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persönlicher Führung mit unbeugsamem Muthe kämpfte, und Schritt vor Schritt die Spanier zurücktrieb.

Es war inzwischen sechs Uhr Abends geworden; längst war die Sonne untergegangen und der Mond beschien mit seinem bleichen Lichte die blutgetränkte Wahlstatt. Auf der ganzen Linie ordnete Gages den Rückzug an, der auf manchen Punkten in ziemlicher Verwirrung ausgeführt wurde. Graf Traun, welcher ein Pferd unter dem Leibe verloren hatte, wagte es bei dem zweifelhaften Mondlichte nicht, dem Feinde zu folgen. So wurde der Sieg in geringerem Maße benüßt, als es sonst wohl der Fall gewesen wäre. Denn als der nächste Morgen graute, waren die Spanier schon über den Panaro zurückgegangen und sie begaben sich nun in ihre frühere Aufstellung bei Bologna.

Ihnen dorthin nachzufolgen, glaubte Traun seine Streitkräfte zu schwach; er beschränkte sich darauf, eine Anzahl Reiter zu ihrer Verfolgung abzuschicken. Den Generaladjutanten Grafen Althan sandte er mit der freudigen Botschaft nach Wien; ihm folgte Tags darauf der Generalfeldwachtmeister Graf Colloredo, um über den errungenen Sieg und die Art und Weise, in welcher er erfochten worden, aus führlicheren Bericht zu erstatten. Der Tapferkeit seines eigenen und des sardinischen Fußvolkes ertheilte Traun das größte Lob; auch der slavonischen Regimenter und der Freicorps wird rühmend gedacht, das Verdienst der Generale Schulenburg, Aspremont, Sinsan, Colloredo, Saint-Pierre und Hohenau besonders hervorgehoben **).

„Man kann nicht bestreiten," sagt ein Zeitgenosse, der sardinische General Graf Gaspare Galleani d'Agliano, „daß die große Erfahrung des Feldmarschalls Grafen Traun und sein unvergleichlicher Heldenmuth es hauptsächlich bewirkten, daß der Sieg ihm zu Theil „wurde. Es bedurfte hiezu in der That keines Anderen als seiner, ,,der sich eines so ausgezeichneten Rufes erfreute, daß er den besten „Feldherren unserer Zeit beigezählt wurde. Dieser Ruf wurde durch den jegt errungenen Sieg noch bestärkt und erhöht. Man erkannte

„wohl, daß Traun in seiner Jugend von einem tüchtigen Meister „die Kriegskunst erlernt und sie noch vollkommen inne hatte. Denn „er war durch lange Zeit der Adjutant und der Vertraute jenes großen „Heerführers, des Feldmarschalls Grafen Guido von Starhem,,berg "")."

Sechstes Capitel.

Wie ganz anders erscheint doch die Lage Maria Theresia's in dem Augenblicke, in welchem sie die Nachricht von dem Siege bei Camposanto empfing, wenn man sie mit derjenigen vergleicht, in der sie ein Jahr zuvor sich befand, als der erste Bericht von Khevenhüllers glücklichem Vordringen in Oberösterreich und Baiern nach Wien gelangte. Allerdings war jezt durch den Friedensschluß mit Preußen der thatsächlich längst erfolgte Verlust des größten Theiles von Schlesien auch völkerrechtlich anerkannt. Aber all die übrigen Entwürfe zur Herbeiführung einer Theilung der österreichischen Erbländer durften als völlig gescheitert angesehen werden. Oberösterreich, Böhmen und Mähren, damals fast ganz in der Gewalt der feindlichen Heere, waren jest wieder erobert, Preußen und Sachsen von dem gegen Maria Theresia errichteten Bunde getrennt, der Kaiser tief gedemüthigt, Frankreich in peinlichster Lage, das spanische Königshaus aber auf dem Punkte, dem Gedanken an Erorberungen in Italien ganz ent= fagen zu müssen, ja in der Gefahr, die vor wenigen Jahren daselbst gemachten Erwerbungen wieder zu verlieren. In dem Augenblicke, in welchem man der Verwirklichung des lang gehegten Planes, die Macht des Hauses Desterreichs zu vernichten, näher zu sein glaubte als je, erhob sich dieselbe mit ungeahnter Kraft, und statt sich außer Schlefien auch noch andere, für sie noch wichtigere Provinzen durch die Gewalt der Waffen entrissen zu sehen, konnte Maria Theresia nun darnach streben, für die erlittene Einbuße anderswo und auf Kosten ihrer Feinde Entschädigung zu erlangen.

Diese günstige Veränderung in Maria Theresia's äußerer Lage blieb denn natürlicher Weise nicht ohne lebhafte Einwirkung auf die Königin selbst. So wie sie früher die schwere Bedrängniß, in welcher sie sich befand, mit tiefster Betrübniß empfunden und ihrem Schmerze darüber bei jeder Gelegenheit freien Lauf gelassen hatte, so gab sie jezt rückhaltslos der Heiterkeit sich hin, welche ihrer Jugend und ihrem ganzen Wesen so sehr entsprach. Auch die Vermehrung, welche ihrem Familienkreise durch die Geburt der Erzherzogin Maria Christine zu Theil geworden, trug nicht wenig dazu bei, die fröhliche Stimmung der für häusliches Glück in so hohem Maße empfänglichen Königin noch zu erhöhen. Die Heiterkeit, der sie selbst sich überließ, theilte sich ihrer ganzen Umgebung mit, und Maria Theresia's jezige Hofhaltung stand in entschiedenstem Gegensaße zu der trübseligen Art und Weise, in welcher sie ein Jahr zuvor ihre Tage verbrachte. Die alte Hofburg in Wien erschien nun wie neu belebt. Schon in Preßburg hatte die Königin begonnen, an mehreren Aben= den der Woche zahlreiche Gesellschaft bei sich zu empfangen. Außer ihren Ministern und den fremden Gesandten war hiedurch auch anderen Personen von hervorragender Stellung Gelegenheit geboten, sei es die öffentlichen Geschäfte, sei es ihre persönlichen Angelegenheiten mit der Königin zu besprechen.

Dieser stete Verkehr mit so Vielen war in jeder Beziehung von günstiger Wirkung '). Er zeigte sich als das beste Mittel, der Königin, welcher bekanntlich eine seltene Liebenswürdigkeit im Umgange zu Gebote stand 2), eine bis dahin vielleicht niemals erlebte Popularität, und zwar jene Popularität im besten Sinne des Wortes zu erwerben, welche auf der tiefwurzelnden Ueberzeugung von der Vortrefflichkeit der Eigenschaften der gefeierten Persönlichkeit beruht. Ueberdieß bot der vielfache Verkehr mit den verschiedensten Menschen der Königin oftmals Gelegenheit, Gegenstände von Wichtigkeit auch mit anderen Männern als denen, welche durch ihre amtliche Stellung zur Kundgebung ihrer Meinung berufen waren, eingehend zu besprechen. Sie lernte dadurch oft ganz entgegengesetzte Anschauungen kennen, erweiterte ihren Gesichtskreis und gewann nicht selten die Grundlage

zu einer Auffassung, welche von derjenigen ihrer Minister völlig verschieden, jedoch ungleich richtiger als die ihrer bestellten Rathgeber war. So kam es, daß die gemeinsamen Spaziergänge, welche die Königin im Schönbrunner Schloßgarten, und die Spielgesellschaften, die sie in der Hofburg zu Wien eingeführt hatte, in weit höherem Maße zu ernsteren Zwecken als zum bloßen Vergnügen dienten. Denn dem Leşteren widmete Maria Theresia nur wenige Augenblice. Aber immer hatte sie Zeit und Lust zur Besprechung von Staatssachen so wie zur Anhörung der Bitten oder Beschwerden ihrer Unterthanen.

Wenn hier von den Vergnügungen Maria Theresia's die Rede ist, so wird es gestatten sein, eine zu erwähnen, welcher die Königin um jene Zeit mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit sich hingab. Es war dieß das Reiten, das sie erst nach ihrer Thronbesteigung erlernt hatte, um bei der Krönung in Ungarn auch diesen Theil der durch Jahrhunderte alten Gebrauch vorgeschriebenen Feierlichkeiten vollziehen zu können. Die seltene Fertigkeit und Grazie, mit der sie diese Kunst auszuüben verstand, die enthusiastische Bewunderung, welche sie bei den für derlei Aeußerlichkeiten so sehr empfänglichen Ungarn fand, erweckten bei der Königin die Lust an einer Leibesübung, welche für ihr frisches lebendiges Wesen so recht gemacht schien. Bei ihrer Jugend ist es zu entschuldigen, daß sie hiebei in eine gewisse Uebertreibung gerieth. „Sie reitet mit einer Schnelligteit," schreibt noch mehrere Jahre später der preußische Gesandte Podewils hierüber, „daß man für sie zittert. Umsonst suchten ihr „Gemahl und andere Personen sie davon abzubringen." Ein anderer Berichterstatter jedoch, der venetianische Botschafter Capello behauptet, daß sie im allzu heftigen Reiten sich mäßigte, als ihr die Gefahr davon anschaulich gemacht ward 3).

Durch die große Lust am Reiten und die Beschäftigung mit Pferden überhaupt wurde Maria Theresia um jene Zeit zu einer Festlichkeit vermocht, welche dem Ernste ihrer Lage vielleicht nicht völlig entsprach. Es war dieß die Abhaltung eines großen Carrousels, von dem freilich gesagt wurde, daß es zur Feier der Wiedereroberung von Prag stattfinde, während doch die Vorbereitungen zu demselben

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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