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zulassen. Damals hatte man hierunter nur die bereits in Baiern befindlichen französischen und baierischen Truppen verstanden, von denen man schon aus dem Grunde irgend eine entscheidendere Unternehmung besorgte, weil gerade damals der Oberbefehl über diese Streitkräfte in andere Hände gelegt worden war. Das Com: mando über die Franzosen hatte der Graf von Sachsen, nachmals als französischer Marschall hoch berühmt, das über die Baiern aber der greise Feldmarschall Graf Seckendorff übernommen.

Seckendorff war nun schon der zweite österreichische Feldmarschall, der binnen Jahresfrist seine Fahne verließ, nicht allein um in fremden Dienst zu treten, sondern um geradezu gegen das Haus Desterreich zu kämpfen, welchem er seinen hohen militärischen Rang und zahlreiche Auszeichnungen verdankte. Freilich war er seither von dem Wiener Hofe in Folge seiner unglücklichen Kriegführung gegen die Pforte mit einer gewissen Härte behandelt worden. Doch scheint es nicht gerade das Gefühl erduldeter Mißhandlung und der Wunsch, sich dafür zu rächen, gewesen zu sein, wodurch Seckendorff zu einem so auffallenden, für ihn so unrühmlichen Schritte vermocht wurde. Gegen Maria Theresia und ihren Gemahl konnte er keine Bitterkeit im Herzen tragen, sondern er mußte ihnen vielmehr zu Dank verpflichtet sein, denn sie hatten ja keinen Theil an seiner Verhaftung gehabt, sondern vielmehr seine Freilassung verfügt. Darum gab ihnen auch Seckendorf, so lang eben ihre Sache noch nicht allzu ungünstig stand, Beweise von Anhänglichkeit, wie er denn nicht selten geheime Nachrichten nach Wien gelangen ließ, und im vergangenen Jahre den Anschlag zur Gefangennehmung des Königs von Preußen bei Wartha entworfen hatte. Als jedoch der Stern des Hauses Desterreich immer mehr erblich und man dessen nahen Untergang mit Bestimmtheit vorhersagte, da kettete auch Seckendorff nicht länger sein Schicksal an ein scheiterndes Schiff. Er wandte sich dorthin, woher neue Gunst, neue Ehren und neue Glücksgüter zu erwarten waren.

Nach der Erwählung des Kurfürsten von Baiern zum deutschen Kaiser begab sich Seckendorff nach Frankfurt. Von dort übersandte er der Königin von Ungarn die Verzichtleistung auf seine Stellen und

Würden, und er trat nun mit dem gleichen Range und Titel in des Kaisers Dienst.

Der Doppelstellung entsprechend, welche er während seines ganzen vielbewegten Lebens eingenommen hatte, wurde Seckendorff auch von seinem neuen Gebieter theilweise als Diplomat und theilweise als Kriegsmann verwendet. In Dresden sollte er König August im Bündnisse mit dem Kaiser festhalten, in Berlin aber den König von Preußen bewegen, unter irgend einem Vorwande dem Kaiser nach wie vor Hülfe angedeihen zu lassen. Unverrichteter Dinge aus beiden Städten zurückgekehrt, erhielt Seckendorff den Oberbefehl über die baierischen Truppen, und mit solcher Freude folgte er diesem Rufe, daß er förmlich vor dem Gedanken zitterte, es könne vielleicht noch vor seiner Ankunft im Feldlager durch seinen Vorgänger, den Grafen Törring ein Treffen geliefert und ihm der Ruhm eines erfochtenen Sieges entzogen werden 61).

Es mag sein, daß nur die Erwartung, durch ruhmvolle Thaten den Glanz seines militärischen Namens von den Flecken befreien zu können, welche seine leßten kriegerischen Erlebnisse auf ihn geworfen hatten, Seckendorff zu solcher Kriegslust entflammte. Doch taucht eine Andeutung auf, daß er von dem Wunsche beseelt war, sich mit Khevenhüller zu messen 62), mit dem er noch von der Zeit ihres gemeinsamen Feldzuges in der Türkei her in Feindschaft lebte. Hierauf deutet auch die Aeußerung des Leßteren über seinen neuen Gegner, von welchem er behauptete, nicht wegen seiner militärischen Kenntnisse, wohl aber seiner unablässigen Intriguen halber müsse man vor ihm Besorgnisse hegen 63).

Die neuen Führer der baierischen und der französischen Streitkräfte in Baiern schienen wirklich eine ungleich größere Thätigkeit als ihre Vorgänger entwickeln zu wollen. Der Graf von Sachsen bezog ein vortheilhaftes Lager bei Deggendorf, verließ jedoch dasselbe wieder, um sich gegen Amberg zu ziehen und dort zu Maillebois zu stoßen. Seckendorff aber ging die Donau entlang zurück, und nahm zuerst in Stadt am Hof, dann aber in Kehlheim sein Hauptquartier.

Seckendorff beabsichtigte bei dieser Bewegung ohne Zweifel nicht anderes, als sich einstweilen an der Donau festzuseßen und von da aus, wenn die vorherzusehende Schwächung der österreichischen Streitkräfte eingetreten sein würde, sich wo möglich ganz Baierns wieder zu bemächtigen. Denn alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß der Wiener Hof den größten Theil seiner Heeresmacht gegen Maillebois zu vereinigen bemüht sein werde.

Die Besorgniß vor dem Anmarsche eines neuen französischen Heeres gegen Böhmen hatte in Maria Theresia nochmals den lebhaften Wunsch erregt, Khevenhüller möge noch vor der Vereinigung des Grafen von Sachsen mit Maillebois dem Ersteren eine Niederlage beibringen 64) und hiedurch die beabsichtigte ansehnliche Verstärkung des Lepteren vereiteln. Durch das Gelingen einer solchen Unternehmung würde, schrieb Maria Theresia dem Feldmarschall, die Lage der Dinge völlig verändert, sein Ruhm aber der Nachwelt überliefert werden. „Ich verlasse mich auf Eure Geschicklichkeit,“ fügte sie der an Khevenhüller abgehenden Depesche eigenhändig bei, „indem hieran „Alles liegt und dieß unsere Sachen allein remittiren kann. Ihr „werdet aber doch alle Sorgfalt nehmen, auf daß mit der Gnade „Gottes es glücklich ablaufe. Wenn es möglich zu unternehmen, so wird Er sich bei mir ein neues Verdienst machen 65).“

Während Khevenhüller in Befolgung dieses Befehles die Vorkehrungen zum Angriffe auf das verschanzte Lager bei Deggendorf traf, hatte der Graf von Sachsen dasselbe schon verlassen und seinen Zug gegen Amberg angetreten. Der Feldmarschall erklärte jedoch unumwunden, es nicht zu bedauern, daß ihm der Kampf um das französische Lager erspart worden sei, indem er dasselbe als uneinnehmbar befunden habe. 66).

Nachdem Khevenhüller nicht im Stande gewesen war, den Wünschen Maria Theresia's zufolge dem Grafen von Sachsen beizukommen, trachtete er dem Befehle der Königin wenigstens insofern zu entsprechen, daß er sich anschickte, seinem Gegner zu folgen und sich so wie jener mit Maillebois, auch seinerseits mit dem Großherzoge von Toscana

zu vereinigen. Um sich den Weg nach Böhmen zu eröffnen, sandte er den Oberstlieutenant Freiherrn von Trenck ab, sich der Stadt Cham zu bemächtigen. Auf Trends Aufforderung zur Uebergabe erbat sich der baierische Oberst Graf Künigl Bedenkzeit, indem er erklärte, daß die Besaßung, zur ehemaligen Garnison von Linz gehörig, an den Feindseligkeiten sich nicht betheiligen dürfe. Gerade darum solle sie aber, so wurde von Trend wohl nicht mit Unrecht gefolgert, nicht wider ihn fechten, sondern den Plag räumen.

Während noch die Verhandlungen dauerten, wurde einer der Panduren durch einen Schuß von der Mauer verwundet. Trend verlangte, Künigl aber verweigerte die Auslieferung des Thäters. Nun bemächtigte sich Trenck einer Vorstadt, steckte sie in Brand und erstürmte die Stadt. Die Feuersbrunst erstreckte sich bald von Straße zu Straße; ein Pulverthurm flog in die Luft; aber noch schrecklicher als das entfesselte Element wütheten die Stürmenden gegen die Besatzung und die unglücklichen Bewohner von Cham. Greuel jeder Art wurden verübt 67), viele Menschen muthwillig ermordet, der Rest der Besaßung aber wegen Bruch der Linzer Capitulation gefangen gesezt.

Nachdem durch die Einnahme von Cham jedes Hinderniß eines Marsches nach Böhmen beseitigt war, zögerte Khevenhüller nicht länger, den bestimmten Befehlen der Königin zu gehorchen und mit dem größten Theil seiner Streitkräfte den Weg dorthin einzu= schlagen. Das Commando über die in Baiern zurückbleibenden Truppen, deren Gesammtzahl nicht volle fünftausend Mann betrug, übergab er dem Feldmarschall-Lieutenant von Bernklau. Er sehe jedoch voraus, schrieb Khevenhüller der Knigin, daß sich Bernklau der fast dreifach stärkeren Streitmacht Seckendorffs gegenüber nicht werde halten können. Auch das Landvolk, ourch die erduldeten Bedrückungen aufgebracht und dem Landesherrn treu ergeben, werde gegen die Desterreicher aufstehen. Nicht nur die gemachten Eroberungen, sondern auch die aufgespeicherten Magazine müßten verloren gehen und München selbst vor dem heranziehenden Feinde geräumt werden 68).

Maria Theresia begriff wohl, daß Khevenhüller nicht Unrecht habe und Baierns Verlust um jeden Preis zu vermeiden sei. Sie hatte ihm den Befehl zum Marsche nach Böhmen auch nur in der Voraussetzung ertheilt, daß seine beiden Gegner, der Graf von Sachsen und Seckendorff sich mit Maillebois vereinigen würden. Da nun der Leştere an der Donau zurückblieb, so sprach Maria The: resia die Erwartung aus, Khevenhüller werde ein ausreichendes Armeecorps dort zurückgelassen haben, um Baiern nicht zu verlieren 69). Und als sie aus Khevenhüllers Berichten erfuhr, daß dem keineswegs so sei, da schrieb sie ihm allsogleich wieder, und drang auf die Entsendung einiger Cavallerieregimenter zu Bernklau. „Denn an Baiern," fügte sie neuerdings eigenhändig hinzu, „liegt mir Alles. Ich verlasse mich auf Ihn und bin sehr froh, daß Er bei dem „Herzog und demselben bei seinen guten Rathschlägen an die Hand „gehen kann. Gott gebe seinen Segen 70).“

Es ist klar, daß Maria Theresia gleichzeitig zwei Absichten zu verwirklichen suchte. Einerseits wollte sie den Großherzog an= sehnlich verstärken, um ihn in den Stand zu seßen, Maillebois zu besiegen. Andererseits konnte sie sich doch auch wieder nicht entschließen, Baiern fahren zu lassen. Hiebei bedachte sie jedoch zu wenig, daß zur Erreichung beider Zwecke die Streitmacht nicht ge= nüge, welche unter Khevenhüllers Befehlen stand. So erschien wenigstens die Sache dem Großherzog und seinen Generalen; ja so erschien sie nun sogar Khevenhüller selbst. Nachdem er am 27. September unfern von Hayd, auf böhmischem Gebiete seine Vereinigung mit dem Großherzoge bewerkstelligt hatte, war er selbst der Erste zu erklären, daß nun das Geschehene, so sehr er es auch bedauere und so lebhaft er sich immer dagegen ausgesprochen habe, nicht mehr geändert werden könne. Die nächste Aufgabe bestehe in der Besiegung des gleichfalls vereinigten französischen Heeres, welches jezt schon zu Mähring, hart an der böhmischen Grenze stand. Um diesen Zweck zu erreichen, dürfe sich der Großherzog durchaus nicht schwächen. Könne man nicht durch Nachsendung von Truppen aus Desterreich Bernklau in den Stand sehen, sich in Baiern zu behaupten, so bleibe eben für den Augenblick nichts übrig, als sich in den Verlust dieses Landes zu fügen 71).

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