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4. Geschäftsordnung des Kolonialraths.

§ 1.

Die Sizungen des Kolonialraths und die Gegenstände der Tagesordnung werden vom Vorsitzenden bestimmt. Derselbe eröffnet, leitet und schließt die Berathungen.

§ 2.

Ueber jeden Gegenstand der Tagesordnung findet eine allgemeine und eine besondere Berathung statt.

Ueber Gegenstände von größerer Bedeutung kann der Vorsißende vor oder während der Berathung aus der Mitte des Kolonialraths Berichterstatter ernennen.

§ 3.

Werden Berichterstatter bestellt, so ist diesen bei Beginn und am Schluß der Berathung das Wort zu ertheilen. Im Uebrigen wird den Mitgliedern des Kolonialraths das Wort nach der Reihenfolge ertheilt, wie sie sich ge= meldet haben.

§ 4.

Bei Berathung eines von Mitgliedern des Kolonialraths eingebrachten Antrags kann der Antragsteller oder bei einer Mehrheit von Antragstellern einer derselben bei Beginn der Berathung nach dem Berichterstatter und am Schluß der Berathung vor dem Berichterstatter das Wort verlangen. Sind keine Berichterstatter ernannt, so ist den Antragstellern bei Beginn und am Schluß der Berathung das Wort zu ertheilen.

§ 5.

Vorlagen gehen den Mitgliedern des Kolonialraths schriftlich zu. In der Regel soll die Zusendung einige Tage vor Beginn der Berathung stattfinden.

Anträge von Mitgliedern, welche sich nicht lediglich auf den Gang der Verhandlung beziehen, sind auf Verlangen des Vorsitzenden oder von mindestens drei Mitgliedern schriftlich einzureichen.

Anträge von Mitgliedern, welche einen selbstständigen Gegenstand der Tagesordnung und Berathung bilden sollen, sind stets schriftlich zu stellen. Anträge dieser Art werden jedoch nur dann zur Berathung gestellt, wenn sie von mindestens drei Mitgliedern unterstüßt sind.

$ 6.

Bei Beginn jeder Sizungsperiode findet die Wahl des in § 6 der Verfügung des Reichskanzlers vom 10. Oktober 1890 bezeichneten ständigen Ausschusses statt.

§ 7.

Gegenstände der Berathung der Hauptversammlung können besonderen Ausschüssen von drei bis fünf Mitgliedern zur Vorberathung überwiesen werden.

§ 8.

Die Ausschüsse haben über die ihnen überwiesenen Gegenstände an die Hauptversammlung Bericht zu erstatten. In jedem einzelnen Fall ist zu beschließen, ob der Bericht schriftlich oder mündlich sein soll.

$9.

Die Ausschüsse wählen aus ihrer Mitte einen Vorsißenden sowie einen Stellvertreter desselben und einen Berichterstatter. Eine Protokollirung der Sitzungen findet nur auf besonderen Wunsch der Ausschüsse statt.

§ 10.

Die Wahlen für die Ausschüsse erfolgen nach absoluter Mehrheit; ist diese nicht erreicht, so findet zwischen denjenigen zwei Mitgliedern, welche die größte Stimmenzahl erreicht haben, eine engere Wahl statt.

Der Vorsitzende nimmt an den Wahlen nicht Theil.

§ 11.

Die Abstimmung erfolgt in der vom Vorsitzenden bestimmten Art nach absoluter Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als verneint oder der Antrag als abgelehnt.

Der Vorsitzende des Kolonialraths nimmt an der Abstimmung nicht Theil.

$ 12.

Ueber die Sizungen des Kolonialraths wird von einem von dem Vorsigenden zu bestimmenden Mitglied der Kolonial-Abtheilung ein Protokoll geführt, welches den Hergang der Sizung wiedergeben und die Anträge, die Beschlüsse sowie das Ergebniß der Abstimmungen enthalten muß.

Das Protokoll liegt während der nächsten Sizungen zur Einsicht aus und wird, wenn dagegen kein Einspruch erhoben ist, als genehmigt betrachtet. Das Protokoll der lezten Sizung gilt als genehmigt, wenn der ständige Ausschuß keinen Einspruch erhebt.

Das Protokoll wird von dem Vorsißenden und dem Schriftführer unterzeichnet. Jedes Mitglied erhält ein Exemplar der Protokolle.

$ 13.

Die Mitglieder des Kolonialraths sind, sobald dies bei einem Gegenstande von dem Vorsitzenden gewünscht wird, zur Geheimhaltung der Berathungen verpflichtet.

Der Vorsitzende kann einen Bericht über den Gang der Berathungen im Reichsanzeiger und bei geeigneten Gegenständen im Kolonialblatt veröffentlichen.

5. Gesetz über die Einnahmen und Ausgaben der

Schutzgebiete.

Vom 30. März 1892.
(Reichs-Gesezblatt S. 369.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

$ 1.

Alle Einnahmen und Ausgaben der Schußgebiete müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Etat der Schußgebiete gebracht werden. Letterer wird vor Beginn des Etatsjahres durch Gesez festgestellt.

$ 2.

Baldmöglichst nach Schluß des Etatsjahres, spätestens aber in dem auf dasselbe folgenden zweiten Jahre ist dem Bundesrath und dem Reichstag eine Uebersicht sämmtlicher Einnahmen und Ausgaben des ersteren Jahres vorzulegen.

In dieser Vorlage sind die über- und außeretatsmäßigen Ausgaben zur nachträglichen Genehmigung besonders nachzuweisen.

Die Erinnerungen der Rechnungslegung werden durch diese Genehmigung nicht berührt.

§ 3.

Ueber die Verwendung aller Einnahmen ist durch den Reichskanzler dem Bundesrath und dem Reichstag zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.

§ 4.

Erfordern außerordentliche Bedürfnisse eines Schußgebiets die Aufnahme einer Anleihe oder die Uebernahme einer Garantie, so erfolgt dies auf dem Wege der Gesezgebung.

$ 5.

Für die aus der Verwaltung eines Schutzgebiets entstehenden Verbindlichkeiten haftet nur das Vermögen dieses Gebiets.

§ 6.

Der dem Geseze, betreffend die Feststellung des Haushalts-Etats für die Schutzgebiete Kamerun, Togo und das südwestafrikanische Schußgebiet, für das Etatsjahr 1892/93 als Anlage beigefügte Etat der Schutzgebiete auf das Etatsjahr 1892/93 hat auch für die Etatsjahre 1893/94 und 1894/95 für die Etatsaufstellung der Schußgebiete als Norm zu gelten.*)

*) Reichs-Gesezblatt 1892 S. 371.

§ 7.

Auf Schußgebiete, deren Verwaltungskosten ausschließlich von einer Kolonialgesellschaft zu bestreiten sind, finden die Bestimmungen dieses Geseßes keine Anwendung.

Für das ostafrikanische Schußgebiet treten die Vorschriften unter §§ 1, 2 und 3 dieses Gesezes erst mit dem 1. April 1894 in Kraft, sofern nicht durch Kaiserliche Verordnung ein früherer Zeitpunkt festgesezt wird.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 30. März 1892.

(L. S.)

Wilhelm.

Graf v. Caprivi.

6. Die vom Kolonialrath gefaßten Beschlüsse, betreffend die Zulassung ausländischer Gesellschaften zum Geschäftsbetrieb in den Schutzgebieten und die Berechtigung der Eingeborenen zu Verfügungen öffentlich rechtlicher Natur.

(Deutsches Kolonialblatt 1891 S. 331.)

A. Juristische Personen des Auslandes, insofern sie Erwerbsgesellschaften sind, insbesondere Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, bedürfen zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebes innerhalb des Schußgebietes der Genehmigung der Regierung.

Es sollen Anordnungen getroffen werden, damit dieser Grundsaß unverzüglich auch in den deutschen Interessensphären in Kraft gesezt werde.

B. Ausländische Gesellschaften (A) haben vor ihrer Zulassung im Schußgebiet den Nachweis genügender Mittel (genügenden werbenden Kapitals) zu erbringen.

C. Ausländische Gesellschaften (A) haben eine Zweigniederlassung in demjenigen Schutzgebiete zu begründen, in welchem sie Zulassung zum Betriebe beantragen. Nach dem Ermessen der Regierung kann die Bestellung eines Vertreters und die Begründung eines Gerichtsstandes im Schutzgebiet als genügend erachtet werden.

D. 1. Die von den eingeborenen Häuptlingen gewährten Befugnisse öffentlich rechtlicher Natur sind nicht als rechtsbeständig anzuerkennen. Ins besondere gilt dies für:

a) ausschließliche Wege- und Eisenbahnkonzessionen,

b) Handelsmonopole,

c) das ausschließliche Recht zum Bergbau,

d) die Verleihung von Bergwerksberechtigungen und Rechten an Grund und Boden über das gesammte Gebiet eines Stammes oder einen größeren oder unbestimmten Theil desselben.

2. Sofern die Regierung Rechte der vorstehend unter a bis d be= schriebenen Art einer Erwerbsgesellschaft einräumt, muß die Ausübung solcher Rechte unter der Form einer in Deutschland oder im Schußgebiet nach deutschem Rechte begründeten Gesellschaft erfolgen.

B.

Die Rechtsverhältnisse der Beamten in den Schußgebieten.

7. Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Kaiserlichen Beamten in den Schutzgebieten.

Vom 31. Mai 1887.
(Reichs-Gesezblatt S. 211.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§ 1.

Durch Beschluß des Bundesraths kann bestimmt werden, daß den Kaiserlichen Beamten, welche in den deutschen Schußgebieten eine längere als einjährige Verwendung gefunden haben, die daselbst zugebrachte Dienstzeit bei der Pensionirung doppelt in Anrechnung zu bringen ist.*)

§ 2.

Die Gouverneure, Kanzler und Kommissare für die deutschen Schußgebiete können durch Kaiserliche Verfügung jederzeit mit Gewährung des gefeßlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versezt werden.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 31. Mai 1887.

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*) Einen derartigen Beschluß hat der Bundesrath in der Sizung vom 22. De

zember 1891 in Bezug auf sämmtliche Schußgebiete gefaßt.

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