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I.

Bemerkungen über die neueste Deutsche Geseßges bung in Bezug auf religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen.

Vom

Herrn Geheimen Rath Mittermaier.

I.

Wer noch die Hoffnung nährt, daß die Deutschen Staaten sich über ein ganz Deutschland verbindendes CivilGesetzbuch, wenigstens über die Hauptgrundsäke der einzelnen Lehren vereinigen werden, braucht nur einen Blick auf die neuesten im Jahre 1826 erschie nenen Legislationen Deutscher Staaten über die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen zu werfen, um sich zu überzeugen, wie entfernt die Aussichten auf die Realisirung seiner Hoffnung sind. Während das Aarauische CivilGesetzbuch 1) von 1826 die Bestimmung enthält, daß die Kinder immer in der Religion des Vaters erzogen werden müssen, ers

1) CivilGesegb. für den Canton Xarau. §. 175. Themis ft. I.

klärt eine Großherz. Hessische Verordnung 2), daß, wenn nichts in dem vor der Ehe geschlossenen Ehevertrage ausgemacht wäre, die Religion des Vaters entscheide; eine Großherz. Badische Verordnung 3) (vorzüglich merkwürdig, weil in Baden bisher seit 1807 die Norm galt, daß die Confession des Vaters unbe dingt für die männlichen Kinder entscheidé) spricht aus, daß es den Verlobten völlig frei stehe, was sie in den Ehevertrågen über die Erziehung der Kinder verabreden wollen; nur beim Mangel des Vertrags sollen alle Kinder in der Confession des Vaters erzogen werden. Gänzlich abweichend von diesen Ansich ten ist die Vorschrift des Hannoverischen Gesezés 4), nach welchem nur der Ehemann als Haupt der ehelis chen Gesellschaft das Recht haben soll, zu bestimmen, in welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen. Jeder Vertrag, wodurch der Vater auf sein freies Recht verzichtet, soll nach diesem Gesehe nichtig seyn. Nach dem Tode des Vaters muß die religiöse Erziehung der Kinder so eingeleitet oder fortgesezt werden, wie es dem vom Vater ernstlich und fortwährend gehegten Willen gemåß ist; und das Geseß (§. 4.) ftellt dabei die Vermuthung auf, daß der Vater die Kinder in seiner eigenen Religion habe erziehen lassen wollen. Alle Kinder sind daher in der Religion des oder in der, wozu er sich in neuester Zeit Offentlich bekannte, zu erziehen, und erlaubte Aus,

Baters,

2) vom 27. Febr. 1826.

3) v. 17. Juny 1826.

4) v. 31. Julius 1826.

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nahmen (§. 5.) find nur, a) wenn der Vater dem einzigen oder mehreren schulfähigen Kindern bis an seinen Tod den Hauptunterricht in der Religion bloß durch Geistliche anderer Confession, nicht bloß abwechselnd hat ertheilen lassen, oder b), wenn der Vater zu Protokoll bei seinem persönlichen Gerichte erklärt, daß die Kinder in der Religion der Mutter erzogen werden sollen, und wenn er diese Erklärung, welche jedoch nicht erst in der lehten Krankheit erfolgt feyn darf, nicht zurückgenommen hat. Während blog die Vergleichung der verschiedenen Geseße eines einzigen Jahres die höchste Verschiedenheit der Ansichten lehrt, führt das Jahr 1827 wieder eine neue Ansicht auf, die, welche die Königl. Sächsische Verordnung 3) im §. 52. ausspricht, nach welchem der Gefeßgeber sein Bedenken erklärt, durch eine gesehliche Bestim mung über das Religionsbekenntniß, in welchem Kinder von Personen verschiedenen Glaubensbekenntnisses getauft werden sollen, den Aeltern oder anderen zur Sorge für die Erziehung der Kinder ver pflichteten Personen einen Zwang aufzulegen; so daß die Entscheidung hierüber unbedingt der Uebereinkunft und Anordnung der Weltern überlassen bleibt. Diese Uebereinkunft soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach dem Ableben der Aeltern befolgt, oder wenn die Aeltern ohne Uebereinkunft oder Anordnung zu treffen verstorben find, soll es denjenigen überlassen werden, die überhaupt für die Erziehung dies ser Kinder zu sorgen haben. Wirft man einen Blick

5) vom 19ten Februar 1827.

auf die Gesezgebung Deutscher Staaten über diesen Gegenstand in den früheren Jahren zurück, so trifft man die nåmliche Verschiedenheit der Ansichten.

Die Auskunft, daß die Kinder, im Falle des Mangels einer Verabredung der Aeltern, nach dem Geschlechte getheilt, und Söhne in der Religion des Vaters, die Töchter in der Religion der Mutter ers zogen werden sollen, schien lange Zeit als die zweckmåßigste zu gelten, und ist auch im Preussischen Landrechte 6), in einem Weimarischen Geseße von 18137) und in Baiern 8) sanctionirt worden; allein nur in Baiern dauert diese gesehliche Bestimmung. noch fort, während in Preussen durch Verordnung vom 21. Nov. 1803 (neuerlich [7. Oct. 1825.] auch auf Rhein - Preussen und Westphalen ausgedehnt) jezt die Vorschrift gilt, daß die Kinder bis ins 15te Jahr in der Religion des Vaters erzogen werden müssen. In Weimar dagegen besteht durch Verordz nung vom 7. Oct. 1823 9) die Vorschrift, daß die Kinder auch von Aeltern verschiedener Confeffion im mer in der nämlichen Religion erzogen werden müs sen, und zwar soll die Religion desjenigen Ehegatten entscheiden, dessen Familie in aufsteigender Linie am långsten als katholisch oder protestantisch im Großherzogthum eingebürgert gewesen ist; wenn auf

6) Landrecht II ThL. Tit. 2. §. 76.

7) Weimar. Regulatis über die Katholiken vom 19. April 1813. §. 4.

8) Bair. Religionsedikt v. 1818. Cap. III, §. 12.

9) §. 51.

diesem Wege keine Entscheidung zu gewinnen ist, sollnach der erwähnten Verordnung die Religión des Vaz ters entscheiden, ohne daß die Eingehung eines Verz trages über die Religion der Kinder den Aeltern `ges, stattet ist. Man sieht nun, wenn man die Geseßgebung der Deutschen Staaten nåher betrachtet, daß die Ansichten über den Gegenstand bunt genug durcheinander laufen, und es scheint noch auffallend, daß eben Deutschlands Staaten sich genöthiget fanden, über den in Frage stehenden Gegenstand Gesehe zu geben, während in Frankreich kein Geset dieser Art besteht, und dem Verfasser dieses Auffahes von glaubwürdigen Französischen Praktikern versichert worden ist, daß bei den Gerichten gar keine Streitigkeiten über den Gegenstand vorkämen. Der Grund dieser Erschei nung liegt in den geseßlichen Vorschriften des Code civil 10), daß der Vater die Erziehung der Kinder leite, und nach dem Tode des Vaters dies Recht von selbst auf die Mutter übergeht ein Vertrag aber, wodurch der Vater sich verbände, in welcher Religion er die Kinder erziehen lassen wollte, würde in Frankreich als ungültig betrachtet werden, da nach dem Code civil 11) alle Vertråge, wodurch die Rechte geschmälert werden sollen, welche zu der Gewalt des Mannes über die Frau und die Kinder gehören, oder die dem Manne als Haupt der Familie zustehen, als ungültig erklärt werden.

10) Code civil Art. 373.

11) Code civil Art. 1388.

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