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digen Herren Schultheißen, Räthe und Burger verlangten das Regiment wieder von Rechtswegen, von Gottes Gnaden und wollten es nicht fernerhin von des Volkes Gunst empfangen. Wie die Regierung und der Große Rath in großer Mehrheit dieser Tendenz zugethan waren, so fanden die Forderungen der sogenannten Unbedingten und die Taschenspielerkünfte Senfts geneigtes Gehör. Die Sache des Volkes wurde verrathen und am 23. Dezember der Beschluß gefaßt, die Gewalt abzulegen und solche an Schultheiß, Räthe und Burger zu übertragen. Dieser eidbrüchige Akt wurde vollzogen, ohne das Volk um seine Zustimmung zu befragen. Am nämlichen Tage erließen Schultheiß, Kleiner und Großer Rath eine Proklamation, worin sie sagen: „daß die verbündeten Mächte sich ganz bestimmt gegen Se. Ercellenz den Land„ammann der Schweiz erklärt hätten, daß die Vermittlungs„akte und die Folgen derselben mit ihrem großen Zweck der ,,Befreiung der Völker und der Freiheit der schweizerischen „Nation unverträglich und daß dadurch das ehemalige Bern „und desselben rechtmäßige, einzig durch fremde Gewalt ge= stürzte Regierung in alle ihre wohlhergebrachten Rechte zu,, rücktrete."

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Die hier vorgebrachten Gründe, um die Auflösung der Mediationsregierung zu rechtfertigen, sind unwahr und zugleich staatsrechtlich unhaltbar. Unwahrheit war es, daß die verbündeten Mächte dem Landammann eine derartige Eröffnung gemacht hatten. Ein derartiges Vorgehen gehört in das Trugsystem der Berneraristokratie. Weder in der Note der fremden Minister, noch in den Verbaleröffnungen, ist ein derartiger Gedanke ausgesprochen worden, vielmehr erklärten die verbündeten Mächte von Anfang an ganz bestimmt, daß sie sich in die innern Angelegenheiten der Schweiz nicht mischen wollen. Die Mediationsverfassung

bestand denn auch in verschiedenen Schweizerkantonen noch längere Zeit fort. Auch staatsrechtlich war der Aufhebungsbeschluß entschieden unzulässig, es war ein staatsverbrecherischer Akt.

Die Mediationsregierung hatte den Eid geleistet, die Verfassung zu handhaben, und sie hatte keine Vollmacht, die ihr vom Volke übertragene Gewalt in die Hände der gnädigen Herren Räthe und Burger niederzulegen. Diese hatten übrigens unterm 3. Februar 1798 durch ein förmliches Defret auf die ausschließliche Herrschaft verzichtet, und erklärt:

Daß jeder Staatsbürger das Recht habe, zu allen „Stellen der Regierung und Verwaltung des Staates zu gelangen und daß die Repräsentation des Volkes in der Regierung durch selbstgewählte Repräsentanten als Grundlage der zu entwerfenden Verfassung festgesetzt sein solle. In den Erwägungsgründen zu dem Dekrete erklärten die damaligen Regenten: „daß wir nach feierlicher Abschwörung ines theuren Eides zu Gott, dem Allwissenden und Allmächtigen, unser Vaterland und seine Unabhängigkeit gegen jeden innern und äußern Feind mit Gut und Blut zu ver„theidigen uns frei und ungedrungen entschlossen haben, die Regierung mit dem ganzen Volke auf das Jnnigste zu ver„binden, zu diesem heilsamen Endzwecke in unserer Staatsverfassung diejenigen Veränderungen vorzunehmen, die das Wohl des Vaterlandes erfordert und dem Geiste der Zeiten. „und den Umständen angemessen sind." Durch diese Erklärung hatte die Aristokratie auch nach den strengsten Forderungen eines sogenannten historischen Rechts auf die ausschließliche Herrschaft verzichtet und sich zu den demokratischen Grundsägen bekennt. Das war jetzt aber vergessen. Die Umstände hatten sich verändert und es war wieder Aussicht vorhanden, die Alleinherrschaft der Aristokraten über das gesammte Volf zu erlangen.

Merkwürdiger Weise wurden die Beamten und Ange= hörigen von Denjenigen, die so eben ihren Eid gebrochen, des Eides entbunden.

Groß war der Jubel in den aristokratischen Kreisen über die stattgefundene Abdankung. „Jezt erhalten wir auch die Waadt und das Aargau wieder zurück“ sagte ein aristokratischer Offizier zu einem Bürger des Amtsbezirks Aarberg, als sie, nachdem die eidgenossischen Truppen entlassen waren, nach Hause zurückkehrten. Und wirklich war das erste und beharrlich verfolgte Bestreben der Herren von Bern auf die Wiedereroberung dieser beiden früher beherrschten Landestheile gerichtet.

Am 24. Christmonat des Morgens um 8 Uhr versammelte sich der Kleine Rath in der Absicht, den noch lebenden Mitgliedern der im März 1798 abgetretenen rechtmäßigen" Regierung den Beschluß des Großen Rathes mitzutheilen. Gleichzeitig kamen die von 299 auf 143 herabgeschmolzenen Mitglieder des ehemaligen Großen Rathes_zusammen. Nachdem die förmliche Mittheilung des Großrathsbeschlusses stattgefunden, wurde, wie das Protokoll des Kleinen Rathes vermeldet, „nicht ohne Rührung und Dank gegen diejenigen Mitglieder, die nicht wieder zu der einge,,tretenen Regierung gehörten, Abschied genommen.“

Da nur noch fünf Mitglieder des ehemaligen Kleinen Rathes am Leben waren, so wurde von der Räthe- und Burgerversammlung die Niedersehung einer sogen. Standeskommission beschlossen und derselben provisorisch die Negies rungsgewalt übertragen.*)

Der Stadtschultheiß Karl May, als einziges Mitglied

*) Im ersten Theil p. 695 ist das Verzeichniß der Mitglieder dieser Commission, aus Versehen wurde jedoch Johann Karl May ausgelassen.

des ehemaligen Kleinen Rathes, welcher in den Ausschuß gewählt worden, führte den Vorsiz. Gleichzeitig mit der Bestellung dieser Commission wurde beschlossen, eine Proflamation an das Volk zu erlassen, worin gesagt ist: „daß „unser Vaterland es den Befreiern von Europa, den hohen alliirten Mächten zu verdanken habe, daß es an der Heilung feiner Wunden in ungetrübter Ruhe arbeiten könne." Den beiden Regierungen von Aargau und Waadt wurde befoh= len, von dem Empfang dieser Proklamation an ihren Kassabestand, auf authentische Belege gestützt, festzusetzen und die Gelder zur Verfügung der Bernerherren bereit zu halten.*)

Das bernische Volk glaubte in großer Mehrheit wirklich, die verbündeten Mächte hätten die eingetretene Staatsveränderung verlangt, und da im Grunde das herrschende Personal mit wenigen Ausnahmen das nämliche war, wie unter der Mediationsverfassung, und der nämliche Geist dominirte, so nahm die Masse das Geschehene ziemlich gleichgültig auf. Nur politisch gewecktere Köpfe, deren es damals auf dem Lande wenige gab, vermochten die Folgen zu ermessen. Anders war dieß in den Kantonen Waadt und Aargau. Hier war die große Mehrheit mit den bestehenden Verfassungszuständen zufrieden, indem sie die erlangte Unabhängigkeit zu schäßen wußte.

Freilich zählte die Bernerregierung in jenen Kantonen immer noch einzelne Anhänger, welche früher zu den Günstlingen des Bernerpatriziats gehört hatten.

Die Regierungen der beiden genannten Kantone verboten denn auch die Verbreitung der Proklamation der bernischen Regierungscommission. Im Aargau wurde unterm 26. Dezember folgende Gegenproklamation erlassen :

*) Auf p. 695 erster Theil ist diese Proklamation ausführlich enthalten.

„Wir Präsident und Rath des Kantons Aargau thun ,,fund hiemit: Da uns eine Art von Dekret zu Gesicht ge,,kommen, wodurch sich ergiebt, daß die dortige eidgenössische Regierung sich aufgelöst und an Schultheiß, Räth

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Burger der Stadt Bern übergeben hat und daß nun im „Namen von Statthalter und Räth und Burger der Stadt ,,und Republik Bern ein zweites Defret erscheint, wodurch ,,die Vereinigung der löblichen Kantone Aargau und Waadt ,,auf eine trogende Art befohlen wird: In Betrachtung, „daß uns Eid und Pflicht sowohl als die innigste Ueberzeugung der Wohlfahrt der Bürger unseres Kantons ge,,bieten uns mit aller besitzenden Kraft einem so ungerechten und willkürlichen Anspruch einer uns ganz fremden Behörde zu widerseßen. In tiefer Betrübniß über solche ,,Schritte von Eidgenossen, die wo kaum der heimathliche „Boden von fremden Truppen betreten wird, deren freundlicher Empfang und Verpflegung der inneren Administra„tion so viele Schwierigkeiten verursacht. dahin ab „zwecken, die bisher bestandenen und so geliebten Bande un„serer gesellschaftlichen Ordnung aufzulösen, Unzufriedenheit, Verwirrung und Anarchie zu verursachen; in Betrach,,tung endlich, daß durch eine offizielle an Se. Excellenz den "Herrn Landammann der Schweiz eingereichte und uns von Hochdemselben mitgetheilte Note des Herrn Ritters Lebzel,,tern und Capo d'Istria erklärt wird, die hohen alliirten „Mächte gedächten nicht, sich in die innere Verwaltung und „in die inneren Angelegenheiten der Schweiz zu mischen, beschließen: Im vollsten Vertrauen auf die Anhänglichkeit und „das Pflichtgefühl ihrer Beamteten und Bürger: 1. Die Be‚kanntmachung und Verbreitung dieser Dekrete aus Vern „vom 22. und 24. Christmonat 1813 datirt, ist in unserem "Kanton verboten. 2. Alle öffentlichen Beamteten und guten „Bürger sind bei ihrer Eidespflicht aufgeboten, diese Dekrete,

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