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Montemars Annäherung gegen Oberitalien vermochte den König von Sardinien und den Grafen Traun zu raschem Handeln. Sechs und zwanzig Bataillone und achtzehn Schwadronen fandte der Erstere gegen Piacenza, wohin er selbst in der zweiten Hälfte des Monates März 1742 ihnen nachfolgte. Den Rest seiner Truppen ließ er einstweilen in seinem Lande zurück, um ihn im Laufe der Ereignisse dort zu verwenden, wo das Bedürfniß es erheischen würde. Graf Traun rückte mit ungefähr zwölftausend Mann in der Richtung gegen Modena der lombardischen Grenze zu.

Wer einen auch nur flüchtigen Blick auf die Stellungen wirft, welche die beiderseitigen Heere einnahmen, wird leicht begreifen, daß es für sie von höchster Wichtigkeit war, welcher Partei der Beherrscher des mitten inne liegenden Herzogthums Modena sich zuwenden werde. Schon den ganzen Winter hindurch hatte Karl Emanuel mit Franz von Este unterhandelt, und so lebhaft waren dessen stete Betheuerungen seiner Anhänglichkeit an Desterreich ") und an Sardinien, daß der Turiner Hof zu wiederholten Malen in Wien sich verbürgte, man dürfe auf den Herzog von Modena mit Bestimmtheit zählen. Die Landung der Spanier in Italien, die Reihe von Unglücksfällen, welche Maria Theresia erlitt, und die es dem Her= 30ge nicht räthlich erscheinen ließen, sein Schicksal an den immer tiefer sinkenden Stern des Hauses Desterreich zu ketten, das Versprechen der spanischen Regierung endlich, ihm Guastalla zu Theil werden zu lassen, brachte jedoch eine völlige Umstimmung des Herzogs von Modena hervor. Zwar wagte er es noch nicht, offen für Spanien Partei zu ergreifen, sondern er versuchte es nur, dem Könige von Sardinien und dem Feldmarschall Traun gegenüber für fein Herzogthum die Neutralität zu erlangen. Er hoffte dadurch bis zu dem Eintreffen des spanischen Heeres Zeit zu gewinnen und dann erst unter dem Schuße desselben die Maske abwerfen zu können.

Seine Minister Graf Giucciardi und der Jesuit Pater Ratto eilten in das piemontesische Lager, den König zu solchem Zugeständnisse zu vermögen. Karl Emanuel, mißtrauisch gemacht durch die bisherige Haltung des Herzogs, zögerte gleichwohl, zu einem ent

scheidenden Entschlusse zu schreiten. Denn er wollte den Krieg gegen Spanien nicht mit dem Angriffe auf einen italienischen Fürsten eröffnen. Aber bald erhielt er von Wien aus die Beweise der Unterhandlungen des Herzogs von Modena mit der spanischen Regierung), und in den ersten Tagen des Monates Mai auch den Wortlaut des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages. Dennoch willigte er in die von dem Herzoge verlangte Unterredung mit dem Marquis d'Ormea **).

Am 6. Mai fand dieselbe in Sassuolo statt. Der Herzog versicherte, Spanien gegenüber keine Verpflichtung eingegangen zu sein. Er wollte neutral bleiben, und wenn dieß unmöglich sein sollte, mit dem Könige von Sardinien in ein Bündniß treten. Denn er sehe denselben als den Vorkämpfer der Interessen der italienischen Fürsten an.

Es wird erzählt, Ormea habe sich das Ansehen gegeben, den Worten des Herzogs vollen Glauben zu schenken. Nachdem jedoch derselbe geendigt, nannte ihm Ormea den Tag des Abschlusses des Vertrages mit Spanien und wies ihm eine Abschrift desselben vor. Sprachlos vor Erstaunen und Schrecken fand der Herzog nur mühselig Worte zu der Betheuerung, daß der Vertrag gegen seinen Willen abgeschlossen worden sei und er denselben nicht ratificiren werde. Das Gespräch endigte damit, daß Ormea erklärte, den Versicherungen des Herzogs werde geglaubt werden, wenn er dem Vertrage mit Spanien offen entsage und ein Bündniß mit Sardinien abschließe. Reggio wurde beseßt und dem Herzoge eine Frist von zehn Tagen eingeräumt, um zu einem bestimmten Entschlusse zu gelangen *7).

Der Herzog von Modena hatte sich jedoch schon allzutief mit Spanien eingelassen, als daß für ihn ein Rücktritt jezt noch mög lich gewesen wäre. Höchst beträchtliche Geldsummen waren ihm von Madrid übersendet worden, mit deren Hülfe er seine Truppen vermehrt und in kampffähigen Zustand versezt hatte. Außerdem war ihm in dem mit Spanien abgeschlossenen Vertrage der Oberbefehl über die spanischen Truppen für den Fall zugesichert worden, weun

sein Land zum Kriegsschauplage werden und der Infant Don Philipp beim Heere nicht anwesend sein würde. Beide Bedingungen waren nun eingetreten; Herzog Franz begab sich daher nach Samogia, zwischen Bologna und Modena, wo der Herzog von Montemar bereits eingerückt war. Mit Hülfe des spanischen Heeres hoffte er die Desterreicher und Sardinier binnen kurzem wieder aus seinem Lande zu vertreiben.

Die Berechnungen des Herzogs von Modena sollten jedoch bitter getäuscht werden. Weit davon entfernt, sich ihm unterzuordnen, weigerte sich vielmehr Montemar, auf die Gegner loszugehen, welche sich inzwischen vereinigt und bei Colegara eine feste Stellung bezogen hatten. In tiefster Verstimmung verließ der Herzog das Heer und zog sich nach Venedig zurück. Karl Emanuel aber und Graf Traun bemächtigten sich der Stadt Modena, ohne Widerstand zu finden. Um so tapferer war die Gegenwehr der dortigen Citadelle. Erst nach zwanzigtägiger Belagerung, am 28. Juni 1742 ergab sich die Besaßung als kriegsgefangen.

Mehr noch als um das Bündniß mit dem Herzoge von Modena war es Maria Theresia und dem Könige Karl Emanuel um dasjenige mit Venedig zu thun. Wenn gleich schon sichtlich dem Verfalle zueilend, wäre die Republik doch als die Besitzerin eines so großen Theiles von Oberitalien ein höchst erwünschter Alliirter gewesen. Darum erneuerten beide Mächte ihre Vorstellungen, um Venedigs Mitwirkung gegen die Begründung einer neuen spanischen Dynastie in Italien zu erlangen. Sie boten sich an, ihr bloß provisorisches Bündniß zu einem immerwährenden umzugestalten, wenn Venedig demselben beitreten würde.

Wie Karl Emannel durch persönliche Einwirkung auf den bei ihm beglaubigten Botschafter Foscarini, so suchte Maria Theresia durch mehrmals wiederholte Besprechungen mit Capello ihrem Begehren bei der Republik Eingang zu verschaffen. Der venetianische Senat blieb jedoch unerschütterlich bei seinem früheren Vorsaße, strenge Neutralität zu bewahren. Wie er den Verlockungen Spaniens, das

ihm Mantua versprach, widerstanden hatte, so ließ er sich auch jezt für das Verlangen Desterreichs und Sardiniens nicht willfährig finden. In versöhnlichster, aber darum nicht weniger bestimmter Art ertheilte er eine ablehnende Antwort.

Nach dem Falle der Citadelle von Modena hatten die Verbündeten Mirandola eingenommen. Sie wandten sich nun gegen das spanische Heer, das inzwischen bei Bondeno, unweit des Po Stellung genommen hatte. Der Herzog von Montemar erwartete jedoch seine Gegner nicht, sondern er trat den Rückzug gegen Ravenna an. Jedoch auch hier so wie in Rimini hielt er sich nicht für sicher. Mit einer ganz unbegreiflichen Muthlosigkeit wich er immer weiter zurück, bis er endlich in Foligno Halt machte.

Die üble Lage in welche der Herzog von Montemar durch seine eigene jämmerliche Kriegführung sich verseßte, wurde durch die um jene Zeit erfolgende Lostrennung der Neapolitaner von seinem Heere noch vermehrt. Durch den englischen Admiral Mathews, welcher eine Anzahl von Kriegsschiffen unter dem Commodore Martin gegen Neapel entfendete und die Stadt mit einem Bombardement bedrohte, wurde König Karl III. zu der von England be gehrten Neutralität gezwungen. Er rief seine Truppen in sein Land zurück. Freilich wurde diese Einbuße dem Herzoge von Montemar dadurch weniger fühlbar gemacht, daß er sich auch des Herzogs von Castropignano entledigt sah. Er hatte mit ihm stets in so weitgehendem Zwiespalte gelebt, daß hierin Viele die eigentliche Ursache der Erfolglosigkeit der Unternehmungen Montemars erblickten.

Einen erfreulichen Gegensaß hiezu bildete das günstige Einvernehmen, welches zwischen den Desterreichern und den Sardiniern bestand. Nicht nur zwischen den beiderseitigen Truppen herrschte die befriedigendste Stimmung, sondern auch die Oberbefehlshaber, König Karl Emanuel und Graf Traun, behandelten einander mit Vertrauen und waren sorgfältig bemüht, jeden Anlaß zur Zwietracht im Keime zu ersticken**). Nur darin stimmten sie nicht überein, daß Traun im Auftrage Maria Theresia's "") fortwährend zu entscheidenden Ent

schlüssen, zu einem Angriffe auf den Gegner drang, während Karl Emanuel unter allerlei Vorwänden sich hiezu nicht herbeilaffen wollte. In langsamen, oft unterbrochenen Märschen folgte er dem spanischen Heere bis Cesena; hier aber erhielt der König eine Nachricht, welche ihn bewog, von dem bisherigen Plane abzugehen und an die Rücktehr nach seinen Staaten zu denken 50).

Mit immer steigendem Ingrimme hat die Königin Elisabeth von Spanien die Nachrichten von den Ereignissen in Italien vernommen. Ihr Zorn richtete sich vornehmlich gegen den König von Sardinien, dessen Parteinahme für Maria Theresia sie das Schei= tern ihrer kühnen Entwürfe hauptsächlich zuschrieb. Darum sollte die Unternehmung gegen die Staaten Karl Emanuels, zu deren Verwirklichung ein spanisches Armeecorps längst den Landweg durch Südfrankreich eingeschlagen hatte, endlich mit verdoppelter Anstrengung durchgeführt werden. Zu Antibes übernahm der Infant Don Philipp persönlich den Oberbefehl. Nachdem er Anfangs Miene gemacht hatte, über Nizza in Piemont einzudringen, wandte er sich gegen Savoyen. Binnen kurzem war fast das ganze wehrlose Land in seinen Händen.

Die Gefahr seiner Erbstaaten trug natürlicher Weise nicht wenig dazu bei, den König von Sardinien, welcher längst schon keine Lust mehr bezeigt hatte, noch weiter nach dem südlichen Jtalien vorzudringen, in diesem Vorsaße zu bestärken. Er zögerte keinen Augenblick, nicht allein einen Theil seiner Truppen nach Piemont zurückzusenden, sondern selbst die Rückkehr dorthin anzutreten. Graf Traun aber hielt es nicht für rathsam, mit seiner verhältnißmäßig geringen Streitmacht allein sich den Spaniern gegenüber zu stellen. Es blieb ihm daher nichts übrig, als dem Rückzuge der Sardinier sich anzuschließen "). Am 19. August verließen dieselben Cesena; drei Tage später folgte ihnen Traun mit dem österreichischen Fußvolke und der Artillerie; seine Reiterei ging am 23. August von Cesena gegen Forli und Faenza zurück.

Es läßt sich nicht läugnen, daß der Erfolg der Kriegführung in Italien bisher für Maria Theresia ein glücklicher war. Ohne be

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