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Einladung aus, andere zögerten, der Sache mißtrauend. Die Regierungskommission erhielt den Auftrag auf den folgenden Tag den mediationsmäßigen großen Rath einzuberufen und in dessen Hand die souveräne Gewalt niederzulegen. Dieser sollte dann eine neue Verfassung entwerfen unter Berücksichtigung der allgemeinen Wünsche. Da die provisorische Regierung es versäumt hatte, die nöthigen Anstalten zu treffen, um sich den Besiß der eroberten Positionen zu sichern, ermannten sich die Anhänger der gestürzten Regierung schon des Nachmittags wieder. Aufgemuntert von dem inzwischen von Zürich zurückgekehrten Landammann Gluß, dem es gelang, durch eine auf freiem Plaze gehaltene zutrauliche Rede mehrere Bauern und Militärs auf seine Seite zu bringen, griffen sie die Wachtposten der früh Morgens eingedrungenen Truppen an. Vor dem Zeughause wurde eine mit Kartätschen geladene Kanone losgebrannt, wobei ein halb Dutzend Menschen ums Leben kamen. Eine große Zahl wurde in dem darauf folgenden Handgemenge verwundet, namentlich auch die beiden Söhne Gluß. Die Anhänger der gestürzten Regierung bemächtigten sich der Stadtthore. Ein späterer Versuch der Bauern, sich des Bielthores wieder zu bemächtigen, wurde zurückgeschlagen, wobei es abermals Todte und Verwundete gab. Auf Zureden einiger Geistlichen schlug nun die provisorische Regierungskommission eine Kapitulation vor. Sie verlangte eine gerechte, durch die Verfassung garantirte Repräsentation des Landes, Anerkennung, daß die Unterthanenverhältnisse aufgehoben seien. Nachts um halb 9 Uhr wurde zwischen der sogeheißenen Staatskommission und der provisorischen Regierungskommission in Gegenwart des Staatsrathes folgende Kapitulation. abgeschlossen:

„Die Staatskommission der Stadt und Republik Solo,,thurn, sobald das Rath- und Zeughaus abgetreten sein

wird und die bewaffneten Landleute nach Niederlegung der Waffen ruhig sich werden nach Hause begeben haben, - wird sich angelegen sein lassen, über die Vorfälle vom heutigen „Tage bei Schultheiß, Räth und Burger der Stadt und Re„publik Solothurn auf Bestätigung der von ihr ausgesprochenen Amnestie anzutragen, und zwei von den Herren Wyß, Munzinger und Eder angebrachten Anträge, betreffend: 1. „Die Abschaffung der Unterthanenverhältnisse, 2. „Die Aufstellung eines billigen Verhältnisses in der „Repräsentation des Volkes höchstdenselben zur billi„gen Berücksichtigung bestens zu empfehlen."

Hierauf erfolgte durch zwei Civilcommissarien und zwei Kriegskommissarien, welche von beiden Theilen ernannt wurden, die förmliche Uebergabe des Zeughauses, des Rathhauses und anderer von der Landpartei beseßter Posten. Noch in derselben Nacht zogen die Landleute wieder ab, und ihre Anführer ermahnten solche, welche ihnen zu Hülfe ziehen wollten, zur Rückkehr.

Kaum hatte die Bernerregierung von diesen Vorgängen Kunde erhalten, so sandte sie alsobald die Standescompagnie und leichte Artillerie nach Solothurn, um die aristokratische Partei zu unterstützen. Am 3. Juni Morgens um 3 Uhr trafen diese Truppen unter Anführung des Obersten Kirchberger in Solothurn ein. Aus dem Amte Fraubrunnen zogen circa 80 Freiwillige unter Anführung des Lieutenants Steinhauer den bedrohten Solothurneraristokraten zu Hülfe.

Die Bernerregierung sandte überdieß in der Person des Rathsherrn Fellenberg einen Abgeordneten nach Solothurn, um der Regierung mit Rath nnd That beizustehen. Zudem erließ sie Mahnschreiben an die Oberamtmänner vor Wangen, Aarwangen, Büren, Trachselwald uud Signau und gab den Auftrag, mit kluger Thätigkeit nachzuforschen, ob sich Verbindungen der solothurnischen Unterthanen in ihren

Amtsbezirken zeigten und allfällige Entdeckungen durch Eilboten kund zu thun. Zu besonderer Wachsamkeit wurde der Oberamtmann von Burgdorf ermahnt, „da der bekannte ,,Geist der Einwohner von Burgdorf ein Einverständnß mit solchen Versuchen der demokratischen Partei vermuthen „lasse."

Die Oberamtmänner von Signau und Trachselwald wurden auf die Wahrscheinlichkeit aufmerksam gemacht, daß zwischen den solothurnischen und luzernischen Unzufriedenen ein Einverständniß stattfinden möchte und daß in Folge dessen auch eine Regierungsveränderung in Luzern stattsinden könnte. Deßhalb sollten sie ihre Nachforschungen auch auf den Kanton Luzern erstrecken. Der Oberamtmann von Fraubrunnen wurde noch besonders ermahnt, ein wachsames Auge auf alt Großrath Weber von Uzenstorf und ähnlich Gesinnte seines Amtsbezirkes zu halten.

Als die Berner Regierung von der geschlossenen Kapitulation Kunde erhielt, wurde dem Oberamtmann von Fraubrunnen Auftrag ertheilt, allfälligen Flüchtigen keinen Aufenthalt zu gestatten.

Dem bernischen Abgeordneten, Rathsherrn Fellenberg, schrieb der geheime Rath unterm 3. Juni nach Solothurn, es scheine den Umständen und den Interessen der verbündeten Stände (Bern, Freiburg und Solothurn) angemessen, daß die Regierung von Solothurn jede Einmischung der Tagsayung, es sei durch Zusendung eidgenössischer Truppen oder durch Abordnung von Repräsentanten, höflich aber bestimmt ablehne, indem sie sich stark genug fühle, die Ruhestörer zu vernichten, so wie die Ruhe und Ordnung auf ihrem Gebiete zu handhaben und das Ansehen der rechtmäßigen Obrigkeit zu behaupten.

Der Regierung von Solothurn wurde unterm 4. Juni vom bernischen geheimen Rath geschrieben:

„Wir wünschen, daß ihr und euer Kanton auf derglei„chen ruhestärenden, gefährlichen Umtriebe genaue Polizeiauf„sicht halten lasset und uns von allen wichtigen Entdeckun„gen vertraulich benachrichtigt." Gleichzeitig wurde die kräftigste Unterstützung zugesichert.

Die geschlossene Kapitulation wurde am 4. Juni von Käthen und Burgern verworfen. Darauf wurden die Thore der Stadt geschlossen und eine große Zahl angesehener Burger der Stadt verhaftet, worunter namentlich auch der gelehrte und hochgeachtete Bibliothekar Gluß-Bloßheim, Jungrath Wirz, Oberfinanzrathsschreiber Staub, die Handelsleute Fröhlicher, Wirz und Lack und viele andere. Man sperrte sie, da die Zahl zu groß war, um in den gewöhnlichen Gefangenschaften untergebracht werden zu können, im Schüßensaal zusammen ein. Viele konnten sich flüchten. Es waren meist gewesene Beamten, Oberamtmänner, Rathsherren, Apellationsrichter, Prokuratoren, darunter namentlich Jungrath Zeltner, Fürsprech Eder und Herr Amiet.

Mit großem Eifer wurde nun gegen die Theilnehmer des Aufstandes vom 2. Juni eine Kriminaluntersuchung geführt. Das Appellationsgericht wurde neu besetzt, und zudem eine besondere Kommission für die Leitung der Untersu= chungen bestellt. Für die Auslieferungen der Flüchtigen wurden große Summen versprochen, so namentlich ein hundert Louisd'or demjenigen, dem es gelingen sollte, den Fürsprech Franz Eder gefangen zu nehmen und auszuliefern.

Obschon äußerlich die Ruhe hergestellt war, so zogen die bernischen Hülfstruppen noch nicht ab; sie bezogen vielmehr die Wachen und handhabten während längerer Zeit die Ordnung.

Der Bundesversammlung waren die Zustände in Solothurn äußerst unangenehm. Anfangs Juni wurde beschlossen zwei Kommissarien dorthin abzuordnen mit dem Auftrage,

Ruhe und Ordnung zu handhaben und den Status quo wieder herzustellen, wie er vor dem 28. Mai bestanden. Es sollte ferner ein eidgenössisches Truppenkorps (drei Kompagnien aus Zürich und drei aus Basel) an die Grenze von Solothurn beordert und unter die Befehle der eidgenössischen Repräsentanten gestellt werden; auch die im Kanton Solothurn selbst befindlichen Truppen sollten die Anordnungen. der Repräsentanten ausführen. Als Kommissarien wurden. gewählt: Wieland von Basel und von Flüe von Unterwalden. Der Gesandte von Waadt äußerte sich bei diesem AnLasse:

„Der Aufstand von Solothurn rühre nicht von nach„barlichen Anstiftungen, sondern von Unangemessenheit der „Verfassung mit dem Volkswillen, von Verhältnissen zwischen „Herren und Unterthanen her. In der Schweiz könnten diese „nicht bestehen, entflammt von Heldensinn könnte das Schwei„zervolk niemals Unterthanenverhältnisse und Sclaverei er"tragen. Waadt sei von Solothurn nicht anerkannt, und „könne deßhalb zu Aufrechthaltung einer feindlichen Regierung nicht stimmen. Der Gesandte nahm die Sache ad „Referendum. Alle übrigen Gesandschaften stimmten den ,,angeführten Beschlüssen bei."*)

Es war nun durch Treubruch, die Hülfe der bernischen Truppen und die eidgenössische Intervention die demokratische Partei vollständig besiegt und äußerlich waltete Grabesruhe. Durch Treubruch war die freisinnige Partei überlistet, weil sie am 2. Juni, obschon damals eher Siegerin als Besiegte, indem das Zeughaus noch immer in

*) Der Geheime Rath von Vern sagte in einem Berichte an die nädigen Herren Räthe und Burger: „Waadt blieb einzig in "einer solch uneidgenössischen Aeußerung."

Der reaktionäre Geist gewann nun in der Bundesversammlung immer mehr die Oberhand.

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