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durfte Bartenstein mit ziemlichere Bestimmtheit rechnen, auch in einer seinen Anschauungen entsprechenden Weise verwalten.

Noch aus einem anderen Grunde hatte Bartenstein sich eifright bemüht, Ulfeld auf den Posten zu bringen, den er jeßt wirklich erhielt. Es lag ihm ungemein viel daran, die beiden Bewerber davon auszuschließen, welche sonst die meiste Aussicht zur Erlangung desselben gehabt hätten, die Grafen Friedrich Harrach und Philipp Kinsky. Denn bei Beiden mußte er gewärtigen, daß sie darauf ausgehen würden, den Einfluß zu schmälern, welchen Bartenstein bei der Königin genoß. Harrach, der als Obersthofmeister der Erzherzogin Elisabeth der Verwaltung der österreichischen Niederlande vorstand, war ein Mann von zu großer Selbstständigkeit und zu hoher Begabung, als daß daran gedacht werden konnte, er werde sich Bartenstein unterordnen. Von Kinsky verlautete ohnedieß, daß er schon bei der Thronbesteigung Maria Theresia's getrachtet habe, Bartenstein aus seiner Stellung zu verdrängen. Es war also für Bartenstein die Befriedigung eines Gefühls der Rache, wenn er es jezt verhinderte, daß Kinsky zu einem Amte gelangte, welches seinen früheren Diensten und seinen Neigungen gewiß angemessen gewesen wäre.

Ulfeld zählte in dem Augenblicke, von welchem jezt die Rede ist, nahe an fünfzig Jahre. Er war von ziemlich großer und schlanker Gestalt; seine gebräunte Gesichtsfarbe, die hellblauen, aber tiefliegenden, etwas düster blickenden Augen, die dichten schwarzen Haare und Augenbrauen, die etwas aufgetriebenen Wangen gaben seiner äußeren Erscheinung nichts Anziehendes, wenn man auch auf den ersten Blick den vornehmen Mann in ihm erkennen mochte. Die eisige Kälte, mit der er Allen begegnete, welche mit ihm zu thun hatten, die auffallende Langsamkeit seiner Auffassung, die Art von Bestürzung, in welche jede neue Idee, jeder neue Plan ihn verseßte, die Unklarheit seiner Ausdrucksweise, die wohl zumeist der Unklarheit seines Gedankenganges entsprang, die unbeugsame Hartnäckigkeit endlich, mit der er an dem einmal Erfaßten festhielt und die ihn troß seiner sonstigen Steifheit bei jedem Wortstreite leicht in übertriebene Heftigkeit gerathen ließ, alles dieß machte die Verhandlung mit ihm

zu einem peinlichen Geschäfte. Ja es scheint fast, daß er zu jedem Amte eher als zu dem eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten getaugt hätte 20).

Es war dieß um so mehr zu bedauern, als die Verhandlungen mit den fremden Mächten gerade damals, zu Ende des Jahres 1742, sich in einem hohen Grade der Verwirrung befanden. Ueberall tauchten neue Projecte, oft von unermeßlicher Tragweite auf. Nach allen Richtungen hin wurden Negotiationen gepflogen, welche sich nicht selten in entschiedenem Widerspruche zu einander befanden. Kein Staat, kein Monarch traute dem andern; auf das anscheinend festeste Bündniß war nicht mit Zuversicht zu bauen. Jeder Tag, jede Stunde brachte Neues, oft ganz Unvorhergesehenes zu Tage, und eines scharfen, eines weitschauenden Blickes und ernster Entschlossenheit hätte es bedurft, um sich in diesem Chaos zurecht zu finden, das wirkliche Interesse des Hauses Desterreich wahrzunehmen und es nach allen Seiten hin mit Nachdruck zu vertreten.

So wie sich König Friedrich durch den Abschluß des Breslauer Friedens vom Kampfplaße zurückgezogen hatte, so beobachtete er wenigstens durch einige Zeit auch in den Verhandlungen der Cabinete eine zuwartende Haltung. Dieselben gingen zunächst von den beiden großen Parteien aus, welche wider einander im Felde standen, Desterreich und England auf einer, Frankreich, Spanien und Baiern auf der anderen Seite. Hiebei war das ursprüngliche Verhältniß, wie es zu Anfang des Krieges bestanden hatte, ein völlig anderes geworden. Damals bildeten die Mächte, welche Maria Theresia bekriegten, entschieden den angreifenden Theil, Ländererwerb und Machtvergrößerung den ausgesprochenen Zweck ihres Bündnisses. Nun aber waren jene Regierungen gewisser Maßen in die Defensive gedrängt. Ihre Ansprüche hatten sie jeßt auf ein ziemlich beschei denes Maß reducirt, während dagegen die Entwürfe, welche man wider sie auszuführen hoffte, mit Kühnheit erdacht waren und im Falle ihrer Verwirklichung den politischen Verhältnissen Europa's eine völlig neue Gestalt hätten geben müssen.

Nebst dem Wiener Hofe war es die englische Regierung, welche die Durchführung jener Entwürfe lebhaft zu wünschen schien.

Bei den deutschen Geschichtschreibern jener Lage ist es Mode geworden, die Großmuth zu preisen, mit der das hochherzige Großbritannien der hülflosen Maria Theresia sich angenommen, aus echt ritterlichem Mitgefühle mit der schwer bedrängten Fürstin ihr seine Schäße, seine Flotten, seine Heere zur Verfügung gestellt, und in solcher Weise das Haus Desterreich gerettet habe aus der ungeheuren Gefahr, der es sonst ohne Zweifel erlegen wäre.

Der hohe Werth des Bündnisses mit England und der unleugbare Nußen, welchen Maria Theresia daraus zog, soll hier in keiner Weise bestritten werden. Doch geht aus der Sachlage klar hervor und es gereicht auch England keineswegs zur Unehre, daß es zu dem Beistande, welchen es dem Hause Oesterreich leistete, durchaus nicht durch uneigennüßiges Mitleid, sondern einzig und allein durch die Rücksicht auf seinen eigenen Vortheil vermocht wurde.

Daß die britische Regierung bei ihrer damaligen Handlungsweise nicht durch eine Art edelmüthiger Sympathie für Maria Therefia geleitet wurde, gab sich am deutlichsten in der Haltung kund, welche sie in dem Streite zwischen Desterreich und Preußen beobach= tete. Abgesehen davon, daß sie sich weislich hütete, für Maria Theresia gegen Friedrich die Waffen zu ergreisen, gab es keine Forderung des Königs, fie mochte noch so weitgehend, noch so unbegründet sein, sie mochte noch so sehr Maria Theresia im tiefsten Innern verwunden, welche die englische Regierung nicht mit gewohntem Ungestüm dem Wiener Hofe zur Annahme empfohlen hätte.

Auch in Bezug auf die Begehren Sardiniens befolgte sie das gleiche Verfahren. Obgleich so mancher englische Staatsmann, obgleich insbesondere Lord Carteret selbst sich über den sardinischen Hof nicht selten in einer Weise aussprach, welche man nicht anders als verächtlich bezeichnen kann"), so verlangte er doch zu Gunsten desselben Opfer von Maria Theresia, wie sie kaum nach einem unglücklich geführten Kriege hätten gefordert werden können. An dem Schmerze

der Königin, an der Demüthigung Desterreichs lag der englischen Regierung nichts, und soweit kam es, daß Männer wie Bartenstein ernstlich warnten vor fernerer Nachgiebigkeit gegen England. Man befinde sich bereits, bemerkte er in seiner bitteren Weise, zu England in demselben Abhängigkeitsverhältnisse wie Baiern zu Frankreich 1). So wie dieses die Deutschen durch Deutsche, so suche England die Katholiken durch Katholiken zu Grunde zu richten 13).

Vielleicht noch gewichtigere Gründe würde Desterreich gehabt haben, sich über England zu beklagen, wenn dasselbe nicht nach wie vor an der Absicht festgehalten hätte, sich Desterreichs als Mauerbrecher zu bedienen wider Frankreichs Uebermacht. Als insbesondere die Kriegsereignisse in Baiern und in Böhmen in einer Weise, auf welche man kurz zuvor noch nicht zu hoffen gewagt hatte, es darthaten, daß Oesterreich noch immer gewaltig genug sei, um die Plane des Hauses Bourbon zu durchkreuzen, als ein beträchtlicher Theil der französischen Kriegsmacht zu Grunde gerichtet, die Finanzkraft des Landes erschöpft und die Bevölkerung aufgebracht war über den Gang der Ereignisse, da stimmte man in England mit Lebhaftigkeit den Entwürfen bei, welche dahin gerichtet waren, den günstigen Augenblick nicht unbenüßt vorübergehen zu lassen und dem Uebergewichte Frankreich auf dem Festlande für immer ein Ende zu machen.

Wenn von denjenigen die Rede ist, von welchen am eifrigsten an der Ausführung des Planes gearbeitet wurde, Desterreich in Baiern und dieses wieder auf Kosten Frankreichs zu entschädigen, so muß der Engländer Graf Stair in erster Linie genannt werden. Er befand sich damals im Haag, um die Generalstaaten zu einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit Desterreich und England wider Frankreich zu vermögen. Von ihm ging jener Vorschlag aus, dessen bereits Erwähnung geschah, und der nichts Geringeres bezweckte, als höchst beträchtliche Landestheile, darunter das Elsaß und das neu erworbene Lothringen von Frankreich abzulösen und sie sammt den öfterreichischen Niederlanden dem Kaiser Karl VII., Baiern aber Maria Theresia zu Theil werden zu lassen. Georg selbst und sein Minister Lord Carteret) schienen diesem Plane Anfangs günstig zu sein; in

Desterreich wurde demselben wenigstens nicht widersprochen, wenn auch Maria Theresia früher andere Gedanken gehegt und sich darauf beschränkt hatte, das Innviertel und die Oberpfalz, dann Neapel und Sicilien für sich selbst, Lothringen aber für dessen ursprüngliches Herrscherhaus zu verlangen ").

Die Königin war eben der Meinung, daß es niemals möglich sein werde, den Kaiser dahin zu bringen, an einem wider Frankreich gerichteten Bündnisse thatkräftigen Antheil zu nehmen "). Jedenfalls aber hatte sie darin Recht, wenn sie zu oft wiederholten Malen be= hauptete, wer solche Entwürfe im Echilde führe, der müsse zu ihrer Ausführung ganz andere Anstrengungen machen als dieß von Seite Englands geschah. Allerdings beabsichtigte Lord Stair mit einer englisch-deutschen Armee in den Norden Frankreichs einzudringen und von dort auf Paris loszugehen. Aber es blieb eben nur bei dem Projecte; zu seiner Ausführung geschah nicht das Geringste, und das Heer, dem man eine so große Aufgabe zudachte, rührte troß der oft wiederholten Beschwörungen, welche Maria Theresia an die englische Regierung richtete, sich dennoch nicht, als es sich darum handelte, durch eine drohende Bewegung gegen Frankreich den Zug des Marschalls Maillebois nach Deutschland und die Befreiung der in Böhmen befindlichen Franzosen unmöglich zu machen.

Mit wachsender Besorgniß blickte man in Wien auf diese räthselhafte Unthätigkeit der Engländer, und Bartenstein erklärte zu wiederholten Malen, es liege darin der beste Beweis für seine Ansicht, daß England nichts Gutes im Schilde führe"). Dessen fortwährende Zögerung, zu Thaten zu schreiten, wurde von den hervorragendsten britischen Staatsmännern mit der Behauptung erklärt und beschönigt, auf die Verwirklichung des wider das Haus Bourbon gerichteten Planes werde nur dann zu rechnen sein, wenn das Bündniß wider dasselbe ansehnlich verstärkt werde. Außer Holland suchten sie auch noch den König von Preußen, ja den Kaiser selbst in die Allianz zu ziehen. Friedrich sollte durch die Aussicht, sich auf Polens Kosten zu vergrößern, der Kaiser aber durch die reichen Besißungen gewonnen

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