Page images
PDF
EPUB

von Kaiser Joseph I. für Böhmen, Mähren und Schlesien erlassene, gewöhnlich nach seinem Namen genannte Halsgerichtsordnung anzusehen. Ihren Bestimmungen zufolge mußte bei Majestätsverbrechen, Rebellion und Landesverrath allzeit auf die Todesstrafe erkannt wer den. Doch war das Urtheil vor seiner Vollstreckung dem Monarchen vorzulegen.

Außerdem ist hier auch noch auf die Vorschrift aufmerksam zu machen, welche offenbar im Hinblick auf die Ereignisse in Böhmen und gewissermaßen zur Ergänzung der bisherigen gefeßlichen Anordnungen Maria Theresia am 6. März 1743 erließ 2). In derselben wird vorerst zwischen feindlichen Unterthanen, welche auf österreichischem Boden Güter besißen, und den eigenen in Untreue befangenen Staatsangehörigen streng unterschieden. Was die Ersteren betraf, so durfte die Bestrafung sich nicht weiter als auf Einziehung ihrer Güter erstrecken, und so wurde denn auch über die Besitzungen der Herzogin Leopoldine Eleonore, Witwe des Herzogs Ferdinand von Baiern, sowie über diejenigen der Fürstin Maria Anna von Fürstenberg, geborenen Gräfin Waldstein, der Grafen Maximilian Törring und Johann Georg von Königsfeld wenigstens die Sequestration verhängt. Hinsichtlich der eigenen Unterthanen wurde neuerdings zwischen denjenigen unterschieden, welche durch höhere Gewalt zur Untreue getrieben wurden, oder die sich ihrer freiwillig schuldig machten. Die Ersteren sollten nicht als untreu angesehen werden und somit straflos sein; nur gegen die Leßteren durfte eine Strafe verhängt werden, welche über die Einziehung der Güter hinausging.

Was nun die Beschuldigten der leßteren Kategorie betrifft, so soll unter ihnen in erster Linie Graf Heinrich Mannsfeld genannt werden, welcher sich nach Frankfurt zur Kaiserkrönung begeben und die Stelle eines Botschafters in Rom angesucht und erhalten hatte. Außerdem wurde von ihm behauptet, er habe bei öffentlichen Festen das französische Feldzeichen, eine weiße Schleife getragen, sich um die Verleihung eines französischen Regimentes beworben, den Ausfällen der Belagerten aus Prag zu wiederholten Malen beigewohnt und bei dem einen derselben, als die österreichischen Truppen die Flucht er

griffen, in schimpflicher Weise von ihnen geredet. Endlich sei er aus dem ihm auferlegten Hausarreste zu Prag entwichen und nach dem Auslande geflohen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen und den Feind mit verläßlichen Nachrichten aus Böhmen zu versehen.

Der Umstand, daß Graf Mannsfeld freiwillig zurückkehrte und in seiner vorigen Haft sich einfand, scheint seiner Sache eine überraschend günstige Wendung gegeben zu haben. Nachdem er die wider ihn vorgebrachten Beschuldigungen wenigstens theilweise in Abrede stelle und sie auch sonst nicht bewiesen werden könnten, hieß es in dem Berichte der Untersuchungscommission, scheine er mehr aus Leichtsinn als aus bösem Willen gefehlt zu haben. Außerdem zeige er sich voll Unterwürfigkeit, von welcher ja auch seine freiwillige Rückkehr den sprechendsten Beweis liefere. Er gebe die besten Vorsäge kund, und es wäre ihm somit nur ein nachdrücklicher Verweis zu ertheilen und der ausgestandene Arrest als Strafe anzurechnen 3°).

Die verwitwete Gräfin Maria Auguste von Kinsky, geborene Gräfin Palffy hatte sich alsbald der französisch-baierischen Partei zugewendet, nach der Umschließung Prags die Sendung eines Boten durch das österreichische Lager bewerkstelligt, dann selbst die Stadt verlassen und sich mit ihren Kindern nach Frankfurt geflüchtet. Hier trat sie in die Dienste des kurfürstlichen Hauses und erkannte Karl Albrecht schriftlich und mündlich als ihren rechtmäßigen Herrn und König. Auf die Aufforderung zur Rückkehr sandte sie zwar ihre Kinder nach Böhmen, sie selbst aber blieb im Dienste des Feindes. Darum wurde sie nun zum Verluste des ihr persönlich gehörigen Vermögens und zu immerwährender Ausschließung aus Böhmen verurtheilt1).

Johann Ferdinand Freiherr von Wunschwiß, früher Hauptmann des Prachiner Kreises, hatte nach der Einnahme Prags durch den Kurfürsten von Baiern seinen Posten verlassen, obwohl die dortige Gegend noch größtentheils von österreichischen Truppen besett

war.

Dann bewarb er sich um die Stelle eines Stadthauptmanns der Neustadt und erhielt sie. Seinen ältesten Sohn verleitete er, den

österreichischen Kriegsdienst mit demjenigen Baierns zu vertauschen. Auch ein anderer Sohn des Freiherrn von Wunschwig befand sich noch fortan in baierischen Diensten, und er selbst gab der an ihn ergangenen Aufforderung zur Rückkehr keine Folge. Auch er sollte seine Stelle so wie sein Vermögen verlieren und für immerwährende Zeiten aus Böhmen verbannt sein 32).

Franz Wenzel Graf Wrtby und sein ältester Sohn Johann Joseph, welch Letterer sich in die nächste Umgebung des Kurfürsten gedrängt und ihn nach Frankfurt begleitet hatte, wurden zu einer gemeinschaftlichen Geldbuße von hunderttausend Gulden verurtheilt. Der jüngere Wrtby wurde noch außerdem vom Appellationsgerichte ausgeschlossen, welchem er zuvor angehörte. Denn er hatte dieses Tribunal freiwillig verlassen, indem ihm vom Kurfürsten die Be= förderung zum Beisiter des größeren Landrechtes zu Theil gewor den war.

Wenn von Geldstrafen die Rede ist, so mag hier auch der Prager Judenschaft gedacht werden, obwohl nicht ersichtlich ist, ob gegen dieselbe im Allgemeinen oder gegen einzelne hervorragende Individuen eine gerichtliche Untersuchung gepflogen wurde. Nur so viel ist gewiß, daß man sowohl die Juden zu Prag als im ganzen Lande einer höchst feindseligen Haltung wider die österreichische Herrschaft und einer lebhaften Parteinahme für die Franzosen und Baiern beschuldigte. Es mag wohl sein, daß ihnen damit Unrecht geschah. Bei der den Juden ohnedieß wenig günstigen Stimmung der Königin fand sich jedoch Niemand, der ihrer sich angenommen hätte. Mit einem sogenannten freiwilligen Geschenke, welches jedoch alle Anzeichen einer Geldstrafe an sich trug und sich auf nicht weniger als hundert und fünfzigtausend Gulden belief, kaufte die Judenschaft von strengerer Ahndung sich los.

Auch dem Grafen Franz Wenzel Bubna wurde eine Geldstrafe auferlegt. Er war angeklagt, seinen beiden Söhnen den Eintritt in den baierischen Kriegsdienst, in welchem sie sich noch fortwährend befanden, gestattet zu haben. Er selbst mußte eine Summe von fünfzigtausend Gulden bezahlen). Seine Söhne aber, Casimir Ferdi

nand und Franz Werzel, welche der Aufforderung zur Rückkehr nicht nachkamen und nach wie vor in baierischen Kriegsdiensten blieben, wurden verurtheilt, aus der Landtafel gelöscht, aller Ehren entsegt und im Falle ihrer Betretung mit dem Schwerte hingerichtet zu werden").

Es scheint jedoch nicht, daß dieses Urtheil die Bestätigung Maria Theresia's jemals erlangt habe. Die Königin trug vielmehr dem Gerichte auf, das Alter anzugeben, in welchem die Grafen Bubna zur Zeit ihres Eintrittes in baierische Kriegsdienste gestanden

Der Aeltere zählte damals zwei und zwanzig, der Jüngere aber erst sechzehn Jahre. Nach Abschluß des Aachner Friedens, mit Defret vom 3. Oktober 1748 wurde beiden Brüdern die Rückkehr nach Prag gestattet; am Hoflager durften sie jedoch nicht erscheinen 35).

Das gleiche Urtheil wie gegen die Brüder Bubna wurde von dem Tribunale auch wider Martin Michna Freiherrn von Weißenau und gegen Franz Ferdinand Nowohradsky Grafen von Kolowrat gefällt. Der Erstere hatte gleichfalls baierische Kriegsdienste genommen und war auf die ergangene Aufforderung nicht zurückgekehrt3), der Lettere aber galt als einer der eifrigsten Anhänger des Kurfürsten und der erbittertsten Gegner des Hauses Desterreich. Es wurde allgemein behauptet und troß seines Widerspruchs vom Gerichte als wahr angenommen, er habe von der Königin an öffentlicher Tafel in so empörender Weise gesprochen, daß ihn ein kriegsgefangener öfterreichischer Officier hiefür durch körperliche Züchtigung bestrafte. Dem Kurfürsten war er nach München und Frankfurt gefolgt. Er hatte ihm bei den auf Böhmen bezüglichen Geschäften, insbesondere bei der Ausschreibung und Einbringung der Contributionen eifrige Dienste geleistet und war der ergangenen Aufforderung zur Rückkehr nicht nachgekommen. Selbst in seiner Rechtfertigungsschrift sprach er von Karl Albrecht mit Ausdrücken, welche deutlich bewiesen, daß er ihn nach wie vor als König und Herrn von Böhmen erkenne37). Aus all diesen Gründen wurde für ihn die Todesstrafe, die Löschung aus der Landtafel und der Verlust seines Allodialvermögens vom Gerichte beantragt ""); eine Bestätigung des Urtheils von Seite der Königin

liegt jedoch gleichfalls nicht vor. Wohl aber ließ sie der Gräfin Kolowrat, geborenen Gräfin Czernin, welche mit ihren Kindern freiwillig nach Böhmen zurückgekehrt war, in Anbetracht dieses Schrittes und insbesondere wegen der Treue, welche ihre Mutter während der Kriegsereignisse bewiesen hatte, jährlich zweitausend Gulden aus dem Erträgnisse der mit Beschlag belegten Güter ihres Gatten verabfolgen **).

Es mag hier der Ort sein, auch der Grafen Johann Karl und Wenzel Lazanzky zu gedenken. Beide nahmen bei dem Kurfürsten Kriegsdienste gegen Maria Theresia, und der Eine der Brüder, Wenzel Lazanzky, ging sogar so weit, ein Husarenregiment zum Kampfe gegen seine rechtmäßige Königin zu errichten. Sie wurden Beide zur Verantwortung vorgeladen; über ihre etwaige Vertheidigung und Verurtheilung ist jedoch nichts bekannt.

Die in jeder Beziehung hervorragendste Persönlichkeit unter denen, welche Böhmen verlassen und der Vorladung des Gerichtes keine Folge gegeben hatten, war Johann Wenzel Graf Kaiserstein, unter Karl Albrecht zum Obersten Hofkanzler des Königreiches Böhmen ernannt. Die Anklage wider ihn lautete dahin, daß er troß der Stelle eines General-Landeskriegscommissärs, welche er unter Maria Theresia bekleidete, sich unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit von dem Feinde habe gefangen nehmen und nach Prag bringen lassen. Dort habe er sich sogleich zum Kurfürsten verfügt, fast täglich an seiner Tafel gespeist, bei der Huldigung die Stelle eines Obersten Kanzlers versehen und sie bald auch wirklich erhalten. Er sei dem Kurfürsten nach München und Frankfurt gefolgt, dann aber wieder nach Brag zurückgekehrt und habe nach Kräften alles gethan, dem Feinde zu dienen, der Königin zu schaden, das Land aber durch unerschwingliche Belastung zu Grunde zu richten. Bei der Annäherung der österreichischen Truppen habe er sich zum Feinde geflüchtet und der Aufforderung zur Rückkehr nicht Folge gegeben. Auch über ihn wurde die Löschung seines Namens und Standes aus der Landtafel, der Verlust aller Ehren und seines Vermögens, für den Fall der Betretung in Böhmen aber die Hinrichtung mit dem Schwerte verhängt "").

« PreviousContinue »