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Wiens im vollsten Maße getheilt 41); in Baiern aber ward durch die Nachricht von Törrings Unfall die Angst noch gesteigert, welche daselbst schon herrschte. Niemals hatte man dort die Unternehmung des Kurfürsten gegen Desterreich gebilligt, und selbst seine anfänglichen Erfolge vermochten nicht größeres Vertrauen auf das endliche Gelingen zu erwecken. Es waren ja noch viele Tausende am Leben, welche den Einfall des Kurfürsten Maximilian Emanuel in Oberösterreich und Tirol, dann aber auch die Eroberung Baierns durch die Desterreicher und die Vertreibung des Kurfürsten aus seinem Heimathslande mit angesehen hatten. Sie sagten seinem Sohne und Nach= folger das gleiche Schicksal vorher. Die freudigen Berichte von den glänzenden Fortschritten seiner Waffen 42) vermochten sie ebensowenig in dieser Meinung irre zu machen als die Nachricht, der Kurfürst sei nahe daran, seinen sehnlichsten Wunsch, das Ziel seines Ehrgeizes zu erreichen und zum deutschen Kaiser gewählt zu werden.

Von Prag hatte sich Karl Albrecht nach Dresden begeben, um dort mit seinem neuen Verbündeten, dem Könige August von Polen, eine Zusammenkunft zu halten. Ueber Regensburg eilte er dann nach München; er verweilte jedoch nur kurze Zeit daselbst. Statt für den Schuß seines Landes und seiner Hauptstadt gegen die herandringenden österreichischen Streitkräfte persönlich Sorge zu tragen, begab sich Karl Albrecht nach Mannheim. Er wollte es nicht versäumen, den verschwenderischen Festlichkeiten beizuwohnen, welche aus Anlaß der Vermählung seines Bruders Clemens und des jungen Fürsten Karl Theodor von Sulzbach mit zwei pfälzischen Prinzessinnen von dem greisen Kurfürsten Karl Philipp veranstaltet wurden.

Nebst seiner leichtsinnigen Vergnügungssucht bewog den Kurfürsten von Baiern hiezu wohl auch die Absicht, Frankfurt näher zu sein. Hier tagten ja schon Monate hindurch die Wahlbotschafter der deutschen Kurfürsten, und seit dem feierlichen Einzuge des Reichserzkanzlers Kurfürsten von Mainz war die Wahlverhandlung endlich auch officiell eröffnet worden. Der erste Schritt des Kurfürsten von Mainz bestand darin, daß er, obgleich früher dem Hause Desterreich mit anscheinend großer Ergebenheit zugethan, jeßt dem von Maria

Theresia nach Frankfurt entsendeten Wahlbotschafter Freiherrn von Prandau die Ausschließung der böhmischen Kurstimme von dem Wahlgeschäfte ankündigen ließ. So auffallende Sinnesänderung war selbst in den ehemaligen Anhängern Desterreichs durch das Waffenglück seiner Feinde herbeigeführt worden.

Troß der Protestation des Freiherrn von Prandau fand doch am 4. November 1741 die erste Conferenz der Wahlbotschafter ohne seine Zuziehung statt. In derselben wurde mit Beistimmung Aller, den Bevollmächtigten des Kurfürsten von Trier allein ausgenommen, der Beschluß gefaßt, bei der bevorstehenden Wahl die Stimme Böhmens ruhen zu lassen. Ja man ging noch weiter und auf Andringen Baierns und Brandenburgs, welchen Mainz, Sachsen und die Pfalz sich anschlossen, wurde der Reichserbmarschall Graf Pappenheim angewiesen, den Freiherrn von Prandau aus der von ihm kraft seiner Würde eingenommenen Wohnung zu entfernen.

Prandau ließ es jedoch auf eine Gewaltthat nicht ankommen. Er begab sich schon am 5. November nach Hanau, wo er im Na= men seiner königlichen Herrin gegen den ganzen Vorgang und die Gültigkeit einer unter Beobachtung desselben vorzunehmenden Wahl feierlichen Protest erhob. Er vermochte jedoch nicht dadurch zu hindern, daß das Wahlgeschäft seinen gewöhnlichen Gang nahm, durch nichts so sehr als durch endlose Streitigkeiten über das zu beobachtende Ceremoniell verzögert. Denn derlei Dingen legte man damals die außerordentlichste Wichtigkeit bei und gerade in ihnen trat die Demüthigung der deutschen Fürsten, insbesondere des Kurfürsten von Mainz, vor dem französischen Wahlbotschafter Belleisle recht grell zu Tage.

Eine etwas größere Regsamkeit machte sich bemerkbar, als der Kurfürst von Köln in Frankfurt erschien, um persönlich an der Erwählung seines Bruders Antheil zu nehmen; insbesondere aber als die Nachricht von dem Einmarsche Khevenhüllers in Oberösterreich und von der Gefahr, mit welcher er Baiern bedrohte, nach Frankfurt gelangte. Andererseits verfehlte diese Kunde auch nicht, denjenigen größere Behutsamkeit einzuflößen, welche bis jeßt, so lange sie die

Eache Maria Theresia's völlig verloren glaubten, ohne die mindeste Rücksicht auf sie und ihr Haus vorgegangen waren. Darum wurde wenigstens der Antrag des Kurfürsten von Baiern, im Eingange zur Wahlcapitulation ihn als König von Böhmen und Erzherzog von Desterreich anzuerkennen, beinahe einstimmig abgelehnt. Karl Albrecht selbst aber, welcher nicht anders denn als König von Böhmen bei der Wahl erscheinen wollte, hielt sich von derselben entfernt, und sie wurde ohne seine Gegenwart am 24. Jänner 1742 vollzogen. Sieben Tage später hielt Karl Albrecht seinen Einzug in Frankfurt, und am 12. Februar wurde er als Kaiser Karl VII. feierlich gekrönt 43).

Maria Theresia hatte sich bei diesen Vorgängen in Frankfurt keineswegs passiv verhalten. Nachdem sie den Freiherrn von Prandau nach Wien berufen, ließ sie eine vornehmlich wider den Kurfürsten von Mainz gerichtete Schrift veröffentlichen, in welcher dessen Benehmen einer scharfen Kritik unterzogen und das Recht der Königin zur Führung der böhmischen Kurstimme neuerdings dargethan wurde. In einem an alle Reichsstände gerichteten Schreiben vom 3. Jänner 1742 erklärte Maria Theresia, die Wahl anerkennen zu wollen, wie sie auch immer ausfallen möge, wenn sie nur frei sei und nach den Vorschriften der goldenen Bulle, somit ohne AusschlieBung Böhmens und erst nach Wiederherstellung der inneren Ruhe im Reiche vorgenommen werde. Und als demungeachtet die Wahl vollzogen wurde, ohne daß diese Bedingungen beobachtet worden wären, da wurde dieselbe von Maria Theresia nochmals und ausdrücklich als null und nichtig erklärt.

Eine weitaus größere Wirkung als durch diese Protestationen erzielte jedoch Maria Theresia durch die siegreichen Fortschritte ihrer Waffen in Baiern. Schon am Tage der Wahl des neuen Kaisers hatte sich Passau, und wenige Stunden später das dortige Schloß Oberhaus an Bernklau ergeben. Dieser seßte sich dadurch am Jnn fest, und beseitigte jeden Widerstand, welcher dem Einmarsche des Hauptcorps unter Khevenhüller in Baiern etwa hätte entgegengestellt werden können. Ein solcher wurde denn auch gar nicht versucht. Am

30. Jänner, demselben Tage, an welchem der Großherzog, von Maria Theresia nach Wien zurückberufen, sich dorthin begab, ging Khevenhüller nach Passau. Braunau und Burghausen wurden von seinen Truppen beseßt. Trend nahm Deggendorf, Bernklau aber drang bis Landshut vor, schlug die ihm von Törring entgegengeführten baierischen Streitkräfte neuerdings und zwang sie, sich nach Ingolstadt zu werfen. Fünfhundert Husaren unter Oberstlieutenant Szilagy wurden gegen die tirolische Grenze gesendet, um die Verbindung mit dem Feldmarschall-Lieutenant Freiherrn von Stentsch herzustellen. Lezterer drang am 12. Februar, dem Tage der Krönung des neuen Kaisers, mit den in Tirol gesammelten Streitkräften in Baiern ein. Auch er fand nirgends Widerstand. Die wenigen Schaaren bewaffneten Landvolkes, welche man aufzubringen vermocht hatte, zerstreuten sich beim Herannahen der Desterreicher. Traunstein und Rosenheim wurden von ihnen beseßt. Gleichzeitig zog auf Khevenhüllers Befehl Oberstlieutenant Menzel mit seinen Reitern gegen die Hauptstadt München.

Ganz unsäglich war die Verwirrung, welche seit dem Einmarsche der Desterreicher in Baiern und seit der Abreise Karl Albrechts in München herrschte. Die baierischen Prinzessinnen nicht allein, sondern alle Personen, welche die Hauptstadt verlassen konnten, flüchteten nach den nahe liegenden reichsunmittelbaren Städten, welche nach Maria Theresia's Willen von jeder Feindseligkeit verschont bleiben sollten. Kostbarkeiten und Habseligkeiten aller Art wurden dorthin geschleppt. München selbst aber ergab sich, sobald Menzel vor dessen Thoren erschien. Die Sicherheit der Personen wurde gewährleistet, die Residenz und die Stadt verschont, das Eigenthum des Staates und der Privaten respectirt, die Landesverfassung aufrecht erhalten. Die Kriegssteuer, zu deren Bezahlung die Stadt sich verpflichtete, betrug fünfzigtausend Gulden.

In Landshut nahm nun Khevenhüller sein Hauptquartier. Er traf alle Anstalten, sich in dem neu eroberten Lande festzusehen. Die Bewohner wurden entwaffnet, die von ihnen angelegten Blockhäuser und Verschanzungen zerstört, die festen Punkte aber, welche von den Desterreichern beseßt waren, in Vertheidigungszustand gebracht. Außer

dem bemühte Khevenhüller sich neuerdings den Ausschweisungen zu steuern, welche von einem Theile seiner Truppen, insbesondere aber den ungarischen Insurrectionssoldaten und den Freischaaren Trends und Menzels troß Maria Theresia's deutlich ausgesprochenem Willen und Khevenhüllers wiederholtem Befehle überall im Lande verübt wurden.

Darum erneuerte die Königin selbst die Anordnung, die Soldaten hätten sich jeder Erpressung, jeder nicht gerechtfertigten Anforderung zu enthalten. In der „ihr angestammten österreichischen Milde" wolle sie nicht, erklärte Maria Theresia, daß ihre Truppen sich in Feindes Land ähnliche Gewaltthaten zu Schulden kommen ließen, wie sie von ihren Gegnern in den österreichischen Provinzen vollbracht worden seien 44).

Khevenhüller selbst war von den gleichen Gesinnungen der Menschlichkeit beseelt. Wiederholte und strenge Befehle ergingen an die Truppen, von nun an jeden Uebergriff, jede Mißhandlung der Einwohner zu vermeiden. Um auch den Vorwand hiezu ganz zu beseitigen, wurde festgeseßt was Officier und Soldat verlangen durften. Ein Mehreres zu begehren, wurde streng untersagt; die willkürlich erhobenen Gelder mußten an die Kriegskaffe abgeführt werden; neue Erpressungen sollten durchaus nicht mehr geschehen. Um die ungeberdigsten unter seinen Truppen, insbesondere die der ungarischen Insurrection im Zaume zu halten, welche nicht selten durch die Begierde nach reicher Beute zum Aufbruche aus ihrem Vaterlande vermocht worden waren 45) und sich daher gleichsam als berechtigt ansahen zu Raub und Plünderung jeder Art, bat Khevenhüller um einen tüchtigen General ihrer Nationalität, und bezeichnete hiezu Nadasdy und Trips als besonders geeignet 46). Und als dem Feldmarschall von Seite des Wiener Hofkriegsrathes der Wunsch ausgesprochen wurde, er möge, wie es die Preußen in Schlesien, Böhmen und Mähren ge= than, als Repressalie dafür Leute gewaltsam zum Kriegsdienste wegnehmen, da erklärte er sich mit Entschiedenheit gegen eine solche Maßregel. Dieselbe sei auch, schrieb er nach Wien, von Seite des Kurfürsten von Baiern in österreichischen Landen nicht angeordnet worden.

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