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sollten nach Luxemburg gehen und von da nach Lothringen und Frankreich vordringen. Browne wies dagegen auf die Unthunlichkeit hin, durch eine solche Bewegung Deutschland, insbesondere aber Baiern einem erneuerten Vordringen der Feinde schußlos preiszugeben "). Er betonte die Schwierigkeit, für eine so große Heeresmasse die Lebensmittel herbeizuschaffen. Es kam zu keinem Beschlusse und somit auch zu keinem übereinstimmenden Handeln.

Da er sich mit den Führern der pragmatischen Armee über keinen gemeinschaftlichen Plan zu verständigen vermochte, seßte Prinz Karl einstweilen seine Bewegungen auf eigene Faust fort. Am 9. und 10. Juli ging er, den General Bernklau mit fünfzehntausend Mann in Baiern zurücklassend, bei Blindheim und Dillingen über die Donau. Er bezeichnet es als einen Beweis der Sympathie, welche die Sache der Königin von Ungarn in Deutschland genoß, daß eine Anzahl Personen vornehmen Standes, unter ihnen der Fürst von Oettingen, festlich geschmückt dem Uebergange der österreichischen Streitkräfte beiwohnte 12).

Ueber das Höchstädter Schlachtfeld hinweg zog er nun auf Burgau zu, wo er am 14. eintraf. Von hier sandte er die Generale Barangay und Forgacs mit zwei Hujarenregimentern, dann den Obersien Menzel mit seinen Panduren zur pragmatischen Armee, welcher es an leichten Truppen gebrach. Er selbst erreichte am 18. Juli Cannstadt, wo er einige Tage verweilte, um die Anstalten zur ferneren Verpflegung seines Heeres zu treffen.

Nicht die in der früheren Unthätigkeit verharrende pragmatische Armee, sondern das Vordringen des Prinzen von Lothringen zwang den Marschall Noailles, seine bisherige Stellung am linken Mainufer aufzugeben und auf die Rückkehr über den Rhein bedacht zu sein. Dorthin war ihm der Graf von Sachsen mit den aus Baiern kommenden Franzosen bereits vorangegangen. Am 17. Juli sezte auch Noailles auf den bei Rheintürkheim geschlagenen Brücken über den Strom. Vier Tage später brach Karl von Cannstadt auf und am 25. stand seine erste Colonne in Durlach, die zweite in Ettlingen, die dritte

aber in Bruchsal. Er selbst eilte mit Khevenhüller nach Hanau, um den König von England, welcher den Abzug des Herzogs von Noailles ruhig mit angesehen hatte, zur Wiederergreifung der Offenfive zu vermögen.

Nicht uninteressant ist der Bericht, welchen Prinz Karl seinem Bruder über die Lage der Dinge erstattete, wie er sie zu Hanau vorfand. Die Armee selbst nennt er prachtvoll und von dem sehnlichen Wunsche erfüllt, Großes zu vollbringen. Den König fand er voll guten Willens, aber unentschlossen und allzu viel auf den Rath Anderer hörend13). Insbesondere war es Neipperg, welchem Georg vertraute und der dafür von der englischen Generalität gehaßt wurde). Im Allgemeinen aber nennt der Prinz das englische Hauptquartier eine Republik, in welcher jeder eine verschiedene Meinung hege und sie ungescheut ausspreche 1).

Maria Theresia's hochstrebendem Geiste bereitete die schlaffe Unthätigkeit der pragmatischen Armee wahrhafte Folterqual. Je größer die Erwartungen waren, welche sie an den Sieg von Dettingen geknüpft hatte, um so peinlicher empfand sie jeßt die Enttäuschung. Persönlich drang sie in Robinson, die englische Regierung, den König selbst zu raschen Entschlüssen zu vermögen. Unverholen gab sie ihren Groll über die ausweichenden Antworten desselben kund. „Habe mir niemals was Besseres eingebildet," schrieb sie über ihr Gespräch mit dem englischen Gesandten an Ulfeld, welcher gleichfalls fruchtlos mit ihm verhandelt hatte. Habe mir niemals „was Besseres eingebildet, nachdem mit ihm geredet und er ein air ,,de satisfaction spüren lassen, dann von ihm dieß Gesicht kenne, „wenn er was übles anzubringen hat, und leider nur genug ge= „sehen. Ich bleibe dabei, daß in solchen großen Sachen eine ge„schwinde Resolution das einzige Mittel, und habe mich nur von „denen, die also genommen, gut befunden 16)."

„Kein Mensch kann mir besser Zeugniß geben als er selbst und „die Aya," sagt die Königin in einem zweiten eigenhändigen Schreiben an Ulfeld, „wie unterdrückt ich auch und zwar schon zu Linz über

„alles gewesen, so zwar daß ich vielmals bis auf die Thränen „touchirt war, was sonst so leicht nicht thue, und in den übelsten "Zeiten nicht gethan habe. Jezt bin ich nicht weniger frappirt und „glaube, daß absolut nicht mehr zu helfen und die Sache so ver„dorben und völlig verloren ist, weil man zu rechter Zeit nicht dazu "gethan. Ich bleibe dabei, daß ich mich niemals von Resolutionen „wohl befunden, als die ich gleich genommen in dem ersten mou"vement 1)."

Die Vorhersagung der Königin sollte leider nur allzu sehr bestätigt werden. Zwar machte man jezt im englischen Feldlager Miene, der bisherigen Unthätigkeit ein Ziel zu sehen. Am 27. Juli wurde zu Hanau großer Kriegsrath gehalten. Neuerdings legte Neipperg den von ihm schon früher entworfenen und vom Könige genehmigten Plan vor, demzufolge beide Heere sich vereinigen, nach Luremburg ziehen und von dort in Lothringen und Frankreich eindringen sollten. Prinz Karl aber war nach wie vor entschlossen, auf diesen Gedanken nicht einzugehen. Die Richtung, welche er mit seinem Heere eingeschlagen hatte, bewieß in ausreichendem Maße, daß er eine Vereinigung mit dem Könige nicht wolle. Er bekämpfte daher den Vorschlag Neippergs mit den schon von Browne angeführten Gründen. Er trat dagegen mit einem von dem Feldmarschall Grafen Khevenhüller ausgearbeiteten Projecte hervor 1"), dem: zufolge die gesammte, gegen Frankreich im Felde stehende Heeresmacht in drei abgesonderten Theilen, aber nach gemeinschaftlichen Verabredungen vorgehen sollte. Er selbst würde zwischen Hüningen und Neubreisach oder zwischen diesem Plaße und Straßburg über den Rhein gehen. Dort befänden sich nur wenige Festungen und man vermöge den Feind vom Elsaß und von Burgund abzuschneiden. Die pragmatische Armee sollte von Mainz aus, und das nun im Anzuge befindliche holländische Corps von Trier her gegen Frankreich vordringen.

Wie jezt die Sachen standen, fiel nach diesem Vorschlage das größte Stück der Arbeit dem Prinzen von Lothringen zu. Erfüllt von Ruhmbegierde und Thatendurst verlangte er selbst es nicht anders, während auch König Georg und die Engländer zufrieden schienen, daß ihnen nicht allzu beträchtliche Leistungen auferlegt werden

sollten. Sie gaben daher deri Plane des Prinzen Karl ihre Zustimmung, und Leßterer eilte zu seiner Armee zurück, um an die Ausführung desselben zu schreiten. Denn sowohl er selbst als Khevenhüller waren der festen Ueberzeugung, jeßt sei ein glänzendes Ergebniß des Feldzuges nicht mehr zu bezweifeln. Der Leßtere verpfändete seinen Kopf, die Armee der Verbündeten werde im Elsaß, in Lothringen und Burgund die Winterquartiere nehmen ").

Es ist nicht zu leugnen, daß das Bedenken, welches gegen die Anschauung Neippergs erhoben wurde, von entscheidender Wirkung sein mußte. Durch die Entfernung der pragmatischen Armee nach Luxemburg wäre den Franzosen die Rückkehr auf das rechte Rheinufer leicht gemacht worden. Aber die Annahme der Vorschläge des Prinzen von Lothringen war ebenfalls kein glücklicher Umstand für die Sache Maria Theresia's. Unbedingt wäre es vorzuziehen gewesen, wenn die Heere sich vereinigt und ihre Operationen auf dem linken Ufer des Rheines gemeinschaftlich fortgesezt hätten. Ohne alle Gefahr wäre der Uebergang der gesammten Streitkräfte der Verbündeten über den Strom bei Mainz zu bewerkstelligen gewes en, während derselbe jezt das Ziel langdauernder Bewegungen wurde und am Ende dennoch mißlang. Wie es so oft geschehen, so wurde auch jezt wieder dem Ehrgeize Einzelner die Sache selbst, um die es fich handelte, zum Opfer gebracht.

So geringen Beifall nun auch der Vorschlag des Prinzen verdient, so darf doch dem Eifer, welchen er zur Ausführung desselben entwickelte, die gerechte Anerkennung nicht versagt werden. Freilich ging auch jetzt noch Alles mit der damals gewöhnlichen Langsamkeit vor sich. Am 2. August seßte Prinz Karl seine Armee von Durlach nach dem Oberrhein in Marsch, und erst am 14. war sie zwischen Freiburg und Altbreisach versammelt. Am folgenden Tage recognoscirten der Prinz und Khevenhüller den Rhein; dann begaben sie sich nach Freiburg und von da nach Basel, so daß sogar Besorgnisse wegen Verlegung des schweizerischen Gebietes durch die österreichischen Truppen entstanden. Endlich faßte Karl den Entschluß, zu Altbrei=

sach, und gleichzeitig acht Stunden weiter aufwärts den Uebergang zu versuchen.

Nicht früher als am 3. September wurde an die Verwirklichung dieses Planes geschritten. Natürlicher Weise hatten die Franzosen den inzwischen verflossenen Zeitraum eines ganzen Monates nicht unbenüßt gelassen. Der Marschall Coigny führte nun das Commando des Heeres, welchem die Deckung des Oberrheins übertragen worden war, während der Herzog von Noailles nach wie vor wider den König von England im Felde stand. An den am meisten bedrohten Punkten waren die alten Schanzen ausgebessert und neue errichtet. Man mußte sich daher beim Uebergange auf erheblichen Widerstand gefaßt machen. Dennoch vermochten die Croaten und Panduren, welche Prinz Karl zuerst über den Strom sandte, nicht nur auf der Insel Rheinach, welche dort den Fluß in zwei Arme trennt, sondern auch am jenseitigen Ufer zu landen und sich daselbst zweier feindlicher Werke zu bemächtigen. Die Besaßung derselben wurde niedergehauen, eine Schanze aber hielt sich. Ihr Widerstand gab den nächststehenden französischen Bataillonen Zeit, zur Vertheidigung herbeizueilen. Der Angriff der Desterreicher wurde abgeschlagen und nicht wieder erneuert. Sie beschränkten sich auf die Errichtung eines Brückenkopfes, um die Schiffbrücke zu decken, mit deren Bau sie beschäftigt waren. Dieselbe kam jedoch nur langsam, erst am Nachmittage des 4. September zu Stande. Als sie fertig war, hatten auch die Franzosen schon ihre Vorkehrungen vollendet, um sich der Bewerkstelligung des Ueberganges kräftigst zu widerseßen. Prinz Karl gab denselben vor der Hand auf und begnügte sich damit, wenigstens die Insel Rheinach zu behaupten, welche durch die Brücke mit dem rechten Stromufer verbunden blieb.

Es war ein geringer Trost, daß das mißglückte Unternehmen auch keine erheblichen Verluste verursacht hatte. Auf dem anderen Uebergangspunkte, bei Rheinweiler, war nicht einmal dieses der Fall. Durch den dichten Nebel irre gemacht, welcher am frühesten Morgen des 4. September den Strom bedeckte, landeten die Grenadiere und Croaten hart an einer französischen Redoute. Demungeachtet spran

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