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Ein elementar-geometrisches Problem.

Von Dr. J. Keller.

In den elementaren Lehrbüchern der Planimetrie findet man die folgende Aufgabe gestellt und auch gelöst :

» Gegeben ein Dreieck ABC und ein beliebiger Punkt P in seiner Ebene: Man ziehe durch diesen eine Transversale t, welche die Dreiecksfläche hälftet.«

Von diesem Probleme geben wir hier eine Lösung mit Hülfe der neueren Geometrie. Es ist ein Beispiel, recht geeignet zu zeigen, wie die modernen geometrischen Methoden auch zur Lösung elementarer Aufgaben mit Vortheil verwendet werden können und wie sie sich gegenüber den alt-hergebrachten durch Eleganz, Kürze und Vollständigkeit der Lösung auszeichnen. Ausserdem führt diese Behandlungsweise des Problems zur Betrachtung eines interessanten Systems von sich doppelt berührenden Kegelschnitten.

Zwei in das Gebiet der Kegelschnitt-Theorie gehörende Sätze sind es namentlich, die wir für das Folgende benutzen:

1) Eine als beweglich gedachte Tangente einer Hyperbel bildet mit den Asymptoten ein Dreiseit von constantem Flächeninhalt und derselbe ist die Hälfte des Inhaltes des Parallelogrammes, gebildet aus den Asymptoten und den durch den Berührungspunkt der Tangente gehenden Parallelen zu diesen.

XXVII. 3 u. 4.

20

Sind t,

(Fig. 1) die Asymptoten und a, b zwei beliebige weitere Tangenten einer Hyperbel, so behaupten

wir

4(t,t', b)=4(t, t', a) oder 4 BOB'4 AОA'. Zum Beweise hiefür fassen wir die zwei projectivischen Punktreihen in's Auge, in welchen die Hyperbeltangenten die Asymptoten schneiden; bezüglich derselben ist die unendlich ferne Gerade als die Verbindungslinie der Berührungspunkte von t, t' mit der Hyperbel die perspectivische Axe; auf dieser haben sich die 2 Geraden AB', A'B zu schneiden, d. h. sie sind parallel; nun ist

4A0B'4 AОB'

4 AB'B= 4 AB'A'

daher d. h.

ΔΑΟΒ

4 AB'B = ΔΑΟΒ - Δ ΑΒ' Α'
4 BOB' = 4 A О A'.

Wenn daher die Alten die Aufgabe lösten, ein gegebenes Dreieck in ein anderes, flächengleiches über vorgeschriebener Grundlinie zu verwandeln, so construirten sie im Grunde genommen eine neue Tangente an eine Hyperbel, bestimmt durch ihre Asymptoten und eine Tangente.

Um den Berührungspunkt der Tangente a zu finden, benutzen wir den Satz, dass für ein einem Kegelschnitt umschriebenes Dreiseit die Verbindungslinien der Ecken mit den Berührungspunkten der gegenüberliegenden Seiten durch einen Punkt gehen (spec. Form des Brianchon'schen Satzes). Für das Dreiseit t t'a ist dieser Punkt die 4. Ecke 0* des Parallelogrammes AOA'O*; somit schneidet die Diagonale 00* desselben aus a den Berührungspunkt A* und daher ist

A*A = A*A';

hieraus folgt aber:

1

Parallelogramm A, 04, 4* = Dreieck AOA'.

2

2) Sind K1 und K, (Fig. 2) zwei sich doppelt berührende Kegelschnitte, so schneidet jede durch einen der beiden Berührungspunkte gehende Transversale t die Kegelschnitte noch in zwei weiteren Punkten, welche mit dem Berührungspunkte und dem Schnittpunkte mit der Tangente im anderen Berührungspunkte ein constantes Doppelverhältniss bilden.

Ein analytischer Beweis hierfür vollstreckt sich sehr einfach, indem wir die beiden gemeinsamen Tangenten und die Berührungssehne als Seiten des Coordinaten-Dreieckes festsetzen; sind dann k1 und k zwei beliebige Parameter, so können K1 und K, auf folgende Weise ausgedrückt werden.

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Ist ferner & der Parameter für die durch den Berührungspunkt X, gehende veränderliche Tranversale t, so heisst deren Gleichung:

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Für die Schnittpunkte X2, X13, T1, T2 erhält man nun folgende Bestimmungsgrössen:

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Das Doppelverhältniss dieser 4 Punkte erhält somit den Werth:

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d. h. er ist von λ unabhängig. Auf analoge Weise findet man für eine Transversale durch X, denselben Werth des Doppelverhältnisses. Es mag noch bemerkt werden, dass dieser Werth positiv ist für zwei Ellipsen; positiv oder negativ für zwei Hyperbeln, je nachdem die Berührungspunkte resp. auf verschiedenen Aesten oder auf demselben Aste einer der Hyperbeln liegen; für zwei Parabeln ist er 1, weil sie zusammenfallen.

Es liegt aber in der Natur der Sache, auch einen rein-geometrischen Beweis für diesen 2. Satz zu haben. Ein solcher wird uns sehr nahe gelegt durch die Eigenschaft centrisch-collinearer Figuren in derselben Ebene, wonach auf jedem Strahle durch das Collineations-Centrum 2 entsprechende Punkte mit diesem und dem Schnittpunkte mit der Collineationsaxe ein constantes Doppelverhältniss bilden. Unsere zwei sich doppelt berührenden Kegelschnitte K1, K2 können nämlich als collineare Figuren in centrischer Lage aufgefasst werden entweder mit X als Centrum und x als Axe oder mit X als Centrum und x, als Axe; daraus folgt, dass auf 2 beliebigen durch X, gehenden Strahlen die Doppelverhältnissgleichheit besteht:

(X2 X" T¶ T") = (X, X"* TH* TÖ*);

ebenso auf 2 beliebigen durch X, gehenden Strahlen: (X, XW TT TT) = (X, XTM* TTM* Tш*).

Es ist aber auch

(X, X# T# T")=(X. XE T" TH);

denn bez. des Kegelschnittes K1 müssen sich nach dem Pascal'schen Satze X, X, XX, TI TT in einem Punkte P schneiden; durch diesen geht aus analogem Grunde bez. des Kegelschnittes K, die Gerade TH TH; es sind somit die 2 Punktreihen auf t, und ta in perspectivischer Lage für P als Perspectiv-Centrum und haben daher das nämliche Doppelverhältniss.

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Auf unser Hauptproblem nun eintretend, sei ABC (Fig. 3) das gegebene Dreieck, welches durch eine Transversale aus einem beliebigen Punkte P gehälftet werden soll. Wir fassen zunächst nur zwei Dreieckseiten, z. B. BA und CA in's Auge; alle Transversalen, welche mit diesen beiden Seiten je ein Dreiseit bilden, dessen Inhalt der Hälfte des Inhaltes des gegebenen Dreiecks gleich ist, umhüllen nach dem oben citirten 1. Satze eine Hyperbel, welche die Dreiecksseiten BA und CA zu Asymptoten hat. Offenbar gehören auch die 2 Mittellinien BB1, CC1 des Dreiecks zu diesen Tangenten, so dass wir damit von der Hyperbel schon ein Element mehr kennen, als zu ihrer Bestimmung erforderlich ist. Ermitteln wir jetzt die von dem Punkte P an diese Hyperbel gehenden Tangenten, so sind diese die verlangten Transversalen. Natürlich wird hierfür die Hyperbel nicht wirklich gezeichnet, sondern man verbindet die auf den Asymptoten liegenden projectivischen Punktreihen 1, 2, 3, 4; 1', 2′, 3', 4' (wovon schon 3 Paare genügen) mit P; dadurch entstehen um P herum 2 projectivische Strahlbüschel; bestimmt man mittelst eines durch P gehenden Hülfskreises die Doppelstrahlen derselben, so sind diese die gesuchten Tangenten. Im Allgemeinen liefert nur die eine der 2 Tangenten eine wirklich brauchbare Lösung des Theilungsproblemes; die andere schneidet die Verlängerungen der Dreiecksseiten

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