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schon zu einer Zeit begannen, in welcher das österreichische Heer sich Prags noch lange nicht bemeistert hatte.

Es war nur der Rückschlag der traurigen Stimmung, der man am Wiener Hofe so lange sich hingegeben hatte, wenn man jeßt daselbst von einer übertriebenen Vergnügungsluft sich ergriffen zeigte. Hier beschäftigt das Carrousel alle Welt," schrieb schon am 29. November 1742 der Großherzog seinem Bruder Karl, „und „man hört von nichts Anderem sprechen *)." Noch mehrmals kommt er auf die unausgeseßten Vorbereitungen zu diesem Feste zurück, welches denn am 2. Jänner 1743 auch wirklich stattfand. In Purpur gekleidet und hoch zu Roß betheiligte sich Maria Theresia an demselben, und die gleichzeitigen Berichte können nicht Worte genug finden, um die Anmuth und Majestät ihrer Erscheinung, so wie die Fertigkeit zu preisen, welche sie bei dem Kampfspiele an den Tage legte.

Es ist früher gesagt worden, daß der Großherzog Franz und andere Personen sich eifrig bemühten, Maria Theresia von der allzu großen Vorliebe für Reitpartien und Carrousels wieder abzubringen. Unter diesen Personen muß Emanuel Graf Sylva-Larouca in erster Linie genannt werden.

Im Jahre 1696 zu Lissabon geboren, trat Larouca schon 1715, während sein Vater als diplomatischer Agent des Königs von Portugal sich in den Niederlanden befand, als Freiwilliger in das kaiserliche Heer und kämpfte Eugens siegreiche Feldzüge gegen die Türken, die Schlachten von Peterwardein und Belgrad mit. Später in den österreichischen Civildienst übergetreten, war er größtentheils in der Verwaltung der Niederlande beschäftigt, in welcher er bei Maria Theresia's Thronbesteigung die Stelle eines Staatsrathes bekleidete.

Noch in die ersten Monate der Regierung der Königin fällt die Ernennung Larouca's zum Präsidenten des niederländischen Rathes, welchen Posten Graf Zavalla, einer der vertrautesten Lieblinge des Kaisers Karl VI. freiwillig aufgab, indem er sich nach dem Tode dieses Monarchen nach Spanien zurückzog.

Einen noch ungleich schwerer wiegenden Beweis ihres vollsten Vertrauens als durch die Bekleidung mit jener Würde gab Maria Theresia dem Grafen Larouca dadurch, daß sie ihn beauftragte, täglich bei ihr zu erscheinen und nicht nur über Dienstsachen, sondern auch über die Angelegenheiten ihrer Familie, so wie über seine eigenen mit ihr zu sprechen. Ja sie ging noch weiter und während ihres Aufenthaltes zu Preßburg ertheilte sie Tarouca den ausdrücklichen Befehl, ihr gleich einer einfachen Privatperson stets unumwunden zu sagen, wo sie fehle, die Mängel ihres Charakters zu erforschen und sie ihr offen mitzutheilen *).

Mit Recht hat dieser Beweis des unvergleichlichen Seelenadels der Königin, seit er bekannt geworden, überall ungetheilte Bewunderung gefunden. Nicht leicht wird man in der Geschichte mächtiger Regenten einem rührenderen Zuge kindlicher Bescheidenheit und gleichzeitig des eifrigsten Bestrebens begegnen, sich zur Erfüllung der ihr von der Vorsehung übertragenen großen Aufgabe immer tüchtiger zu machen. Und man würde vollständig irren, wenn man glauben wollte, daß es Maria Theresia mit der an Larouca ge= richteten Aufforderung etwa nicht völliger Ernst gewesen sei.

Die nach Larouca's Meinung allzu große Vorliebe der Königin für Reitpartien und Carrousels, zu welcher noch eine ihm übertrieben scheinende Lust am Tanze kam, gab ihm gleich den ersten Anlaß zu Gegenvorstellungen, von denen er selbst sagt, daß obgleich sie sogar Verweisen nicht unähnlich schienen, sie doch mit einer Geduld angehört wurden, die man eher in der Zelle eines Klosters als auf dem Throne zu finden erwarten durfte. Freilich deutet er gleichfalls an, daß seine Vorstellungen nicht immer von dem gewünschten Erfolge begleitet waren. Aber er selbst gibt zu, daß sie wenigstens nicht ohne eine gewisse Wirkung blieben. „Sprechen Sie immerhin fort," hatte ihm Maria Theresia einmal gesagt, wenn ich auch Ihren Rath nicht gleich befolge, Ihre Worte kommen mir später doch zu Sinn." In der That trugen sie wohl gleichfalls bei, daß wenn auch die Königin an den erwähnten Lustbarkeiten, am Spiele und am Tanze, insbe sondere aber an maskirten Bällen damals ein vielleicht zu weit

gehendes Vergnügen fand, sie darüber doch ihre Negentenpflichten niemals auch nur im Entferntesten vernachlässigte.

Sie übte dieselben vielmehr nach wie vor mit größter Gewissenhaftigkeit. Wie unverdächtige Zeugnisse darthun, begann sie schon in den frühesten Morgenstunden ihr Tagewerk ). Nach dem bezeichnenden Ausdrucke Capello's bewies sie es durch die That, daß sie von der Ueberzeugung durchdrungen war, den Monarchen liege die Pflicht ob, die Last des Regierens selbst zu tragen, und sie hätten sich der Minister als Werkzeuge zu bedienen, nicht aber die eigentliche Entscheidung der Staatssachen in die Hände derselben zu legen. Darum wohnte sie so oft als möglich den Berathungen der Minister bei, schrieb selbst die Gegenstände vor, welche dort zur Erörterung kommen sollten, und seßte durch den Scharfsinn, welchen sie hiebei an den Tag legte, und durch die Gewandtheit, mit der sie an der Discussion sich betheiligte, Jeden in Erstaunen. Alle Berichte der Behörden, die Depeschen der Gesandten, die Eingaben ihrer Unterthanen las sie selbst, und bewunderungswürdig ist die gedrängte, aber bezeichnende Ausdrucksweise, in der sie in den verschiedensten Sprachen ihre Bemerkungen darüber, ihre Anordnungen niederschrieb.

In oft wiederholten Fällen waren dieselben von den gestellten Anträgen gar sehr verschieden. Niemals verließ sich die Königin auf den erstatteten Bericht; jede Verhandlung, wenn sie auch noch so weitläufig war, wurde von ihr bis in die kleinste Einzelheit ge= prüft; wo es nur anging, wollte sie mit eigenen Augen sehen. Niemals erschrack sie vor der Last der Geschäfte, niemals ermüdete sie unter ihr. Mit einer Beharrlichkeit ohne Gleichen trachtete sie sich in Alles einzuweihen, was die Regierung anging, und sie soll oft gesagt haben, um nichts bitte sie Gott mit so großem Eifer, als sie die öffentlichen Angelegenheiten im rechten Lichte betrachten zu lassen ?).

Eine der Eigenschaften, welche von den Zeitgenossen Maria Theresia's am meisten an ihr gepriesen werden, ist der richtige Blick, mit welchem sie die Männer auszuwählen verstand, denen sie

die wichtigsten Posten vertraute. Freilich scheint es, daß wenn sie diese Eigenschaft wirklich besaß, sie wenigstens während ihrer ersten Regierungszeit nur unter mittelmäßigen Köpfen die Wahl hatte. Denn die Personen, mit welchen sie die Lücken erseßte, die der Tod in die Reihe der vornehmsten Staatsdiener riß, können keineswegs auf den Ruhm sehr hervorragender Begabung Anspruch erheben. Schon im Februar 1742 war der greise Hofkanzler Graf Sinzendorff gestorben, und so gerecht die Anklagen auch sind, welche wider die langjährige Amtsführung dieses Mannes sich vernehmen lassen, so darf doch auch wieder nicht geläugnet werden, daß er während des lezten Jahres seines Lebens, gleichsam elektrisirt durch Maria Theresia's eigene Thatkraft, mit rühmenswerther Rastlosigkeit und Selbstaufopferung die Pflichten seines Amtes erfüllte.

Wenn schon aus keinem anderen Grunde, so war doch gewiß darum sein Verlust ein empfindlicher, weil seine mehr als vierzigjährige Erfahrung, seine unausgesezte Beschäftigung mit den auswärtigen Angelegenheiten, seine genaue Bekanntschaft mit den maßgebenden Personen an den fremden Höfen ihn immerhin, was auch sonst wider ihn in die Wagschale fallen mochte, als eines der hervorragendsten Glieder der geheimen Conferenz erscheinen ließen. Die übrigen Theilnehmer an derselben sagten es selbst mit anerkennenswerther Offenheit, daß mit Sinzendorff das bedeutsamste Mitglied dieser Corporation aus dem Leben geschieden sei").

Nur wenige Monate vergingen, und der Tod raffte den niederösterreichischen Landmarschall, Grafen Alois Harrach, den zweiten jener fünf Männer hinweg, aus welchen bei Maria Theresia's Thronbesteigung die Conferenz gebildet war. Nur Gundacer Starhemberg, Joseph Harrach und Königsegg waren noch am Leben. Die leer gewordenen Pläße neu zu beseßen und jüngere, weniger verbrauchte Kräfte für sie zu gewinnen, mußte Maria Theresia's angelegentlichste Sorge sein. E& Es war jedoch nicht leicht, Sinzendorff zu erseßen, denn mit einer Art Art von Eifersucht hatte er es immer vermieden, Jemanden derart

in die Geschäfte einzuweihen, daß er dieselben sogleich von ihm

hätte übernehmen können). Man ergriff nun das Auskunftsmittel, die Obliegenheiten der Stelle eines Obersten Hofkanzlers, wie Sinzendorff sie inne gehabt hatte, zu theilen, und nicht mehr einen solchen, sondern statt seiner zwei Hofkanzler zu ernennen. Mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten wurde Graf Ulfeld betraut; die Geschäfte aber, welche auf die inneren Angelegenheiten der österreichischen Länder Bezug hatten und gleichfalls von Sinzendorff verwaltet worden waren, wurden dem Grafen von Seilern übertragen. Aber nur Ulfeld erhielt Siz und Stimme in der Conferenz.

Die rasche Laufbahn, welche Ulfeld noch unter dem Kaiser Karl VI. zurücklegte, dankte er zunächst der Gunst, in der sein Vater bei diesem Fürsten stand. Es wird behauptet, der Feldmarschall Graf Ulfeld sei es gewesen, welcher während der Belagerung Barcelona's durch das spanisch-französische Heer in dem Augenblicke der härtesten Bedrängniß, als Alles auf unverweilte Flucht drang, allein noch zum Ausharren rieth. Dadurch sei der englischen Flotte die Möglichkeit geboten worden, noch zu rechter Zeit nach Barcelona zu gelangen und die Stadt, mit ihr Karl selbst zu befreien. Niemals wurde dem Feldmarschall dieser Dienst vergessen, und in seinem Sohne empfing er reichliche Belohnung dafür. Anfangs im Reichshofrathe angestellt, ging Ulfeld später als Gesandter des Kaisers nach dem Haag, nach Abschluß des Passarowißer Friedens aber als Botschafter nach Constantinopel. Durch seinen Fleiß, seine Genauigkeit in den Geschäften, durch seine Redlichkeit und den wohlbegründeten Ruf der Unbestechlichkeit, den er genoß, gewann er sich die allgemeine Achtung; von seiner geistigen Befähigung hatte jedoch Niemand eine hochgespannte Meinung. Außerdem flagte man darüber, daß seine Umgangsweise durchaus nicht ge= eignet sei, ihm die Zuneigung Derer zu gewinnen, mit denen er in Berührung trat. Dennoch wurde ihm jezt die Leitung der außwärtigen Geschäfte anvertraut, und daß dieß geschah, schrieb man hauptsächlich der Einwirkung Bartensteins zu, welchem die Wahl eines wenig bedeutenden Mannes zu jenem Posten eine Vermehrung seines eigenen Einflusses in sichere Aussicht stellte. Da Ulfeld ihm sein jeßiges Amt verdankte, werde er es, darauf

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