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Die Hauptabsicht all dieser Bewegungen bestand offenbar darin, sich vorerst Baierns wieder zu bemächtigen, um dem alten Plane getreu das Pfand zu besigen, welches wenigstens theilweise zur Schadloshaltung Maria Theresia's für den Verlust Schlesiens dienen sollte. Deshalb wandte sich Prinz Karl jest wieder gegen die Baiern, welche noch immer Braunau beseßt hielten, sich sogar Rosenheims bemächtigt hatten und nun mit ihrer Hauptmacht unter Seckendorff bei Landshut standen. Bei der Annäherung der Desterreicher wich Seckendorff von Landshut gegen Ingolstadt zurück. Der Kaiser verließ neuerdings München und begab sich vorerst nach Augsburg. Seine Hauptstadt wurde am 9. Juni von Bernklau beseßt; ein Gemisch von französischen, baierischen und hessischen Truppen, zusammen ungefähr tausend Mann zählend, wurde friegsgefangen und eine große Menge von Vorräthen die Beute der Desterreicher. Am 12. Juni erschienen dieselben vor Friedberg, eine Stunde von Augsburg entfernt, wo zwei baierische Bataillone und dreihundert Reiter standen. Der Ort wurde umringt und Tags darauf ergab sich die ganze Besaßung, fast dreizehnhundert Mann zählend, als kriegsgefangen.

Ihr Commandant war jener böhmische Graf Wenzel Lazanzky, welcher im Dienste des Kaisers ein Husarenregiment errichtet hatte, um an der Spiße desselben gegen Maria Theresia zu fechten. In gleichzeitigen Schriften wird die Vermuthung geäußert, er habe nur darum so schnell die Waffen gestreckt, um desto leichter von der Königin Verzeihung zu erlangen. Eine Bestätigung dieser Muthmaßung ist jedoch nirgends zu finden. Ihr widerspricht der Umstand, daß als Lazanzky durch Linz gebracht wurde, wo Maria Theresia sich damals befand, seine Bitte, sich der Monarchin zu Füßen werfen zu dürfen, zurückgewiesen wurde. Ueber Lazanzky's ferneres Schicksal ist bisher nichts bekannt geworden.

Nicht minder glücklich als gegen die Baiern waren die Desterreicher wider den gefährlichsten Feind, der ihnen gegenüber stand, den Marschall Broglie. Zuerst verließ er Straubing, jedoch nicht ohne eine Besaßung daselbst zurückzulassen, dann Regensburg, und am 15. Juni traf er zu Ingolstadt ein. Tags zuvor waren bei Donauwerth die

französischen Streitkräfte angelangt, welche in einer Stärke von zwölf Bataillonen und zehn Schwadronen zur Verstärkung Broglie's herbeizogen. Seckendorff nahm eine Stellung bei Rain, unfern von dem Punkte, wo der Lech sich in die Donau ergießt.

Der Kaiser hoffte darauf, Broglie werde mit der jet concentrirten Streitmacht wieder die Offensive ergreifen und vor Allem Straubing zu retten suchen. Aber Broglie schien an nichts mehr zu denken als sich an den Main und den Rhein zurückzuziehen. Am 21. Juni verließ er Ingolstadt, wo ebenfalls eine französische Besatzung zurückblieb, und gelangte in zwei Tagen nach Donauwerth. Von hier aus erklärte er dem Kaiser, daß er mit dem gesammten französischen Heere den Rückmarsch anzutreten gedenke.

Die Bewegungen Broglie's nöthigten Seckendorff, seine Stellung bei Rain zu verlassen und gleichfalls nach Donauwerth zu ziehen. Als jedoch Broglie hier verlangte, die baierischen Truppen sollten den rückgängigen Bewegungen des französischen Heeres folgen, da endlich erkannte der unglückliche Kaiser, daß sein mächtigster Bundesgenosse ihn verlasse. In gerechter Entrüstung über das Benehmen des französischen Feldherrn erklärte er, seine Truppen von dem Heere Frankreichs zu trennen. Geheime Eröffnungen des Königs von England ließen ihn hoffen, daß er jeßt mehr von großmüthigen Gegnern als von treulosen Freunden zu erwarten habe. Seckendorff erhielt den Auftrag, mit dem Prinzen Karl von Lothringen in directe Verhandlungen zu treten.

Am 26. Juni 1743 traf im österreichischen Feldlager zu Rain das Schreiben Seckendorffs ein, in welchem er dem Prinzen von Lothringen die Absichten des Kaisers eröffnete. Derselbe gedenke durchaus nicht die Bewegungen des österreichischen Heeres irgendwie zu hemmen. Er wolle sich vielmehr nach Franken zurückziehen und dort als Teilnehmer an der Neutralität des deutschen Reiches sich jeder Feindseligkeit enthalten. Er erwarte, daß man auch seinen Truppen die gleiche Behandlung zu Theil werden lasse. Zu näherer Verstän

digung über die einzelnen Punkte bitte Eeckendorff um eine Zusammenkunft mit Karl von Lothringen.

Es mag sein, daß der Prinz seinem Range als Schwager der Königin von Ungarn etwas zu vergeben besorgte, wenn er mit einem Manne in Unterhandlung trat, der sich noch vor kurzem in ihren Diensten befunden hatte. Noch wahrscheinlicher ist es, daß er be fürchtete, von Seckendorff überlistet zu werden, indem der greise Feldmarschall ja allgemein in dem Rufe durchtriebenster Schlauheit stand. Prinz Karl bat Khevenhüller, an seiner Stelle mit Eeckendorff zu unterhandeln.

Am 27. Juni fand zwischen den beiden Feldmarschällen die Zusammenkunft im Kloster zu Niederschönfeld, ganz nahe bei Nain statt. Troß ihrer alten und tief eingewurzelten Feindschaft überhäuften sie sich doch mit Artigkeiten. Da Khevenhüller es abschlug, von Karl Albrecht als Kaiser zu sprechen, indem Maria Theresia seine Wahl als ungültig anjehe, bedienten sie sich der Ausdrücke Desterreich und Baiern. Aus sieben Punkten bestanden die Vorschläge Seckendorffs. Braunau, Straubing und Reichenhall sollten gegen freien Abzug der Besaßung geräumt werden; doch würden die Truppen, die sich in Braunau befanden, aufgelöst, in ihre Heimath geschickt und verpflichtet werden, ein Jahr lang nicht gegen die Königin zu dienen. Ingolstadt sollten die Franzosen verlassen, je doch statt ihrer nicht österreichische, sondern baierische Truppen in die Festung gelegt werden. Auch Donauwerth hätte den Baiern zu verbleiben; doch werde es den Desterreichern zum Durchzuge geöffnet sein. Die Feindseligkeiten zwischen den beiderseitigen Streitkräften sollten beendigt und Vorkehrungen getroffen werden, einen etwaigen Zusammenstoß zu verhindern.

Prinz Karl war offenbar mit dem Inhalte der Vorschläge Seckendorffs äußerst zufrieden. Die Capitulation laute nicht anders, schrieb er seinem Bruder, als wenn die baierischen Streitkräfte sich in einer belagerten Festung hätten ergeben müssen. Der Hauptvortheil aber liege darin, daß er von nun an all seine Streitkräfte ungehindert gegen die Franzosen verwenden könne *). Doch ging er nicht

weiter, als daß er die ersten drei Punkte, die Räumung von Braunau, Straubing und Reichenhall zugestand. Die Annahme der übrigen Vorschläge Seckendorffs wurde dem Entschlusse der Königin vorbehalten.

In Wien sah man die Sache doch anders an, als dieß von Seite des Prinzen von Lothringen geschah. Vorerst mißtraute man dem Unterhändler Seckendorff im höchsten Maße, und Maria Theresia meinte, es wäre besser gewesen, wenn die Unterredung mit einem „so gefährlichen Manne“ völlig unterblieben wäre). Es sei flar, daß derselben nur die Absicht zu Grunde liege, Baiern, welches Karl Albrecht nicht mit den Waffen in der Hand zu behaupten vermocht habe, durch eine mit Hinterlist begonnene und geführte Verhandlung wieder zu erlangen. Man dürfe wohl mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, daß der ganze Vorschlag hauptsächlich auf Antrieb des Königs von Preußen geschehen sei. Wahrscheinlich gehe man darauf aus, durch abgesonderte Unterhandlungen die Eintracht der Verbündeten zu stören, sie gegen einander mißtrauisch zu machen und zu entzweien. Darum habe die Königin gleich nach dem Eintreffen der Nachricht von der Zusammenkunft in Niederschönfeld die Anträge Seckendorffs dem englischen Gesandten Robinson mitgetheilt und daran die Versicherung geknüpft, sie werde sich ohne die Beistimmung des Königs von England zu keinerlei Zugeständnissen herbeilassen.

Was die Sache selbst anging, erklärte Maria Theresia, gegen die von Prinz Karl bewilligten drei ersten Punkte auch ihrerseits keinen Anstand erheben zu wollen. Um so mehr war dieß hinsichtlich des auf Ingolstadt bezüglichen Vorschlages der Fall. Er laufe nur darauf hinaus, behauptete die Königin, die französische Besatzung zu retten und die Hauptfestung Baierns, mit ihr aber den Eingang in das Land in den Händen Karl Albrechts zu lassen. Da sie mit dem Lesteren sich im Kriege befinde, so müsse sie seine Truppen überall als Feinde ansehen und behandeln, wenn sie gleich gegen seine eigene Berson auf dem Boden des deutschen Reiches nichts zu unternehmen. gedenke. Sollte Seckendorff sich mit der Genehmigung der drei ersten Vertragspunkte allein nicht zufrieden geben, so sei die ganze Verhandlung als ungeschehen zu betrachten. Braunau könnte sich ohnehin nicht

Arneth, Maria Theresia. Bo. II.

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lang mehr halten und sein Fall müsse den von Reichenhall nach sich ziehen.

Noch ehe diese Anordnungen bei dem Prinzen von Lothringen eingetroffen sein konnten, hatte Braunau in Folge der von Seckendorff erhaltenen Befehle den Desterreichern die Thore geöffnet. Die noch über viertausend Mann starke Besaßung wurde gegen die Verpflichtung, ein Jahr lang nicht wider Maria Theresia zu dienen, in die baierischen und oberpfälzischen Landgerichte vertheilt. Reichenhall hatte sich schon vor dem Eintreffen der Nachricht von den zu Niederschönfeld geschehenen Verabredungen ergeben. Straubing und Ingolstadt wurden enger umschloffen als zuvor. So ereignete sich die Sonderbarkeit, daß die Convention von Niederschönfeld von beiden Gegnern theilweise befolgt und theilweise als nicht bestehend be: betrachtet wurde. Denn wahrscheinlich in Folge der Uebergabe von Braunau und um Karl Albrecht nicht den geringsten Grund einzuräumen, sich wegen Ueberlistung beklagen zu können, gestattete Maria Theresia, daß die baierischen Truppen auf dem neutralen Gebiete des deutschen Reiches wenigstens für den Augenblick gleichfalls als neutral angesehen und behandelt wurden 7).

Während in solcher Weise die Wiedereroberung Baierns durch die Desterreicher nahezu vollendet wurde, trat ein Ereigniß ein, von dem man die günstigsten und entscheidendsten Folgen für die Sache Maria Theresia's mit Zuversicht erwarten durfte.

Es läßt sich nicht läugnen, daß ein Theil der glänzenden Erfolge, welche Prinz Karl von Lothringen und Khevenhüller in Baiern errangen, dem Umstande zugeschrieben werden muß, daß Frankreich seine dortige Streitmacht nicht zu rechter Zeit und nicht in so ausgiebigem Maße verstärkte, als deren unbefriedigender Zustand solches nothwendig erscheinen ließ. Es wurde hieran durch die Absicht gehindert, seine besten Truppen dem Heere zuzuwenden, das unter dem Befehle des Herzogs von Noailles der pragmatischen Armee gegenüberstand. So unthätig sich die lettere also auch bisher verhielt, so leistete sie doch durch die Diversion, welche sie der Kriegführung in Baiern

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