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Nachdem der Großherzog von Toscana am 17. Oktober Lobkowig gegen Prag entfendet hatte, wandte er selbst in langsamen Märschen sich südwärts, der Donau zu. Durch den wiederholt ausgesprochenen Willen Maria Theresia's, zwar Böhmen wieder zu gewinnen, aber darüber doch nicht Baiern zu verlieren, und durch ihren offen kundgegebenen Unmuth über die allzu große Schwächung der österreichischen Truppen in diesem Lande, über die dadurch herbeigeführte Räumung Münchens und den Rückzug Bernklau's bis hinter den Inn wurde der Großherzog zu diesem Entschlusse vermocht. Doch durfte derselbe nur mit Behutsamkeit ausgeführt werden, indem man es sorgfältig vermeiden mußte, Maillebois aus den Augen zu verlieren und ihm die Rückkehr nach Böhmen möglich zu machen. In fast paralleler Richtung näherten sich die beiden Heere, das österreichische und das französische der Donau. An demselben Tage, am 6. November trafen sie, das erstere zu Oberaltaich, etwas ostwärts von Straubing, und das leßtere zu Stadt am Hof, Regensburg gegenüber, ein.

Nachdem er sich Deggendorfs bemächtigt hatte, ging der Großherzog am 12. November bei Niederaltaich über die Donau und bezog bei Osterhofen ein Lager. Von dort kehrte er nach Wien zurück; seinem Bruder Karl übertrug er den Oberbefehl und die Sorge, das Heer in die Winterquartiere zu verlegen. Die Bewegungen der Franzosen, deren Commando Broglie jezt übernahm, ließen auf ihre Absicht schließen, den Feldzug noch nicht zu beendigen, sondern sich Passau's zu bemächtigen. Dieß zu verhindern, vereinigte sich Prinz Karl am 21. November zu Schärding mit Bernklau. Er trachtete nun zur Sicherung seiner Quartiere Braunau und die übrigen noch vom Feinde beseßten Punkte am Inn wieder in seine Gewalt zu bekommen. Vergebens wandte sich Seckendorff, der bei Burghausen stand, an Broglie um Hülfe. Unter allerlei Vorwänden verweigerte sie der Marschall; endlich aber, nachdem am 4. Dezember die Beschießung von Braunau begonnen hatte, zog er zum Entsaße herbei. Die Belagerung wurde aufgehoben und Prinz Karl ging bis Ried zurück.

Nun endlich bezogen die beiderseitigen Heere die Winterquartiere. Zwar hatte keines derselben seine Absicht erreicht, indem die Franzosen sich nicht Passau's, die Oesterreicher sich nicht Braunau's zu bemächtigen vermochten. Aber die gänzliche Erschöpfung der Truppen und der Wunsch, sie nicht durch allzuweit getriebene Anstrengung völlig zu Grunde zu richten, sondern ihre Kräfte für den künftigen Feldzug zu schonen, machte den Feindseligkeiten ein Ende 87). Um Passau und Schärding, einerseits bis nach Böhmen, andererseits bis tief nach Oberösterreich hinein lagerten die Desterreicher, über welche nach der Abreise des Prinzen Karl und Königseggs nun Khevenhüller den Oberbefehl übernahm. Das französische Hauptquartier befand sich zu Dingelfingen, später in Straubing. Die Baiern lagen um Braunau in den Quartieren, und die Waffen ruhten in Deutschland fast gänzlich, als das Jahr 1743 anbrach.

Lebhafter als an der Donau wurde um jene Zeit am Po für und wider gestritten.

Fünftes Capitel.

Höchst beträchtlich war der Umfang der Länder, welche in Folge des spanischen Successionskrieges und der Friedensschlüsse von Utrecht und Rastadt dem Hause Oesterreich in Italien zufielen. Das reiche Mailand mit seinem ausgedehnten, fruchtbaren Gebiete, das für uneinnehmbar geltende Mantua, die festen Pläße an der toscanischen Küste, das sonnige Neapel endlich gehorchten wie früher dem spanischen Zweige der Habsburger, von nun an dem deutschen Stamme dieses Herrscherhauses. Di Insel Sardinien, welche gleichfalls dem Kaiser zu Theil wurde, ihm jedoch wegen ihrer ge= ringen Fruchtbarkeit und ihrer Entfernung von seinen übrigen Staaten eher zur Last als zum Nußen war, konnte er nach einem Jahrzehnt gegen das in jeder Beziehung weit vorzuziehende Sicilien vertauschen. So besaß Karl VI. den größten und einträglichsten Theil von Italien; das Haus Desterreich war dort wie in Deutschland unbestritten die erste Macht.

Die Art und Weise, in welcher der Kaiser seine italienischen Länder regierte, soll hier keineswegs als tadellos hingestellt werden. Karls blinde Vorliebe für die Spanier und zwar nicht nur für diejenigen, welche ihm in wahrer Hingebung aus Catalonien gefolgt waren, sondern auch für die große Anzahl derer, die in späteren Jahren unter allerlei Vorwänden und unter der steten Behauptung treuefter Anhänglichkeit an das Haus Habsburg und grausamer Verfolgung von Seite der Bourbonen nach seinen Staaten kamen, um dort ihr

Glück zu machen, verleitete ihn zu gar argen Mißgriffen. Durch ihn wurden die österreichischen Länder in Italien gewissermaßen zu einer Domäne für die Spanier. Denn die größte Zahl der Aemter im Lande selbst und derjenigen am Wiener Hofe, welche mit der Verwaltung der italienischen Staaten des Kaisers in Verbindung standen, befand sich in ihren Händen. Es konnte nicht fehlen, daß darüber aus Italien laute Klagen erschollen, und daß sie auch am Hose sich in drängender Weise vernehmbar machten. Doch wurde Karl hiedurch keineswegs auf andere Gedanken gebracht, denn er überredete sich selbst, daß seine Handlungsweise, welche streng ge= nommen nur eine Folge seiner tief eingewurzelten Vorliebe für die Spanier war, eine Pflicht der Dankbarkeit sei, die er in feiner Weise verlegen dürfe.

Troß der unläugbaren Uebelstände, welche die consequente Befolgung dieses Grundsaßes für Italien mit sich brachte, gewann sich doch die österreichische Regierung die Sympathien der Bevölkerung jener Länder in seltenem Maße. Mehr noch als in der Zeit der Ruhe und des Friedens zeigte sich diese Neigung in dem Augenblicke, in welchem die Herrschaft des Hauses Desterreich in Italien ernstlich bedroht schien. Ein Zeuge, ebenso glaubwürdig wegen seiner Unparteilichkeit als seiner genauen Kenntniß der Ereignisse und der hiebei in Betracht zu ziehenden Verhältnisse, der venetianische Botschafter Foscarini liefert hiefür die unumstößlichsten Beweise. Seit zwei Jahrhunderten bietet die Geschichte Italiens kein ähn= ,,liches Beispiel der Beständigkeit von Seite der Italiener,“ schreibt der Venetianer im Jahre 1736 an die Signorie. ,,Denn so oft ,,auch die Lombardie angegriffen oder eine Unternehmung gegen das „Königreich Neapel ins Werk gesezt wurde, immer sah man einen ,,Theil der Bewohner jener Länder, sei es aus Unzufriedenheit mit „der bisherigen Regierung oder aus Ueberdruß an ihr, den Angreifer „begünstigen. Aber in diesem leßten Falle zeigten alle jene Volkssiämme ,,mit einziger Ausnahme der Palermitaner (und auch diese thaten „nicht mehr, als daß sie für den Wechsel in der Regierung Sympa„thien an den Tag legten) Abneigung dagegen, und sie trugen, so viel „als immer an ihnen lag, zur Aufrechthaltung des bisherigen

„Zustandes bei. Und als die französischen und savoyischen Heere „plöglich über die mailändische Grenze hereinbrachen, die ganze „Stadt erfüllt war von Schrecken und Verwirrung, und ihre Be= „wohner ihre wirklichen Gefühle gar leicht unter dem Vorwande „der gegenwärtigen Bedrängniß hätten verbergen können, da war „demungeachtet der Palast des Statthalters angefüllt von Adeligen, ,,welche Gut und Blut anboten für den öffentlichen Dienst. Als „endlich ihr Vaterland verloren war, da fand sich keiner von allen „denen, welche im kaiserlichen Heere dienten, der in der Sorge um „die Wiedererlangung seiner mit Beschlag belegten Einkünfte aus „diesem Dienste getreten wäre. Ein seltenes und denkwürdiges „Beispiel aber gaben die neapolitanischen Großen, welche dem Vice„könige noch in dem Augenblicke, als er sich flüchtete und die Feinde. „im Begriffe standen, sich der jedes Widerstandes unfähigen Stadt „zu bemächtigen, höchst beträchtliche Geldsummen darbrachten.“ 1).

Troz all ihrer Lebhaftigkeit vermochte jedoch diese Anhänglichkeit den Kaiser nicht im Besiße seiner italienischen Länder zu erhalten. In Folge seiner unglücklichen Kriegführung gingen Neapel und Sicilien an den Infanten Don Carlos, höchst werthvolle Gebietstheile des Herzogthums Mailand an das Haus Savoyen ververloren. Ein freilich nur sehr unvollkommener Ersaß hiefür wurde durch Parma und Piacenza geboten, welche Herzogthümer mit denen von Mailand und Mantua im Augenblicke des Todes des Kaisers den einzigen Besiz des Hauses Desterreich in Italien ausmachten. In gewissem Sinne kann hiezu auch Toscana gerechnet werden, das bekannter Maßen dem Gemahl Maria Theresia's, Franz von Lothringen, für die Verzichtleistung auf seine Erblande zu Gunsten Frankreichs aufgezwungen worden war.

Noch unter Kaiser Karl VI. hatte die gewaltige Schmälerung seiner italienischen Länder auch eine Umgestaltung ihrer obersten Verwaltungsbehörde zur Folge gehabt. Der spanische Rath, welchem ursprünglich die Leitung aller ehemals zu Spanien gehörigen Besißungen des Hauses Oesterreich, dann aber wenigstens diejenige seiner italienischen Länder zustand, wurde aufgelöst, und sowie schon früher

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