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Was aber der König von Preußen gethan, der noch auf ganz andere Art unchristlich verfahre, das dürfe man nun und nimmermehr sich zur Richtschnur dienen lassen 47).

Dagegen glaubte jedoch Khevenhüller die Königin versichern zu können, daß die ihren Truppen zur Last gelegten Gewaltthaten weniger arg seien, als man sie schildere. Freilich habe er die mit dem Kriege unzertrennlich verbundenen Uebergriffe der Soldaten nicht überall hintanzuhalten vermocht, indem dieselben, wie der Feldmarschall sich ausdrückte, nun einmal nicht wie die Mönche in ihren Klöstern in Schranken gehalten werden könnten" 48); dennoch hätten sie sich keiner ärgeren Uebelthaten schuldig gemacht, als von den Truppen des eigenen Landesfürsten und seines Verbündeten, des Königs von Frankreich verübt worden seien. Ueber die letteren werde von dem baierischen Landvolke in noch weit höherem Maße als über die öfterreichischen Soldaten geklagt 49).

Wie dem auch sein mochte, so ist doch so viel gewiß, daß Khevenhüller selbst zu wiederholten Malen über die verübten Excesse bittere Beschwerde erhebt 50). Es läßt sich daher keineswegs in Abrede stellen, daß jene Gewaltthaten, troß Maria Theresia's und Khevenhüllers ernstlichem Widerstreben leider doch wirklich geschahen.

Wenige Wochen waren seit dem Erscheinen der ersten österreichischen Streitkräfte auf baierischem Gebiete verflossen und schon befanden sich alle Pläße von irgend welcher Bedeutung mit Ausnahme von Straubing und Ingolstadt in ihren Händen. Die Männer, welchen Khevenhüller dieß glückliche Ergebniß zunächst verdankte, und zwar Bernklau, den er fast den Einzigen nennt, welchem er völlig vertrauen könne, und Menzel, dessen vorzügliche Dienste er gleichfalls anrühmt, schlug er zur Beförderung vor 51). Der Erstere wurde von der Königin zum Feldmarschall-Lieutenant, der Lettere aber zum Obersten ernannt. Khevenhüller selbst beschäftigte sich mit Vorbereitungen zu einer Unternehmung gegen Straubing, von welcher Stadt man ihrer Befestigung wegen hartnäckigeren Widerstand erwarten. mußte, als man ihn bisher irgendwo erfahren hatte. In diesen Vorkehrungen, sich auch den Rest von Baiern zu unterwerfen, wurde

jedoch der Feldmarschall durch Befehle von Wien unterbrochen, welche seinen glücklichen Unternehmungen wenigstens für den Augenblick Stillstand geboten. Der Anlaß hiezu ging auch jezt wieder von dem Fürsten aus, den Maria Theresia mit Recht als den eigentlichen Urheber alles über ihr waltenden Mißgeschickes ansah, und von welchem Khevenhüller um jene Zeit der Königin die Worte schrieb: „Dieser ,,ist es allein, der uns Uebles zuzufügen vermag 52)."

Zweites Capitel.

Obwohl schon Friedrichs Großvater die Königswürde erworben hatte, so war doch Preußen weder durch ihn noch durch Friedrich Wilhelm I. zu einer höheren Bedeutung gelangt, als es unter dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm bereits besaß. Preußens Erhebung zu einem Staate von europäischem Range, die reiche Entfaltung seiner inneren Hülfsquellen, insbesondere aber der unvergängliche Kriegsruhm, welchen unter Friedrichs II. persönlicher Führung das preußische Heer sich errang, sind die Ursachen, weßhalb der Name dieses Königs in seinen Landen immerdar und mit Recht in dankbarster Verehrung gehalten werden wird. Im Laufe der Zeit wurde dieselbe jedoch in künstlicher Weise zu einer Art Vergötterung emporgeschraubt, in deren Folge das richtige Maß, die Eigenschaften König Friedrichs zu messen, Vielen ganz abhanden gekommen sein mag.

Das Andenken an des Königs ruhmreiche Thaten wurde immerfort erneuert und ihnen vielfach eine Bedeutung beigelegt, welche ihnen doch nicht zukommt. Andererseits beschönigte man die Beweggründe seiner Handlungen und verschwieg die Schattenseiten seines Charakters, so daß sie, welche doch von des Königs Zeitgenossen so bitter empfunden wurden und ihnen, seine eigenen Unterthanen nicht ausgenommen, so vielfaches Unheil bereiteten, der Erinnerung der Nachwelt fast gänzlich entschwanden. Das unablässige Bemühen, zu den Eigenschaften eines großen Königs und eines großen Feldherrn, welche Friedrich unbestreitbar besaß, für ihn auch diejenigen

eines edeldenkenden, ja selbst nur eines redlichen Mannes in Anspruch zu nehmen, die er eben so unbestreitbar nicht besaß, ist wenigstens für die große Menge keineswegs fruchtlos geblieben. Darum tritt jeder Bestrebung, zur Beurtheilung des Königs die richtigen Grundlagen aufzufinden, eine gereizte Empfindlichkeit entgegen, welche von dem parteiischen Standpunkte aus, auf dem sie selbst sich befindet, überall dort Parteilichkeit sieht, wo Recht und Unrecht gleichmäßig abgewogen wird, das Resultat aber freilich für Friedrich nur selten ein günstiges ist.

Wer lang durch stark gefärbtes Glas gesehen, wird von der natürlichen Beleuchtung der Dinge leicht unangenehm berührt. Dann führt die eigene Verblendung dazu, eine solche dort zu erblicken, wo eben nur nach dem Ergebnisse der gewissenhaftesten Erforschung der Thatsachen, wie sie sich wirklich verhielten, Licht und Schatten in gerechtem Maße vertheilt ist.

Um zu einem unbefangenen Urtheile über die damalige Handlungsweise Friedrichs gegen Maria Theresia zu gelangen, ist es am besten, wenn man die hervorragendsten Begebenheiten, bei welchen seine Hand im Spiele war, der Zeitfolge nach einfach aneinander reiht. Am 9. Oktober 1741 schloß er persönlich mit dem Feldmarschall Grafen Neipperg die Convention von Kleinschnellendorf und am 15. trat der Lettere den Rückzug nach Mähren an. Am 18. begannen die Preußen die Scheinbelagerung von Neisse und drei Tage später führte der König Beschwerde über die durch den Grafen Khevenhüller geschehene Verlautbarung der Uebereinkunft von Kleinschnellendorf. Gleichzeitig wurde auf seinen Antrieb der Königin von Ungarn in scheinbar angelegentlichster Weise der Rath ertheilt, baldigst zum wirklichen Friedensschlusse mit Preußen zu schreiten. Am 31. Oktober ergab sich in pünktlicher Beobachtung der Convention von Kleinschnellendorf Neisse an Friedrich. Tags darauf wurde durch seinen Bevollmächtigten zu Frankfurt am Main der Beitritt Preußens zu dem zwischen Frankreich, Baiern und Sachsen abgeschlossenen Vertrage erklärt, durch welchen die Verabredungen über die Theilung der österreichischen Erbländer näher bestimmt wurden. Und am 4. No

vember kam in Breslau ein specieller Vertrag zwischen Preußen und Baiern zu Stande, kraft dessen Schlesien dem Könige garantirt und die Grafschaft Glaß ihm zugesprochen wurde. Friedrich aber versprach dem Kurfürsten seine Mitwirkung, ihn sowohl im Besite Oberösterreichs und Böhmens zu erhalten, als ihm zu demjenigen Tirols und Vorderösterreichs, sowie zur Kaiserkrone zu verhelfen.

Wer die Langsamkeit bedenkt, mit welcher in Folge des damaligen Zustandes der Straßen und aller sonstigen Verkehrsmittel selbst eigens entsendete Couriere ihren Weg zurückzulegen gezwungen waren, dem wird es keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß zu derselben Zeit, in welcher König Friedrich mit Oesterreich unterhandelte, zu derselben Zeit, in der er seinen angeblichen Wunsch bezeigte, zum definitiven Frieden mit Maria Theresia zu gelangen, zu derselben Zeit endlich, in welcher er kraft des Vertrages von Kleinschnellendorf Neisse in Besiz nahm, er seinem Bevollmächtigten in Frankfurt gerade die entgegengeseßten Instructionen ertheilt haben muß. Der Bruch jenes Uebereinkommens war also eine längst beschlossene Sache, und daß dieß wirklich der Fall gewesen, bewiesen die um jene Zeit erfolgten kriegerischen Unternehmungen der Preußen, ihr Eindringen in Böhmen und Mähren, die Wegnahme von Olmüß.

Die Behauptung, König Friedrich sei zu diesen Schritten durch die Erfolge, welche der Feldmarschall Graf Khevenhüller in Oberösterreich und Baiern davontrug, und durch die Sorge für die Festhaltung seiner eigenen Eroberungen vermocht worden 1), erweiset sich bei einfacher Aneinanderreihung der Ereignisse gleichfalls als irrig. Schon in den letzten Tagen des Monats Oktober 1741 hatte der Erbprinz von Anhalt-Dessau den Einmarsch in Böhmen bewerkstelligt; am 19. Dezember war Troppau, am 27. Dezember Olmüß von den Preußen besetzt worden. Erst vier Tage später hatte Khevonhüller seine Truppen über die Enns geführt und damit den ersten Schritt zu der Unternehmung gethan, welche in dem Stande der Angelegenheiten Maria Theresia's eine etwas günstigere Wendung herporbrachte.

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