, betreffend den Erlaß von Verordnungen auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltung, des Zoll- und Steuerwesens für das Schutzgebiet der Marschall, Brown- und Providence-Inseln.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen auf Grund des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete vom 17. April 1886, im Namen des Reiches, was folgt:

§ 1.

Der Kaiserliche Kommissar für das Schußgebiet der Marschall, Brownund Providence-Inseln ist ermächtigt, für die allgemeine Verwaltung, das Zoll- und Steuerwesen Verordnungen zu erlassen. Dieselben sind sofort in Abschrift dem Reichskanzler mitzutheilen, welcher': befugt ist, die erlassenen Verordnungen aufzuheben.

§ 2.

Die Verkündung der Verordnungen erfolgt in ortsüblicher Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Tafel des Regierungsgebäudes.

§ 3.

Gegen Strasbescheide, welche auf Grund der in Gemäßheit des § 1 erlassenen Verordnungen ergehen, steht den Betroffenen Beschwerde an den Reichskanzler (Auswärtiges Amt) zu.

Die Einlegung der Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, es kann jedoch von dem Kaiserlichen Kommissar die vorläufige Einstellung der Vollstreckung verfügt werden.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Baden-Baden, den 15. Oktober 1886.

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*) Die Gruppen der Marschall, Brown- und Providence Inseln, welche das Schuhgebiet bilden, sind im Oktober 1885 unter deutschen Schuß gestellt worden. Am 16. April 1888 wurde dem Schußgebiete noch die Insel Pleasant Island einverleibt. **) Die Bestimmungen über die Uniformen der Beamten sind abgedruckt im D. Kol. Bl. 1890. 101.

215. Verfügung, behufs Uebertragung konsularischer Befugnisse anf den Kommissar für das Schutzgebiet der Marschall-Inseln.

Auf Grund des § 5 des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesegbl. 1888 S. 75), wird für das Schuhgebiet der Marschall-, Brown- und Providence-Inseln Folgendes bestimmt: $ 1.

Der Kaiserliche Kommissar hat die Befugnisse wahrzunehmen, welche den deutschen Konsuln nach § 16 des Gesezes, bezüglich der Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihrer Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 35) und nach § 35 des Geseßes vom 8. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 137) zustehen. Dasselbe gilt von den Befugnissen, welche den deutschen Konsulaten als Seemannsämtern nach der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 (Reichs Gesezbl. S. 432) und nach sonstigen Reichsgesetzen obliegen.*)

Die für die Konsuln geltenden Ausführungsbestimmungen zu den im vorhergehenden Absatz genannten Gesetzesvorschriften finden entsprechende Anwendung.

In den bezeichneten Angelegenheiten werden Gebühren und Auslagen nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesezes über die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reiches vom 1. Juli 1872 (Reichs-Geseßbl. S. 245) erhoben.

§ 2.

Diese Verfügung tritt am 1. Oktober 1889 in Kraft.

Berlin, den 29. März 1889.

Der Reichskanzler.

Fürst v. Bismard.

П. Rechtspflege.

216. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiete der Marschall-, Brown- und Providence

Inseln.

Vom 13. September 1886.
(Reichs-Gefeßblatt S. 291).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen auf Grund des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Gesezbl. S. 75) in Namen des Reichs, was folgt:

* Vergl. die Anmerkung zu § 1 der Verfügung für Kamerun und Togo (S. 180).

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