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Regierung waren, so wurde wohl nicht ohne Grund ihre Unpartheilichkeit mächtig bezweifelt.

Gegen Michel, Beügger und Kirchmeier Blatter konnte trotz der raffinirtesten Untersuchungskünfte des bekannten Verhörrichters von Wattenwyl keine Schuld erbracht werden. Man hatte sich nicht gescheut, auf die brutalste Weise das Postgeheimniß zu verletzen und einen Brief zu den Akten zu bringen, welchen Beügger an einen Verwandten in Meyringen geschrieben hatte. *)

Unterm 29. Oktober wurden diese drei Angeklagten, vom Appellationsgericht freigesprochen, und verfügt, es solle denselben eine förmliche Ehrbewahrniß zugestellt werden. Für jeden Tag Einsperrung wurde ihnen eine Entschädigung von L. 8 zugesprochen.

Gegen Mani, Karlen und Regez und den flüchtigen Christian Bohren fällte das Amtsgericht von Thun ein wahrhaft drakonisches Urtheil. Bohren erhielt sechs Jahre Kettenstrafe; die andern Drei wurden zu dreijähriger Einsperrung in den Burgerspital verurtheilt, wo sie auf ihre Kosten verpflegt werden sollten; außerdem wurden sie zu allen Ehren und Aemtern unfähig erklärt. Auch wurde ihnen die Hälfte der Militärkosten auferlegt für die in Thun und Umgegend aufgestellten Truppen.

*) Dieser unterm 22. August an Andreas Neiger in Meyringen adressirte Brief lautete:

„Freund G'Vater!

„Unserm Volke ist die Vinde über die Absichten der Herren „von Bern von den Augen gefallen; sie sehen ein, daß Alles nur „auf den Vortheil der Stadt Bern berechnet ist und das Land die „Abgaben ertragen und durch solche den Herren zinsbar werden soll „Zu Gsteig hat, ungeachtet man in einer langen Rede aussagte, „daß bei Euch über 1000 seien, zum Spott ein einziger kleiner rother „Korber unterschrieben 2c. 2c.

„Die Regierung wird jezt die Speichellecker unter ihren Be„amteten kennen lernen, die ihr immer die süßesten Hoffnungen von „Ergebenheit des Volkes vormalten.“

Dieses Urtheil, welches revisionsweise dem Appellationsgerichte eingesandt werden mußte, wurde freilich unterm 29. Oktober in etwas gemildert.

Es zeugt jedoch immer noch von einer Strenge, welche mit dem wirklichen Verschulden in keinem Verhältniß stand, wenn überhaupt von einem Verschulden die Rede sein kann. Bohren erhielt vier Jahre, Mani und Karlen zwei Jahre und Regez sechs Monate Einschließung, und zwar Mani und Karlen auf eigene Kosten. Ferner wurden sie zur Bezahlung der Untersuchungskosten und zu viertausend achthundert Schweizerfranken Militärkosten verurtheilt. Vergebens hatten einhundert drei und dreißig der angesehensten Bürger des Simmenthales unterm 12. Weinmonat sich be= worben, daß die Männer freigelassen werden möchten und zugleich Bürgschaft angeboten. Sie blieben in Haft.

Koch von Thun wurde zu dreijähriger, Eggimann zu einjähriger Einschließung auf eigene Kosten verurtheilt. Samuel Tschaggeni erhielt sechs Monate Einschließung und wurde als Rechtsagent eingestellt. Jakob Knechtenhofer mußte die ausgestandene Haft an sich selbst tragen. Den drei Erstgenannten wurden überdieß noch viertausend achthundert Franken Militärkosten auferlegt.

Die oberinstanzliche Verurtheilung von Seiler, Blatter und einer Menge anderer Angehöriger des Amts Interlaken fand erst am 12. Nov. statt. Die Angeklagten wurden unter militärischer Begleitung nach Bern transportirt. Die Kompagnie von Wattenwyl wurde zu diesem Zwecke nach Interlaken beordert. Notar Seiler von Bönigen wurde per contumaciam zum Tode verurtheilt, Dr. Blatter zu sechszehnjähriger Kettenstrafe und beide solidarisch zum dritten Theil der im Amte Interlaken verursachten Militärkosten. *) Peter Seiler,

*) In erster Instanz trug eine Minderheit auch gegen Blatter auf Todesstrafe an.

Ulrich Großmann, Melchior Abplanalp, Heinrich Heim, Peter Sterchi und der junge Flachmaler König erhielen zwei Jahre Einsperrung auf eigene Kosten, und Helfer Roschi wurde von seiner Stelle abberufen und für zwei Jahre im geistlichen Stand eingestellt. Es ist schauerlich, wie damals die erlaubtesten Handlungen zu Verbrechen gestempelt wurden. Mag der Ausschuß, welcher zur Leitung der ganzen Bewegung bestellt wurde, in der gewiß durch die Schuld des Oberamtmanns provozirten Aufregung die Gränzen des Erlaubten überschritten haben, so hat gewiß Helfer Roschi sich keines Fehlers schuldig gemacht.*) Das oben erwähnte Lied war dem Strafgerichte nicht bekannt.

*) Es ist wohl nicht uninteressant einen Blick in die Motive zu werfen, auf welche so harte Urtheile gegründet wurden. Sie lauten: 1. Betreffend Dr. Joh. Blatter.

„Derselbe hat, ohngeacht er unterm 23. August dem Hrn. Ober„amtmann sein Ehrenwort gegeben, wegen der geschehenen Arre„stationen keine Umtriebe zu machen, sich dennoch gegen dieselben am meisten vorgethan, indem er beklagt ist:

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1) „Auf der Höhegasse sich geäußert zu haben, man wolle den „Herrn Oberamtmann, den Herrn Amtsstatthalter und den „Statthalter Borter gefangen nehmen, bis die andern drei „los seien.“

2) „An allen Versammlungen zugegen und der Wortführer bei „den meisten gewesen zu sein.“

3) „Den Antrag zur Erwählung eines Ausschußes gemacht zu „haben.“

4) „Der Präsident des Ausschusses gewesen zu sein.“

5) „Die Berufung von 20 Mann aus jeder Gemeinde in Um„frage gefeßt."

6) Zu Matten und Brienz Unterschriften für die Vorstellung „gesammelt zu haben."

7) „Als Abgeordneter nach Zürich gegangen zu sein, und als „er zu Luzern arretirt, und mit dem Versprechen, sich zu Interlaken zu stellen, entlassen worden, habe er sich nirgends „eingestellt; auch sei er ohngeacht der an ihn ergangenen öffentlichen Vorladung, nicht vor dem Richter erschienen.“

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Doktor Joh. Blatter,

gewesener Gerichtsstatthalter von Interlaken.

(Als Stubent ber Medizin.)

Pag. 280.

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