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Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (ReichsGesetzbl. S. 197) tritt für das Schußgebiet der Marschall, Brown- und Providence-Inseln in Gemäßheit des § 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete, mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Abänderungen am 1. Dezember 1886 in Kraft.*)

§ 2.

Der Gerichtsbarkeit (§ 1) unterliegen alle Personen, welche in dem Schutzgebiete wohnen oder sich aufhalten oder bezüglich deren, hiervon abgesehen, ein Gerichtsstand innerhalb des Schutzgebietes nach den zur Geltung kommenden Gesezen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit besonders unterstellt werden.

Der Reichskanzler bestimmt, wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist, und inwieweit auch Eingeborene der Gerichtsbarkeit (§ 1) zu unterstellen sind. **)

§ 3.

Dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten steht die Befugniß zu, bei Erlaß polizeilicher Vorschriften (§ 4 des Gesezes über die Konjulargerichtsbarkeit) gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen, soweit ihm diese Befugniß durch besondere Anordnung des Reichsfanzlers ertheilt wird.

§ 4.

(Außer Kraft gesezt durch § 6 der Verordnung vom 7. Februar 1890).

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Der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte hat dafür zu sorgen, daß die Zustellungen in dem Schußgebiete mit der nach den vorhandenen Mitteln möglichen Sicherheit erfolgen. Er erläßt die für die Ausführung erforderlichen Anordnungen und überwacht deren Befolgung.

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In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden des Schutzgebietes alle Entscheidungen, einschliesslich der auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahlungsund Vollstreckungsbefehle an den Schuldner, sowie der Pfändungs- und Ueberweisungsbeschlüsse an den Schuldner und den Drittschuldner Anwendung. Für Beschlüsse, welche ausschliesslich die Prozess- oder Sachleitung, einschliesslich der Bestimmung oder Aenderung von Terminen, betreffen, genügt die Verkündung.***)

*) Vergl. § 3 des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete (Nr. 15), sowie die Anmerkung zu der Ueberschrift dieses Geseķes.

**) Vergl. Nr. 242.

***) Dieser Absah enthält den durch § 1 der Verordnung am 7. Februar 1890 abgeänderten Tert.

Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke kann in allen Fällen durch den Gerichtsschreiber erfolgen.

Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt oder der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen werden, so treten die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Einreichung des zuzustellenden Schriftstückes bei der Gerichtsbehörde ein, sofern die Zustellung demnächst bewirkt wird.

Bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung kann die Gerichtsbehörde anordnen, daß eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei.

Zustellungen außerhalb des Schußgebietes erfolgen im Wege des Ersuchens. Wohnt eine Partei außerhalb des Schußgebietes, so kann, falls fie nicht einen daselbst wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, angeordnet werden, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsaß zustellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung durch Anheftung an die Gerichtstafel bewirkt werden.

Der Nachweis über die erfolgte Zustellung ist zu den Gerichtsakten zu bringen.

§ 7.

Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiete erfolgt ausschliesslich durch die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde, durch welche die Zwangsvollstreckung zu erfolgen hat, zu ertheilen sein würde.*)

Der Beamte kann nach Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Ausführung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu verfahren haben.

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Vollstreckbare Ausfertigungen dürfen von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde im Schußgebiete nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ertheilt werden.

§ 9.

(Außer Kraft gesezt durch § 10 der Verordnung vom 7. Februar 1890,

§ 10.

Das Gesez, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gejezbl. S. 599), tritt für das Schußgebiet der Marschall-, Brown

*) Dieser Absah enthält den durch § 2 der Verordnung vom 7. Februar 189) abgeänderten Tert.

und Providence - Inseln bezüglich aller Personen, welche nicht Eingeborene (§ 2 Abs. 2) sind, am 1. Dezember 1886 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Straßburg, den 13. September 1886.

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217. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse im Schutzgebiete der Marschall-Inseln.

Vom 7. Februar 1890.
(Reichs-Gesezblatt S. 55.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen c., verordnen auf Grund des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete (Reichs - Gejezzbl. 1888 S. 75),*) für das Schußgebiet der Marschall - Inseln in Ergänzung der Verordnung vom 13. September 1886 (Reichs-Geseßbl. S. 291), was folgt:

§ 1.

Der § 6 Absatz 1 der Verordnung vom 13. September 1886 wird. durch folgende Bestimmung erseßt:

(siehe dort).
§ 2.

Der § 7 Absa 1 der Verordnung vom 13. September 1886 wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

(siehe dort).
§ 3.

In Strafsachen findet die Hauptverhandlung ohne die Zuziehung von Beisißern statt, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§ 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesezes bezeichneten Vergehen gehört.

§ 4.

Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen großer Entfernung seines Aufenthaltsortes oder wegen sonstiger Hindernisse von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander, zu erwarten steht.

*) Vergl. § 2 und 3 daselbst (Nr. 15).

§ 5.

Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen wird der Gerichtsbehörde erster Instanz in Jaluit übertragen. Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im § 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten.

§ 6.

Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird für das Schutzgebiet an Stelle des Reichsgerichts und des deutschen Konsulargerichts in Apia (Gesch über die Konsulargerichtsbarkeit §§ 18, 36, 43, Verordnung vom 13. September 1886 § 4) eine Gerichtsbehörde zweiter Instanz am Size des Kaiserlichen Kommissars errichtet, welche aus dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten als Vorsigenden und vier Beisitzern besteht.

Auf die Beisißer und den Gerichtsschreiber finden die Vorschriften in § 6 Absatz 2, §§ 7, 8, 10 des Gesezes über die Konsulargerichtsbarkeit entsprechende Anwendung.

Der § 4 der Verordnung vom 13. September 1886 tritt außer Kraft.

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In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz nehmen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten die Beisißer nur an der mündlichen Verhandlung, sowie an den im Laufe oder auf Grund derselben ergehenden Entscheidungen theil. Jedoch erfolgt die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde unter Mitwirkung der Beifizer, wenn die angefochtene Entscheidung unter Mitwirkung von Beisißern ergangen ist.

In dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechts anwälte nicht geboten und findet der § 269 der Civilprozeßordnung keine Anwendung.

Die Vorschriften in §§ 464 und 468 der Civilprozeßordnung gelten auch für das Verfahren zweiter Instanz.

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In Strafsachen findet vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz in Bezug auf die Zuziehung der Beisißer die Vorschrift des § 30 des Gerichtsverfassungsgesetzes mit der oben im § 7 Absatz 1 bezeichneten Maßgabe Anwendung.

Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.

Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt.

Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat Anspruch auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte des Berufungsgerichts befindet.

In den im § 5 Absatz 1 bezeichneten Sachen ist die Vertheidigung auch in der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Anwesenheit des Vertheidigers erforderlich; der § 145 der Strafprozeßordnung findet Anwendung.

Im Uebrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gefeßes über die Konsulargerichtsbarkeit.

§ 9.

Die Todesstrafe ist durch Erschießen oder Erhängen zu vollstrecken. Der Kaiserliche Kommissar bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in dem einzelnen Falle stattzufinden hat.

§ 10.

In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für Zeugen und Sachverständige, sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung. Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Geseße zu treten haben, werden von dem Reichskanzler erlassen.

Der § 9 der Verordnung vom 13. September 1886 tritt außer Kraft.

§ 11.

Der § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bleibt außer Anwendung; Geldstrafen fließen ebenso wie die Gerichtskosten zur Kasse der Landesverwaltung des Schußgebietes.

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Diese Verordnung tritt am 1. April 1890 in Kraft.

Die in diesem Zeitpunkte bei dem Reichsgericht oder dem deutschen Konsulargericht in Apia anhängigen Berufungs- und Beschwerdesachen werden. nach den bisherigen Vorschriften erledigt.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 7. Februar 1890.

(L. S.)

Wilhelm.

Graf v. Bismarck.

218. Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Schutzgebiete der Marschall-, Brown- und Providence-Inseln.

Vom 2. Dezember 1886 unter Berücksichtigung der durch die Dienstanweisung vom 10. März 1890 eingeführten Aenderungen. *)

Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbar= keit im Schutzgebiete der Marschalls, Brown- und Providence-Inseln wird Folgendes bestimmt:

I. Personen, welche der Gerichtsbarkeit unterliegen.

(3u § 2 der Verordnung vom 13. September 1886.)

Die Gerichtsbarkeit in dem Schutzgebiete erstreckt sich nach zwei Richtungen auf einen weiteren Kreis von Personen als die Konjulargerichtsbarkeit. Der Ersteren sind unterworfen:

*) Die Abänderungen sind durch lateinischen Druck kenntlich gemacht.

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