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verursachte, der gemeinsamen Sache einen nicht unwesentlichen Dienst. Eine größere Thätigkeit durfte man ihr von dem Augenblicke zutrauen, in welchem der König von England selbst im Feldlager sich einfand und den Oberbefehl übernahm. Man wußte ja, daß er sich für einen großen Feldherrn hielt und darnach dürftete, den Kriegsruhm seines königlichen Betters von Preußen noch zu verdunkeln.

Die ersten Schritte Georgs II. ließen nicht darauf schließen, daß es ihm gelingen werde, diese Absicht wirklich zu erreichen. Am 19. Juni war er zu Aschaffenburg eingetroffen, in dessen Umgegend damals die pragmatische Armee stand. Eine Woche verging, ehe er zu einem Entschlusse darüber kam, was geschehen solle. Die widersprechenden Rathschläge seiner Umgebung, zu der nun auch Neipperg gehörte, welcher sich von Luremburg aus in das Lager der Verbündeten verfügt hatte, trugen gleichfalls nicht dazu bei, ihn zu entscheidendem Auftreten zu bringen. Endlich wurde er mehr durch den sich fühlbar machenden Mangel an Lebensmitteln, indem die bei Miltenberg und Seligenstadt aufgestellten Franzosen die Zufuhr auf dem Main verhinderten, als durch eigenen Unternehmungsgeist dazu vermocht. Er beschloß nach Hanau vorzurücken, wo sechstausend Mann hefsischer Hülfstruppen schon eingetroffen waren und eben so viele Hannovraner noch erwartet wurden. Durch diese ansehnliche Verstärkung dachte er in den Stand gesezt zu werden, an eine entscheidende Unternehmung gegen Noailles zu schreiten.

Am Abende des 26. Juni brach die pragmatische Armee in einer Stärke von ungefähr sechsunddreißigtausend Mann, worunter zehntausend Desterreicher, von Aschaffenburg auf. In zwei Colonnen schlug sie die Straße nach Hanau ein. Ihr den Weg dorthin zu versperren, sandte der Herzog von Noailles eine Streitmacht von dreiundzwanzigtausend Mann unter seinem Neffen, dem Generallieutenant Herzog von Grammont bei Seligenstadt über den Main. Den rechten Flügel an den Fluß, den linken an einen Wald gelehnt, beseßten sie bei Kleinvelsheim die Straße, welche nach Hanau führt. Die übrigen französischen Streitkräfte standen theils noch in Miltenberg, theils rückten sie auf Aschaffenburg zu, sich dieser Stadt nach dem Abzuge

der Verbündeten zu bemächtigen, theils waren sie bei Stockstadt am rechten Mainufer aufgestellt. Auch noch an anderen Orten lagen verschiedene Abtheilungen, so daß die französische Armee, obgleich den Verbündeten an Zahl überlegen, doch mit geringerer Stärke als die letteren auf dem Kampfplage erschien.

Nach acht Uhr Morgens begann die erste, unterhalb Stockstadt aufgestellte französische Batterie über die Breite des Mains mit solcher Wirkung gegen die an Kleinostheim vorüberziehenden Colonnen der Verbündeten zu feuern, daß dieselben mehr nach rechts ausbiegen mußten. Inzwischen war die Vorhut der pragmatischen Armee durch Dettingen gerückt und kehrte mit der Nachricht von der Aufstellung der Franzosen bei Kleinvelsheim zurück, ohne jedoch Dettingen besetzt zu halten. König Georg und seine Generale erkannten nun, daß der Kampf sich nicht länger vermeiden lasse. In einem nur dünn beholzten Walde zwischen Kleinostheim und Dettingen, zwischen dem Main und einer sumpfigen Wiese eingeengt, durch das feindliche Geschüß nicht wenig beunruhigt, ordneten sie ihre Truppen zur Schlacht.

Vom linken Stromufer sah Noailles die Bewegungen der Verbündeten mit an. Er befahl nun dem Herzoge von Grammont, nach Dettingen vorzugehen und dort hinter dem jumpfigen Bache Stellung zu nehmen. Verleitet von der Sucht sich auszuzeichnen, und von der Begierde getrieben, bald mit dem Feinde zusammenzustoßen, führte jedoch Grammont seine Reiterei über den Bach, während das Fußvolk hinter demselben zurückblieb. In so gefährlicher Stellung erwartete er die Verbündeten, welche nach zehn Uhr, die Kanonen vor der Fronte, aus dem Walde hervor gegen Dettingen zogen. In dem Geschüßfeuer, das nun begann, blieb die pragmatische Armee in argem Nachtheil, da sie vom linken Mainufer her in der Flanke beschossen wurde. Es war eilf Uhr vorüber, als Grammont die königlichen Haustruppen zum Angriffe vorführte. Die französischen Reiter brachen im ersten gewaltigen Anprall durch die Reihen des Fußvolkes der Verbündeten und drangen bis an ihre Cavallerie vor. Bald aber ord: nete das Fußvolk unter persönlicher Führung des Königs von England und des Herzogs von Cumberland sich wieder. Wie selbst eng

lische Berichte zugestehen, leistete ihnen hiebei Neippergs und Arembergs kriegerische Erfahrung die nützlichsten Dienste. Die Franzosen wurden zurückgetrieben, Viele aus ihnen getödtet oder verwundet.

Während die königlichen Haustruppen sich neuerdings zu ordnen. suchten, rückte das französische Garderegiment zu Fuß mit einigen anderen Bataillonen den Main entlang, um den Verbündeten in die linke Flanke zu fallen. Hier aber standen vier österreichische Bataillone, welche sich, durch einige englische und hannoversche Truppen verstärkt, unter dem Befehle des Feldmarschall-Lieutenants Fürsten zu Salm muthvoll den französischen Garden entgegenwarfen. Sie drängten dieselben hart an den Main und hinderten dadurch die französischen Batterien auf dem linken Ufer, das Feuer fortzusehen. Wenigen gelang es nach Dettingen zu entkommen, Viele aber fanden im Main ihren Lod.

Inzwischen waren auch auf den anderen Punkten die Franzosen immer mehr und mehr zurückgetrieben worden. Dem Herzoge von Noailles, der nun endlich selbst auf dem Kampfplaße erschien, blieb nichts übrig, als seine Truppen hinter den Bach zu führen. Dort suchte er wenigstens einige Ordnung in ihre Reihen zu bringen, und trat dann den ferneren Rückzug an. Bei Seligenstadt ging er, von den Verbündeten nur wenig belästigt, über den Main. Sein Verlust mag sich auf ungefähr sechstausend Mann, der der Verbündeten etwa auf die Hälfte belaufen haben. Die Herzoge von Cumberland und Aremberg, dann Lord Stair waren unter den Verwundeten.

Wem jemals der furchtbare Anblick einer Wahlstatt zu Theil wurde, der mag vielleicht in noch höherem Maße als über den ziemlich unerwarteten Sieg darüber erstaunen, daß der König, wie in den gleichzeitigen Berichten rühmend hervorgehoben wird, auf dem Schlachtfelde speiste. So besorgt war Georg, ja nur gewiß nach Hanau zu kommen, daß er, das Schicksal seiner eigenen Verwundeten der Gnade des Feindes anheimstellend, sie auf dem Schlacht felde zurückließ und seinen Weg nach Hanau fortsette ").

Troß dieses geringen Erfolges wurde doch im englischen Lager der errungene Sieg bis in die Wolken erhoben und die Haltung des Königs den herrlichsten Kriegesthaten Eugens und Marlboroughs an die Seite gestellt. In gleichem Sinne ergingen die Meldungen nach Desterreich, wo sie einen wahren Sturm des Jubels erregten. Maria Theresia erhielt die Nachricht noch in Linz, wo sie sich kurz darauf nach ihrer Hauptstadt einschiffte. Meilenweit eilte ihr die Bevölkerung derselben die Ufer entlang entgegen. Wie im Triumphe zog die Königin in Wien ein. Sie selbst befand sich auf dem Vordertheil des reichgeschmückten Schiffes, welches sie den Donaukanal herab bis an die Wälle der Hauptstadt trug. Der ihr eigenen be zaubernden Lebhaftigkeit auch dießmal sich ungescheut hingebend, erwiederte sie mit Hand und Mund den enthusiastischen Zuruf ihres Volkes. Unter Kanonendonner umkreiste sie zu Wagen die Stadt und begab sich in die Burg, wo ihre Mutter und ihre Kinder ihrer harrten. Ihr zweijähriger Sohn Joseph schwenkte ihr aus einem Fenster eine kleine Fahne entgegen.

Maria Theresia erging sich in den wärmsten Lobpreisungen des Königs von England. Mit einer eigenthümlichen Mischung von Bescheidenheit und Stolz behauptete sie, so großer Gnade des Himmels müsse sie sich unwürdig fühlen. Doch sei sie überzeugt, derselbe bediene sich ihrer nur als Werkzeug, um das Haus Desterreich hoch emporzuheben aus dem Zustande tiefer Erniedrigung, in welchen es noch vor kurzem versunken war").

Die unendliche Freude, welche Maria Theresia über den Sieg bei Dettingen empfand, ist der beste Beweis, daß sie ihn als ein Ereigniß von entscheidender Wirkung ansah. Sie hoffte mit Bestimmtheit, der König werde denselben ausgiebig benüßen und die ihm gegenüber stehende französische Kriegsmacht vollends zu Boden werfen. Schon die nächsten Nachrichten aus dem Feldlager der Verbündeten brachten jedoch eine ziemliche Enttäuschung mit sich. Unumwunden erklärte Maria Theresia, daß sie in das, was dort vorgehe, sich unmög lich zu finden wisse 1). Auch Prinz Karl begriff nicht, wie man nach einem errungenen Siege zurückweichen und somit auf jede Frucht des

selben im Voraus verzichten könne. Um über die Plane des Königs ins Klare zu kommen und eine Uebereinstimmung in der Leitung der beiden Armeen herbeizuführen, sandte er den Feldmarschall-Lieutenant Grafen Browne in das englische Feldlager.

Am 9. Juli erschien Browne bei dem Könige zu Hanau. Der Lettere erklärte erst dann über den Main gehen zu können, wenn Prinz Karl sich mit ihm vereinigt haben werde. Seine Streitmacht zähle nicht mehr als fünfzigtausend Mann und sie habe mit Ausnahme weniger englischer Bataillone keine neuen Verstärkungen mehr zu erwarten. Solche könnten ihm nur von dem Prinzen von Lothringen zu Theil werden.

Graf Browne war wohl davon unterrichtet, daß Karl ganz andere Absichten hege und ihm nichts ferner liege, als mit seinem Heere zu dem Könige von England zu stoßen. Denn er hätte da= durch den Oberbefehl an den Leßteren abgeben müssen. Browne machte also die Gründe geltend, welche gegen die beantragte Vereinigung sprachen. Insbesondere aber bekämpfte er den Gedanken des Königs, nicht auch mit seinen Streitkräften allein angriffsweise vorgehen zu können. Er bewies ihm, daß es kein allzu großes Wagestück sei, mit fünfzigtausend wohl gerüsteten, durch den errungenen Sieg mit Selbstvertrauen erfüllten Streitern gegen ein Heer in den Kampf zu treten, welches nur aus fünfundvierzigtausend Franzosen bestehe. Ueberdieß seien die letteren durch die erlittene Schlappe entmuthigt, und wie sich dieß in der Schlacht selbst am besten gezeigt habe, wenig disciplinirt und von geringer Kriegstüchtigkeit. Mit ziemlicher Bestimmtheit dürfe man erwarten, daß sie ein zweites Zusammentreffen noch weniger bestehen würden, als dieß schon das erste Mal der Fall gewesen sei.

So viel auch für die von Browne vertheidigte Anschauung in die Wagschale fallen mochte, so gelang es ihm doch nicht, damit bei dem Könige durchzudringen. Ein Hauptgrund davon lag wohl darin, daß diese Meinung selbst von den beiden österreichischen Feldmarschällen Neipperg und Aremberg bekämpft wurde. Der Erstere bean= tragte gleichfalls die Vereinigung beider Heere. Doch meinte er, sie

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