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Obercommando gebeten und mit anerkennenswerther Selbstverläugnung erklärt hatte, er wolle die Königin und ihr Reich nicht mit hineinziehen in das ihn unaufhörlich verfolgende Mißgeschick 20), er= hielt das Festungscommando von Luxemburg.

Franz von Lothringen kam zu spät nach Wien, um an den Vorkehrungen zu dem Zuge Khevenhüllers nach Oberösterreich noch Antheil zu nehmen. Aber lange Zeit litt es den Großherzog nicht in der Hauptstadt, denn obgleich er im Allgemeinen eben keine große Vorliebe für das Kriegshandwerk hegte, so sah er es doch als seine Pflicht an, sich an den Mühseligkeiten und Gefahren der Truppen zu betheiligen. Auch mochte er die Nothwendigkeit fühlen, die Scharte wieder auszugleichen, welche die Ereignisse in Böhmen seinem ohnedieß nicht allzu glänzenden militärischen Rufe geschlagen hatten. Eine günstigere Aussicht hiezu, als sie in Böhmen obwaltete, boten die kriegerischen Unternehmungen des Grafen Khevenhüller. Der Großherzog beschloß also sich zu ihm zu begeben und bei der bevorstehenden Eroberung von Linz gegenwärtig zu sein. Am 21. Jänner 1742 traf er in Khevenhüllers Hauptquartier zu Wilhering ein und übernahm wenigstens dem Namen nach das Obercommando. Dem Feldmarschall aber überbrachte er das Bildniß der Königin und ihres Sohnes, von den nachfolgenden eigenhändigen Zeilen Maria Theresia's begleitet 21):

„Lieber und getreuer Khevenhüller!"

„Hier hast du eine von der ganzen Welt verlassene Königin „vor Augen mit ihrem männlichen Erben; was vermeinst du will ,,aus diesem Kind werden?"

,,Sieh deine gnädigste Frau erbietet sich dir als einem getreuen. „Minister; mit diesem auch ihre ganze Macht, Gewalt und alles „was Unser Reich vermag und enthält. Handle, o Held und getreuer „Vasall, wie du es vor Gott und der Welt zu verantworten dich ,,getrauest. Nimm die Gerechtigkeit als ein Schild; thue was du „recht zu sein glaubst; sei blind in Verurtheilung der Meineidigen; folge deinem in Gott ruhenden Lehrmeister in den unsterblichen Eu

genischen Thaten und sei versichert, daß du und deine Familie zu „jeßigen und zu ewigen Zeiten von Unserer Majestät und allen Nach„kommen alle Gnaden, Gunst und Dank, von der Welt aber einen „Ruhm erlangest. Solches schwören wir dir bei Unserer Majestät.“ „Lebe und streite wohl!"

„Maria Theresia."

Unbeschreiblich war die Wirkung, welche das Geschenk der Königin und die ihm beigefügten Worte hervorbrachten. Bei offener Tafel las Khevenhüller mit lauter Stimme das empfangene Schreiben vor. Gerade durch seine ungekünstelte Fassung stellte es sich als der ungeschminkte Ausdruck der persönlichen Eingebung Maria Theresia's dar. Alle wurden daher durch dasselbe wunderbar ergriffen. Thränen erstickten die Stimme des Feldmarschalls, Thränen rollten über die gebräunten Wangen der rauhen Kriegsleute, welche ihn umgaben. Alle erhoben sich von ihren Sißen und schwuren Gut und Blut zu opfern für ihre angebetete Herrscherin. Sie küßten dem Großherzoge die Hände und baten ihn, der Dolmetsch ihrer Gesinnungen bei seiner Gemahlin zu sein. Die Begeisterung der Officiere theilte sich den Soldaten mit, welchen Khevenhüller das Bildniß der Königin und ihres Sohnes zeigte, sie mit väterlichen Worten zur Treue und Hingebung ermahnend. Graubärtige Krieger weinten, rissen die Schwerter aus der Scheide, küßten sie und warfen dann den Kuß dem Bilde Maria Theresia's zu. Ihr Name war das Feldgeschrei, welches von nun an aus den Reihen der Soldaten unablässig gehört wurde und mit dem sie voll freudigen Jubels in den Kampf zogen 22).

Denn schon Tags zuvor war das Belagerungsgeschüß in Ebelsberg angelangt. Nachdem Maria Theresia neuerdings auf die baldige Eroberung und auf die Gefangennehmung der dortigen Besaßung gedrungen hatte 23), begann am 23. Jänner 1742 die Beschießung der Stadt. Von dem französischen Commandanten Grafen Segur war Linz mit höchst zweckmäßigen Befestigungswerken versehen worden. Rings um die Stadt hatte er breite und tiefe Gräben angelegt, die

Brustwehren durch starke Palissaden geschüßt, Minen gegraben und die Häuser durchbrochen, um der Besaßung gedeckte Verbindungswege zu gewähren. Aber diese Vertheidigungsanstalten erwiesen sich hauptsächlich darum als ungenügend, weil Segur über keine ausreichende Artillerie zu verfügen hatte; er vermochte es daher nicht zu verhindern, daß die Vorstädte durch die Croaten und Panduren in Brand gesteckt wurden. Ein Theil der Palissaden wurde von den Flammen verzehrt und hiedurch die Gefahr für die Besaßung vergrößert, sich die Stadt durch Sturm entrissen zu sehen.

Dieser Umstand und der täglich drückender werdende Mangel an Lebensmitteln, deren Zufuhr der unermüdliche Khevenhüller 24) völlig abgeschnitten hatte, zwangen Segur zu dem Anerbieten, Linz gegen freien Abzug der Besaßung zu übergeben. Franz von Lothringen, welchem darum zu thun war, die Stadt zu schonen und ferneres Blutvergießen zu vermeiden, gestand diesen Abzug unter der Bedingung zu, daß die Franzosen sich über den Rhein, die Baiern aber in die Oberpfalz zurück zu begeben und beide Truppenkörper ein Jahr lang nicht gegen Maria Theresia zu dienen hätten.

Oberst Graf Kuefstein erhielt den Auftrag, die Capitulation von Linz nach Wien zu überbringen. Mit solcher Raschheit entledigte er sich desselben, daß er schon am Morgen des 24. Jänner, alter Gewohnheit nach von blasenden Postillionen begleitet, seinen feierlichen Einzug in die Residenz zu halten vermochte. Freudig erregt schaarte das Volk sich um ihn und strömte bis zur Hofburg ihm nach, die Luft mit Jubelgeschrei, mit Lobpreisungen Khevenhüllers und mit Glückwünschen für die Königin erfüllend 25).

Mit größter Spannung hatte Maria Theresia den Nachrichten von dem Erfolge der Unternehmung gegen Linz entgegengesehen 26). Obgleich nach dem Eintreffen derselben hoch erfreut über die Einnahme der Stadt, war sie doch keineswegs zufrieden mit den Bedingungen der Capitulation. Sie hätte es weit lieber gesehen, wenn die Belagerung von etwas längerer Dauer, dafür aber die Besatzung gezwungen gewesen wäre, sich kriegsgefangen zu ergeben. Das ein

mal Geschehene ließ sich jedoch nicht mehr ändern. An demselben Tage, an welchem Kuef ein in Wien eintraf, hatte der Ausmarsch der Franzosen und Baier. nus Linz stattgefunden. Längs des linken Donauufers sollten sie sich, um jedem Zusammenstoße mit den österreichischen Truppen auszuweichen, nach den Orten ihrer Bestimmung begeben.

An dem gleichen Tage hielt auch der Großherzog seinen Einzug in Linz. Im Namen der Stände wollte ihm der Präsident derselben, Graf Wilhelm Thürheim, seine Ehrfurcht bezeigen und seine Glückwünsche darbringen. Er wurde jedoch nicht vorgelassen und erhielt den Befehl sich aus Linz zu entfernen. Auf seinen Gütern sollte er die weiteren Anordnungen der Königin erwarten. Die Grafen Salburg, Hohenfeld, Füger und Sprinzenstein, den Freiherrn von Weichs, dann mehrere Landesbeamte traf wegen der Dienste, welche sie dem Kurfürsten geleistet hatten, das gleiche Schicksal.

Der Großherzog befolgte mit diesen Maßregeln der Strenge nur den Willen der Königin. Das Wort, welches sie an Khevenhüller geschrieben, er solle blind sein in Verurtheilung der Meineidigen, war ihr in der That aus tiefster Seele geflossen. Die Stärke und Lebhaftigkeit ihrer Gefühle zeigte sich nicht allein im standhaften Festhalten an den Menschen, welche sie ihrer Achtung würdig befunden. hatte. So wie ihre Neigung, so schlug auch ihre Abneigung gar tiefe Wurzeln in ihrem Gemüthe, nnd nur schwer vergab sie dort, wo sie eine heilige Pflicht als verlegt ansah.

Aufgebracht über die Haltung des oberösterreichischen Adels, welchem zur Last gelegt wurde, er habe während der Occupation des Landes durch die fremden Truppen Maria Theresia öffentlich geschmäht und gelästert27), erklärte die Königin ihren Entschluß, an denen, die ihr die Treue gebrochen, eine exemplarische Demonstration vorzunehmen 28). So lautete wenigstens der Ausdruck, mit welchem sie allerdings noch in der ersten Aufregung ihre Absichten kundgab. Einen Augenblick dachte sie daran, die ständische Verfassung, von welcher die dadurch Bevorzugten einen so üblen Gebrauch gemacht, dem Lande ganz zu entziehen. Den Rathschlägen ihrer Minister jedoch,

insbesondere aber Bartensteins folgend, der sich mit lobenswerthem Freimuthe dagegen aussprach 29), ging sie wieder davon ab. Doch sollte darum den schuldig Befundenen die Strafe nicht erspart werden.

Der Hofrath Johann Bernhard von Pelsern wurde nach Linz gesendet, um unter der Oberleitung des Landeshauptmanns Grafen von Weissenwolff die Untersuchung zu führen. Er that dies glücklicher Weise mit Mäßigung und Milde. Von dem in ähnlichen Fällen nicht selten zu Tage tretenden Bestreben, zur Verherrlichung des eigenen Eifers das Vergehen anderer so schwarz als möglich zu schildern, hielt sich Pelsern entfernt. Wo entschuldigende Umstände angeführt werden konnten, gaben sie größtentheils den Ausschlag und hatten die Freisprechung der Angeklagten zur Folge.

Noch im Laufe des Jahres 1742 erlangten Diejenigen, welche sich aus Linz hatten entfernen müssen, mit Ausnahme des Freiherrn von Weichs die Erlaubniß dorthin zurückzukehren. Die Aemter, die sie unter baierischer Herrschaft bekleidet hatten, erhielten sie freilich nicht wieder, denn die Königin stellte den Grundsag auf, daß wer ihrem Feinde gedient, von ihr niemals eine Anstellung zu gewärtigen habe. Nie und unter keiner Bedingung dürfe man hievon, so befahl Maria Theresia, eine Ausnahme in Antrag bringen.

„Es werden," so lauten die eigenhändig niedergeschriebenen Worte der Königin, noch genug andere treue und ehrliche Leute ge„funden werden, diese Dienste zu versehen, und noch gehen viele Schlesier umher, die wegen ihrer Treue nicht das Brod zu essen „haben, worunter schon taugliche Leute, sich finden werden 30).“

Doch kam sie später selbst von dieser strengen Ausschließung wieder zurück. Graf Wilhelm Thürheim, jeßt seiner Stelle entseßt 31), wurde schon nach wenigen Jahren zur Würde eines geheimen Rathes erhoben und im Jahre 1745 zum Präsidenten der oberösterreichischen Commerzien- und Manufacturs-Hofcommission ernannt.

Am strengsten war der Urtheilsspruch, welcher die drei Grafen von Seeau traf; doch war es nicht der Ealzamtmann zu Gmunden,

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