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Erftes Capitel.

Wer die Lage überblickt, in welcher sich Maria Theresia in den lezten Tagen des Jahres 1741 befand, wird wohl begreifen, daß auch dem Beherztesten ihrer Anhänger der Muth entsinken konnte. Die Anschläge ihrer Feinde schienen vollständig gelungen, denn Oberösterreich und Schlesien befanden sich ganz, Böhmen größtentheils in deren Besize. Mähren war die Königin auf dem Punkte gleichfalls zu verlieren, und die Uebermacht ihrer Gegner zeigte sich als so überwältigend, daß jede Fortführung der Feindseligkeiten nur mit neuen Verlusten drohte. Hiezu kam noch der wenig befriedigende Zustand der österreichischen Streitkräfte, die unerläßliche Nothwendigkeit zu ihrer Vermehrung und Verbesserung bedeutende Summen aufzubringen, und gleichzeitig wieder die Unmöglichkeit, die dazu erforderlichen Mittel herbeizuschaffen. Denn die ergiebigsten Länder waren verloren gegangen, die zurückgebliebenen aber entweder außer Stande, die übergroßen Lasten zu tragen, oder sie machten, wie man von Ungarn behauptete, keine ausreichende Anstrengung zu beträchtlicheren Leistungen1).

In solcher Bedrängniß fehlte es nicht an Stimmen, welche es als ein Glück priesen, wenn man nur auf Grundlage des gegenwärtigen Besißstandes und mit Aufgebung des ohnedieß unwiederbringlich Verlorenen Frieden zu schließen vermöchte. Ja nicht allein auf Oberösterreich, Böhmen, Schlesien und den nördlichen Theil von Mähren, sondern selbst auf Brünn solle die Königin verzichten, um die dor tigen Einwohner und die Stadt zu schonen, welch lettere doch früher

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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oder später den Preußen gleichfalls zu Theil werden würde. Sogar einer der hervorragendsten österreichischen Generale erklärte unumwunden, die Königin habe Standhaftigkeit genug bewiesen, um ihre Rechte zu verfechten. Gegen den Strom vermöge eben Niemand zu schwimmen 2).

Gerade im tiefsten Unglücke bewährte jedoch Maria Theresia am herrlichsten den wahrhaft heroischen Muth, von dem sie beseelt war. Die von allen Seiten an sie herandrängende Gefahr schien ihre Ausdauer erst recht zu stählen. Unermüdlich war sie in der Vorsorge für das Heer, denn sie erkenne nur allzuwohl, schrieb sie ihrem Gemahl, daß jeßt ihr eigenes Heil und das des Erzhauses Desterreich nach Gott auf den Truppen beruhe. Mehr als Mutter denn als Herrin und Landesfürstin wolle sie für dieselben sorgen, in der Zuversicht, sie würden sich dessen fortan durch treue und tapfere Dienste würdig erzeigen 3). Weit davon entfernt sich auf die Vertheidigung der Provinzen zu beschränken, die sich noch in ihrem Be= fige befanden, faßte Maria Theresia vielmehr den Gedanken und führte ihn aus, eine neue Streitmacht aufzustellen, um dem Feinde einen Theil des Gebietes wieder abzuringen, das er erobert hatte. Der Mann, dessen sie sich als Werkzeug zur Ausführung dieses Planes bediente, war kein anderer als derselbe, welcher eben erst in Wien so Hervorragendes geleistet hatte, der Feldmarschall Graf Ludwig Andreas Khevenhüller.

Wie Neipperg und Schmettau, so gehörte auch Khevenhüller zu jenem Kreise kenntnißreicher Officiere, welche durch ihr wissenschaftliches Streben sich die Gunst des Prinzen Eugen erwarben, und von ihm emporgehoben, mit ungewöhnlicher Raschheit ihre Laufbahn durchmaßen. Khevenhüller scheint dem Prinzen besonders werth ge= wesen zu sein; wenigstens deutet darauf der Umstand, daß er, im Jahre 1683 geboren, schon im vier und zwanzigsten Jahre seines Alters Eugens eigenes Dragonerregiment commandirte. Freilich zeigt dieß auch neuerdings die fast unglaubliche Bevorzugung, welche vornehmer Geburt und einflußreichen Familienverbindungen damals zu Theil wurde, und die bei dem Enkel des großen Montecuccoli - Khevenhüllers

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Mutter war eine Tochter des Siegers von St. Gotthard in noch erhöhtem Maße Anwendung fand. Bei Khevenhüller war übrigens die Wirkung dieser Bevorzugung doch eine andere, als sie gewöhnlich zu sein pflegt: sie verdoppelte seinen Eifer, sich derselben in jeder Beziehung werth zu zeigen. Das Resultat seines tiefen Studiums der Kriegswissenschaften ist in seinen militärischen Werken niedergelegt, welche zu jener Zeit vielfache Anerkennung fanden und in ihm einen würdigen Nacheiferer seines berühmten Großvaters erkennen ließen.

In den unglücklichen Feldzügen der Jahre 1734 und 1735 in Italien, in welchen Feldmarschall Graf Mercy bei Parma das Leben, sein Nachfolger Königsegg aber bei Guastalla die Schlacht verlor, diente Khevenhüller unter diesen beiden Feldherren. Nach Königseggs Entfernung aus Italien übernahm er das Commando über die kaiserlichen Truppen. Die ungünstige Lage der Dinge und der baldige Abschluß des Waffenstillstandes hinderten ihn ohne sein Verschulden, sich durch glänzende Thaten kriegerischen Ruhm zu erwerben. Auch in den darauf folgenden Feldzügen gegen die Türken waren nicht vicle Lorbeern zu holen; immerhin gehörte jedoch Khevenhüller zu den kaiserlichen Generalen, deren militärischer Ruf daselbst noch die geringste Einbuße erlitt. Seine eigentliche Glanzepoche begann erst mit dem Vordringen des Kurfürsten von Baiern gegen Wien. Die Art und Weise, in welcher Khevenhüller hier die Vertheidigungsanstalten leitete, gewann ihm in so hohem Maße Maria Theresia's Vertrauen, daß sie auf ihn ihre Blicke warf, als es sich um die Vollführung einer Unternehmung handelte, deren Gelingen der Königin im höchsten Grade am Herzen lag.

Kaum hatte Maria Theresia die Nachricht erhalten, daß der Kurfürst Karl Albrecht von dem ferneren Vorrücken auf Wien abstehe, und die Richtung gegen Böhmen einschlage, als sie schon den Beschluß faßte, die in Oberösterreich zurückbleibenden französischen und baierischen Truppen wo möglich aus diesem Lande zu vertreiben1). Auch durch König Friedrichs Vordringen in Mähren, durch den Verlust von Olmüz, so wie durch die Gefahr, mit welcher Brünn, ja gewissermaßen selbst Wien bedroht wurde, ließ sie sich hiervon nicht

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