Page images
PDF
EPUB

trächtliche Opfer hatte man vermocht, die Gefahr von ihren dortigen Ländern abzuwenden, das Herzogthum Modena zu erobern, das feindliche Heer aber zu einem Rückzuge zu zwingen, auf welchem es durch Krankheiten und Desertion nahezu die Hälfte seiner Leute verlor. Maria Theresia's unternehmendem Geiste genügten jedoch diese Ergebnisse nicht. Stets bereit, von jedem günstigen Anlasse Nußen zu ziehen, und zu solchem Ende auch vor einem Wagnisse nicht zurückschreckend, hatte das Vordringen ihrer Truppen gegen Unteritalien den Gedanken einer Wiedereroberung der Königreiche Neapel und Sicilien in ihr erweckt. In dem Ersteren stand noch die Herrschaft des Hauses Desterreich in frischer, und wie wenigstens Maria Theresia gegenüber behauptet wurde, in bester Erinnerung. Neapolitanische Staatsangehörige, welche nach Wien gekommen waren, wußten viel von den lebhaften Sympathien der Bevölkerung für Desterreich zu erzählen. Einer aus ihnen, der niedersten Volksklasse angehörig, ein zweiter Masaniello, wie der venetianische Botschafter Capello ihn bezeichnend nennt 2), hatte mehrmals die weite Reise zurückgelegt, um Verbindungen zwischen der österreichischen Partei in Neapel und dem Wiener Hofe anzuknüpfen und zu befestigen, die beiderseitigen Unternehmungen zu verabreden. Er wurde mit namhaften Summen unterstüßt, ja von Maria Theresia selbst eines längeren Gespräches gewürdigt "). Seine Versicherung, es bedürfe nur des Erscheinens österreichischer Truppen im Königreiche Neapel, um die Bevölkerung zum Aufstande gegen den jezigen König zu vermögen, fand bei Maria Theresia 'gar willigen Glauben. Karl III. hatte ja durch seinen Kriegszug gegen die österreichischen Länder in Italien den Vertrag zerrissen, kraft dessen ihm von Kaiser Karl VI. Neapel und Sicilien abgetreten worden waren. Die alten Rechte des Hauses Habsburg auf jene Länder schienen wieder ins Leben gerufen, und Maria Theresia war ganz dazu angethan, deren Verwirklichung wenigstens zu versuchen.

So wie Neapel für sich selbst und ihr Haus, so dachte sie Sicilien für den König Karl Emanuel zu gewinnen. Wie in Neapel die österreichische Herrschaft, so stand in Sicilien diejenige des Hauses Savoyen in guter Erinnerung, und derselbe Graf Traun, welcher

jezt an der Seite des Königs kämpfte, hatte oftmals die heilsamen Einrichtungen gepriesen, welche dessen Vater Victor Amadeus während der Dauer seiner kurzen Regierung auf Sicilien getroffen hatte"). Es ließ sich also erwarten, daß die Wiederkehr dieser Herrschaft auf der Insel mit Freude begrüßt werden würde. Jedoch nicht darum war es Maria Theresia bei ihrem Plane zunächst zu thun, sondern sie wollte die Ansprüch. Sardiniens auf Vergrö ßerung dadurch befriedigen, daß demselben Sicilien zu Theil werde. Dadurch würde sie der Nothwendigkeit ergehen, zu solchem Ende auf ihre eigenen Kosten, durch Abtretung lombardischer Gebietstheile Opfer zu bringen **).

Die Vertreibung der Bourbonen aus ganz Italien war daher von nun an das Ziel, welches Maria Theresia mit der ihr eigenthümlichen Energie verfolgte. Bei der Schwäche ihrer dortigen Streitkräfte hätte sie es jedoch nicht wagen dürfen, mit ihnen allein an die Verwirklichung dieser Entwürfe zu schreiten. Sie bedurfte hiezu nothwendiger Weise fremder Beihülfe, und zwar ebensowohl der englischen Seemacht als der sardinischen Streitkräfte zu Lande. Sich der ersteren zu versichern, wurden nicht nur lebhafte Verhandlungen mit der britischen Regierung gepflogen, sondern ein vielerfahrener Officier, der Feldmarschall-Lieutenant von Vettes nach Genua geschickt, um sich an Bord der englischen Flotte zu begeben und den Befehlshaber derselben zu einer Unternehmung gegen Neapel zu vermögen.

Ladislaus Kökenyesdi von Vettes, damals schon hoch betagt, ist eine zu eigenthümliche Persönlichkeit, als daß ihrer nicht wenigstens mit einigen Worten gedacht werden sollte. Nachdem er einen Theil seiner Jugendzeit als Hauptmann im kaiserlichen InfanterieRegimente Bagosy zugebracht, kehrte er im Jahre 1704 nach Ungarn zurück“) und wurde in den Strudel des Aufstandes gezogen, welcher unter Rakoczy's Führung über das Land sich verbreitete. Von Rakoczy dem Kurfürsten Marimilian Emanuel von Baiern empfohlen, trat er als Oberstlieutenant und Commandant eines Husaren-Regimentes in dessen Dienste. Ohne denselben zu verlassen, bekleidete Bettes vom Jahre 1705 angefangen die Stelle eines Agenten Ra

koczy's bei der französischen Regierung. Im Jahre 1707 eilte er nach Ungarn und von da nach Warschau, um dort im Vereine mit russischen Agenten für Rakoczy's Erwählung zum Könige von Polen thätig zu sein. Neuerdings nach Frankreich zurückgekehrt und dort nach wie vor die Angelegenheiten Rakoczy's mit unermüdlichem Eifer vertretend, begab sich Vettes im Jahre 1710 nochmals nach Ungarn und von da nach Rußland, um dem ungarischen Aufstande die werkthätige Unterstüßung des Czars Peter I. zu erwirken.

Im Sommer 1711 ist Vettes wieder in Paris zurück und arbeitet mit der früheren Rastlosigkeit im Interesse Rakoczy's. Der Szathmarer Friedensschluß und Rakoczy's Vertreibung aus Ungarn brachten hierin jedoch eine gewaltige Aenderung hervor. War es ein ungerechtfertigter Verdacht, oder was wahrscheinlicher ist, die nicht unbegründete Vermuthung, auch Vettes suche jezt seinen Frieden mit der österreichischen Regierung zu machen, gewiß ist nur, daß Rakoczy im Anfange des Jahres 1712 plöglich den König von Frankreich bat, Vettes verhaften und in die Bastille bringen zu lassen"). Die Beschuldigungen, Vettes enthalte dem Fürsten seine Diamanten vor, er wolle über zweimalhunderttausend Livres erhobener Subsidiengelder nicht Rechnung legen, er sei ihm treulos geworden und müsse außer Stand gesezt werden, Rakoczy zu schaden, dienten zur Begründung dieses Verlangens. Ludwig XIV. unterließ es, demselben Folge zu geben; Vettes aber mag darin einen ausreichenden Beweggrund gefunden haben, sich von Rakoczy völlig Loszusagen.

Gemeinschaftlich mit einem andern noch weit berüchtigteren Abenteurer, jenem Klement, welcher später in Preußen ein so gräßliches Ende fand, suchte sich Vettes dem Prinzen Eugen zu nähern, als derselbe im Beginne des Jahres 1714 zu Rastatt über den Frieden mit Frankreich unterhandelte. Durch die Auslieferung wichtiger Schriften wußten sie sich die Verzeihung zu erkaufen; während jedoch Klement bald wieder dem früheren abenteuerlichen Treiben sich zuwandte, verstand es Vettes, durch die günstige Meinung, welche er von seiner Brauchbarkeit erweckte, eine angesehene Stellung im öfterreichischen Kriegsdienste zu erlangen. Freilich war die Art seiner

Verwendung keineswegs eine sehr ehrenhafte Er wurde zumeist als Aufpasser gebraucht, um den Umtrieben Rakoczy's und seiner Meinungsgenossen gegen das Kaiserhaus nachzuspüren.

Seine früheren Verbindungen mögen Vettes hiebei wohl zu Statten gekommen sein, und er scheint treffliche Dienste geleistet zu haben. Wenigstens deutet seine Belohnung hierauf, indem er bis zum Range eines Feldmarschall-Lieutenants emporstieg und im Jahre 1734 ein neu errichtetes ungarisches Infanterie-Regiment erhielt "").

Dieß war der Mann, dessen man jeßt sich bediente, um darauf hinzuwirken, daß die englische Flotte im Mittelmeere in einer Weise verwendet werde, welche den Operationen des Landheeres zur Unterstüßung und Förderung gereiche. Dadurch sollte sie die Versicherung des Staatssecretärs Lord Carteret wahr machen, Maria Theresia zur Eroberung Neapels und Siciliens nach Kräften behülflich zu sein *). Daß im Gegensaße hiezu Admiral Mathews sich darauf beschränkte, durch jene Expedition des Commodore Martin vor Neapel vom Könige Karl III. die Neutralitätserklärung und die Zurückberufung seiner Truppen aus dem Kirchenstaate zu verlangen 6o), ge= nügte Maria Theresia durchaus nicht und wurde ein Gegenstand bitterer Beschwerde bei der englischen Regierung 1). Ganz unzufrieden war sie mit der Antwort, welche der König von Sardinien auf ihren Vorschlag zu einem gemeinsamen Kriegszuge gegen Neapel dem Feldmarschall Grafen Traun und dem neuen Gesandten der Königin, Grafen Wenzel Kaunig ertheilte.

In dem Augenblicke der Thronbesteigung Maria Theresia's hatte Kauniß noch nicht das dreißigste Lebensjahr erreicht. Unter einer großen Zahl von Geschwistern der jüngste Sohn, war er von seinem Vater frühzeitig für die geistliche Laufbahn bestimmt worden. In Folge des Mißbrauches, der damals mit den kirchlichen Pfründen zu Gunsten der Sprößlinge vornehmer Geschlechter getrieben wurde, besaß der junge Kauniß schon in seinem dreizehnten Lebensjahre eine Domherrnstelle. Durch den Tod älterer Brüder wurde jedoch wieder

Arneth, Maria Theresia Bd. II.

12

eine Aenderung in der ursprünglichen Bestimmung des Grafen Kaunig herbeigeführt, und er widmete sich von nun an dem Staatsdienste. Maria Theresia erwies ihm die Auszeichnung, ihn mit der Nachricht der Geburt ihres Sohnes Joseph an Papst Benedikt XIV. und König Karl Emanuel abzusenden. Die Art seines Auftretens an den italienischen Höfen und seine Berichterstattung von dort ließen ihn als den rechten Mann erscheinen, um Desterreich künftighin in Turin zu vertreten. Die Persönlichkeit des Königs und seines ersten Ministers forderte dort eine nicht gewöhnliche geistige Begabung und Ge= wandtheit als unerläßliche Eigenschaft des Repräsentanten einer fremden Macht. Kaunis wurde daher von der Königin zum Nachfolger des Grafen Schulenburg am Turiner Hofe bestimmt.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die Behauptung Capello's als unbestreitbar richtig anzusehen sei, Kauniß habe unter dem Vorwande unzureichenden Vermögens jene Berufung abgelehnt. Denn in dem Augenblicke, in welchem es noch ungewiß erschien, wem künftighin die Herrschaft in den Provinzen zufallen würde, in denen seine Güter lagen, wollte er es vermeiden, sich in so hervorragender Stellung dem Dienste Maria Theresia's zu weihen 2). Daß aber eine solche Meinung von einem so wohlunterrichteten Beobachter wie Capello, daß sie noch dazu in Bezug auf einen Mann wie Kaunit ausgesprochen werden konnte, dieß beweist nur, wie damals in Oesterreich Alles wankte und es für Maria Theresia fast keine Stüße mehr gab, welche vollkommen verläßlich erschien. Das Glück ihrer Waffen brachte jedoch hierin einen gewaltigen Umschwung hervor. Es ist keine Spur davon zu entdecken, daß Kauniß nicht bereitwillig dem Rufe der Königin gefolgt wäre, als sie ihn neuerdings zu ihrem Gesandten am sardinischen Hofe bestimmte, wo Schulenburgs Nachfolger, der Marchese Bartolommei in eine Art von Frrsinn verfallen und zu fernerer Dienstleistung unfähig geworden war.

Am 8. August 1742 traf Kauniß zu Cesena im Hauptquartiere des Königs von Sardinien ein "). Er kam eben recht, seine Vorstellungen mit denen des Grafen Traun zu vereinigen, um Karl Emanuel zur Fortseßung der Operationen gegen Neapel zu vermögen.

« PreviousContinue »