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Georg selbst für die Ueberlassung seiner hannoverschen Truppen bezahlte, noch einmal erneuert zu sehen, wenn nicht mit denselben endlich auch irgend etwas ausgerichtet wurde. Obgleich in ängstlicher Sorge für seine Regimenter dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen nicht unähnlich und daher jedem entscheidenden Schritte abhold, begriff doch selbst Georg II., daß jezt nicht länger gezaudert werden dürfe. Alsogleich erging an Lord Stair der Befehl, mit sämmtlichen in englischem Solde stehenden Streitkräften aus den Niederlanden nach Deutschland vorzurücken ").

Dem Könige von Preußen hatte die englische Regierung schon einmal unumwunden erklären lassen, er solle nicht glauben, mit einer Macht wie England sein Spiel treiben zu können"). Es war dieß zu der Zeit geschehen, als König Friedrich nach dem Abschlusse der Breslauer Präliminarien bei den Verhandlungen zur Herbeiführung des definitiven Friedens eine Haltung beobachtete, welche die Besorgniß erweckte, er könne eine Wiederholung des nach dem Vertrage von Kleinschnellendorf befolgten Verfahrens beabsichtigen. In ähnlichem Sinne sprach sich auch jest wieder die britische Regierung aus. Der König von England habe, so schrieb Lord Hyndford an Friedrich, Maria Theresia zu den beträchtlichen Abtretungen, zu denen sie in Folge der Vermittelung Englands sich herbeigelassen, nur durch die Zusage vermocht, ihr gegen jeden sonstigen Feind mit all seiner Macht Beistand zu leisten. Durch den Widerspruch gegen den Marsch der Truppen aus den Niederlanden nach Deutschland verhindere jedoch Friedrich die Erfüllung jener Zusage. Statt in Gemäßheit der von ihm gleichfalls übernommenen Verpflichtung jeden Nachtheil möglichst abzuwenden, mit welchem die Königin von einer anderen Macht bedroht werden könnte, würde er vielmehr die einzige Ursache ihres Unterganges sein "). England beabsichtigte keineswegs den Ruin des Kaisers, aber er selbst habe, noch ehe er zu jener Würde erhoben worden, französische Hülfstruppen herbeigerufen, um mit ihnen die Königin von Ungarn zu bekriegen. Wenn man Frankreich gestatte, unter dem Vorwande der Hülfeleistung an Baiern das Haus Desterreich zu Grunde zu richten, dann sei es auch um die Freiheit Deutschlands geschehen.

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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So günstig wie diese Erklärung lautete auch die Mittheilung Carterets über das baierische Vergleichsproject. So wie dem Freiherrn von Haßlang gegenüber, so sprach er es jetzt auch gegen Wasner aus, England werde der Königin von Ungarn fernere Abtretungen in Deutschland nimmermehr zumuthen. Und was die Niederlande angehe, so werde England eher die leßte Guinee opfern, als es zulassen, daß sie in Gefahr geriethen, an Frankreich zu fallen. Hinsichtlich der österreichischen Länder sei also die „Unvernunft und „Unausführbarkeit“ des baierischen Vorschlages ") ganz unbestreitbar.

In Bezug auf die Säcularisation der Bisthümer äußerte man sich in England den Bevollmächtigten Maria Theresia's gegenüber in gleichem Sinne. Der König selbst erklärte das ganze Project als „lächerlich und unwürdig, irgendwie beachtet zu werden")." Noch stärker waren die Ausdrücke, deren Lord Carteret sich hinsicht= lich desselben bediente "").

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Beide Nachrichten, die des Marsches der englischen Soldtruppen nach Deutschland und der Verwerfung der baierischen Vorschläge entsprachen vollständig den Wünschen der Königin und sie säumte nicht, der englischen Regierung ihren Dank dafür ausdrücken zu lassen. Auch über die kategorische Antwort, welche dem Könige von Preußen ertheilt worden, vermochte sie ihre Genugthuung nicht zu verbergen, denn sie war gerade damals durch die Nachricht, Friedrich beabsichtige sich der Wahl des Großherzogs von Toscana zum römischen Könige zu widerseßen "), neuerdings wider ihn aufgebracht. Aber die Ueberzeugung, die sie bald gewann, England sei dem Säcularisationsprojecte keineswegs so abgeneigt, wie man dort Wasner glauben zu machen sich bemühte, beunruhigte doch wieder Maria Theresia in hohem Grade. Niemals werde sie, so ließ sie in England erklären, zu einem so ungerechten und den Grundgeseßen des deutschen Reiches widersprechenden Verfahren “) ihre Zustimmung ertheilen. Auch durch den nun von Lord Carteret ausgehenden Vorschlag, Passau und die Hälfte des Erzbisthums Salzburg dem Hause Desterreich, die zweite Hälfte von Salzburg aber und andere Bisthümer dem Kaiser zu Theil werden zu lassen, ließ sich Maria Theresia nicht

födern, sondern sie wies ihn auf das Bestimmteste zurück. Doch er klärte sie nach wie vor nicht davon abgehen zu können, daß die ihr von England so oft wiederholte Zusage gewissenhaft erfüllt werde, ihr für die erlittenen Verluste reichlichen Ersaß zu verschaffen. Da sie nun selbst keineswegs darauf ausgehe, das kurfürstlich baierische Haus zu Grunde zu richten, sondern vielmehr zu einer Aussöhnung mit demselben immer bereit sei, so gebe es, um dieß zu bewerkstelligen, kein anderes Mittel, als auf dasjenige wieder zurückzukommen, was schon längst, und zwar zuerst von englischer Seite vorgeschlagen worden sei. Es bestehe in der Zurückeroberung der Länder, welche Frankreich dem deutschen Reiche entrissen habe “1).

Verschiedene Umstände traten ein, deren Zusammentreffen es zuzuschreiben ist, daß nach dem Wunsche Maria Theresia's die Verhandlungen fruchtlos blieben, und die Entscheidung der Gewalt der Waffen neuerdings überantwortet wurde.

Schon bei der ersten Mittheilung des in London vorgelegten baierischen Projectes hatte Lord Carteret den Bevollmächtigten Maria Theresia's auf die Vortheile aufmerksam gemacht, welche sich für die Sache des Hauses Desterreich aus der Bekanntmachung dieser Vorschläge würde erzielen lassen *2). Er selbst sandte sie nach dem Haag, um die Generalstaaten hiedurch zu entschiedenerem Auftreten wider Frankreich zu vermögen. Die Verbreitung in Deutschland wurde Desterreich überlassen, und sie brachte sowohl dort als in den Niederlanden eine außerordentliche Wirkung hervor. In Holland bekam die kriegerische Partei vollends die Oberhand, und die Republik schloß sich den wider Frankreich gerichteten Unternehmungen Englands und Desterreichs gleichfalls an. In Deutschland aber, insbesondere in dem südlichen Theile desselben, wo sich so Viele durch die Plane des eigenen Kaisers in ihren wohlerworbenen Rechten gefährdet sahen, erhob sich ein solcher Sturm wider ihn, daß Karl VII. endlich, um nicht seine getreuesten Anhänger zu verlieren, zu dem demüthigenden Mittel griff, es zu läugnen, daß der Vorschlag von im ausgegangen sei oder er demselben auch nur irgend wie beigestimmt habe.

Was König Friedrich von Preußen betraf, so fand er doch die Verhältnisse nicht darnach angethan, auf seiner früheren Drohung zu verharren und sich dem Einmarsche der britischen Soldtruppen aus den Niederlanden in Deutschland mit gewaffneter Hand zu widerseßen. Er behauptete darüber erstaunt zu sein, daß irgend Jemand in seinem Namen eine solche Erklärung abgegeben habe "3). Er erneuerte die Zusage, seine vertragsmäßigen Verpflichtungen pünktlichst erfüllen zu wollen "). Aber er arbeitete doch gleichzeitig an der Verwirklichung eines anderen Vorschlages, der darin bestand, im Verein mit einer Anzahl deutscher Fürsten zwischen Desterreich und Baiern nöthigenfalls mit den Waffen in der Hand eine Vermittlung zu Stande zu bringen.

Es war natürlich ganz unbestreitbar, daß eine solche Vermittlung, wenn sie von König Friedrich ausging, keineswegs eine unparteiische, sondern daß sie eine dem Kaiser günstige, dem Hause Desterreich aber höchst nachtheilige sein werde. Die Erklärung Friedrichs wurde daher troß seiner Betheuerungen nicht nur am Wiener Hofe, sondern auch in England als ein Act der Feindseligkeit wider Maria Theresia angesehen "). Beide Cabinete bemühten sich, den König zu überzeugen, daß er auch durch diesen Schritt wieder den Verpflichtungen entgegen handle, welche er durch den Friedensvertrag übernommen habe.

Lord Hyndford erklärte dem Minister Podewils, daß wenn man das deutsche Reich zum Schiedsrichter machen wolle über die Anforderungen Baierns, dasselbe vorerst darüber entscheiden müsse, ob es seine eigene Gewährleistung der pragmatischen Sanktion als rechtskräftig ansehe oder nicht. Sei das Erstere der Fall, dann müßten die Rechte des Königs von Preußen auf Schlesien geprüft und ein Urtheil darüber gefällt werden, ob Maria Theresia dieses Land ohne die Dazwischenkunft des deutschen Reiches habe abtreten können und dürfen **).

Nichts verfehlte weniger einen gewissen Eindruck auf den König von Preußen hervorzubringen, als wenn man ihm die Möglichkeit

zeigte, in irgend einer Weise Schlesiens wieder verlustig zu werden. Daher blieben Hyndfords Erklärungen und die Bemerkung des Grafen Nichecourt, welcher nun Maria Theresia am Berliner Hofe vertrat: es könne für Friedrich selbst nur höchst wünschenswerth sein, wenn der Königin von Ungarn eine angemessene Schadloshaltung für den Verlust Schlesiens zu Theil würde, indem darin eine Befestigung Preußens im Besiße dieses Landes gelegen sei, nicht ohne Wirkung.

Obgleich mit dem Anschein lebhaften Widerwillens, kam doch Friedrich von dem Gedanken einer bewaffneten Vermittlung des deutschen Reiches mehr und mehr zurück. Die Wiedereröffnung des Kampfes stand um so gewisser bevor, als auch Frankreich, wo Cardinal Fleury am 29. Jänner 1743 gestorben war, nicht mehr um den Frieden bettelte, sondern mit größerer Energie als zuvor zur Fortsetzung des Krieges sich rüstete.

Der Marsch des Heeres aus den Niederlanden nach Deutschland muß als die erste Angriffsbewegung im Feldzuge des Jahres 1743 angesehen werden. Die hannoverschen Truppen eröffneten den Marsch, indem sie zu Ende des Monates Februar bei Ruremonde über die Maas gingen und in dem Herzogthume Jülich einrückten. Ihnen folgten die englischen Regimenter, acht zu Fuß und sechs zu Pferd, dann die österreichischen Streitkräfte, welche zwanzigtausend Mann zählten. Sie standen unter dem Befehle des Her3093 von Aremberg; das ganze Heer aber, welches den Namen der pragmatischen Armee annahm, um dadurch den Zweck recht klar zu machen, für welchen es ins Feld zog, wurde von Lord Stair commandirt. Die Gesammtstärke dieser Armee belief sich gegen sechzigtausend Mann. So langsam waren jedoch ihre Bewegungen, daß sie erst in der Hälfte des Monates April zu Andernach und Neuwied über den Rhein ging. Den ganzen Mai hindurch blieb fie regungslos um Mainz und Frankfurt stehen, keinen einzigen Zwed erreichend, als daß dadurch eine ungefähr gleich große Anzahl französischer Streitkräfte in Schach gehalten wurde.

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