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gen sie beherzt aus den Schiffen und bemächtigten sich der Redoute im ersten Anlaufe. Aber bald drang eine überlegene französische Streitmacht auf sie ein. Troß des tapfersten Widerstandes mußte die kleine Schaar dennoch unterliegen, denn der Nebel machte es unausführbar, sie vom anderen Ufer durch das Feuer der Geschüße zu unterstüßen. Der zweite Truppentransport aber traf so spät ein, daß bei seinem Erscheinen das Gefecht mit dem ersten bereits geendigt war. Er vermochte gar nicht zu landen, sondern mußte unverrichteter Dinge nach dem rechten Stromufer zurückkehren.

Um den Uebergang bei der Insel Rheinach drehten sich nun die nächsten Unternehmungen der beiderseitigen Heere. Coigny trachtete darnach, die Brücke sowohl durch das Feuer seiner Geschüße als durch Brandschiffe zu zerstören. Seine Bemühungen blieben jedoch fruchtlos. Aber auch Karl von Lothringen durfte es nicht wagen, im Angesichte einer so beträchtlichen Heeresmacht und nachdem jest das linke Stromufer mit Batterien bedeckt war, den Uebergang nochmals zu wagen. Er beschäftigte sich unablässig damit, zur Bewerkstelligung desselben neue Punkte ausfindig zu machen.

Während dieß am Oberrhein vorging, hatte der König von England ohne alle Schwierigkeit den Uebergang über den Strom vollzogen. Schon am 8. August waren die Desterreicher, die sich bei der pragmatischen Armee befanden, bei Biberich über den Rhein gegangen. Ihnen folgten die Engländer und Hannovraner; hiemit schien jedoch auch ihre Thätigkeit vollständig erschöpft. Nur Oberst Menzel mit seinen Panduren und die Husaren unter den Generalen Baranyay und Trips dehnten weithin bis in französisches Land ihre verheerenden Streifzüge aus. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sie damit der Sache der Verbündeten nicht eher zum Schaden als zum Nußen gereichten. Denn es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß sie Vieles dazu beitrugen, die Bevölkerung der Gegenden, durch welche sie z0gen, zwar mit Schrecken, aber auch mit tiefer Abneigung zu erfüllen. Die Proclamationen, welche Menzel überall verbreitete, und in denen. er der Bevölkerung von Elsaß und Lothringen die Befreiung ankündigte vom „unerträglichen französischen Joche“, verfehlten gleichfalls

ihren Zweck. Es erweckte kein Zutrauen zu dem angeblichen Befreier, daß er erklärte, er werde die Gegenden, welche es versuchen sollten, sich ihm mit gewaffneter Hand zu widerseßen, mit Feuer und Schwert verheeren, die Bewohner aber als Rebellen gegen ihren rechtmäßigen Beherrscher mit dem schimpflichsten Tode bestrafen. Noailles entsandte den General Bercsényi gegen Menzel, welcher sich nun wieder auf das Hauptheer zurückzog.

Nachdem die pragmatische Armee viele Wochen hindurch unthätig bei Worms gestanden, brach sie auf die Nachricht, daß die Franzosen ihre Linien an der Queich freiwillig verlassen hatten, am 25. September nach Speier auf, welches sie zwei Tage später erreichte. Jezt endlich glaubte man auf ein entschlossenes Vorgehen des Königs von England rechnen zu können. Aber er machte in Speier neuerdings Halt, und selbst die ansehnliche Verstärkung, welche ihm durch die Ankunft des holländischen Armeecorps zu Theil wurde, vermochte nicht ihn aus seiner Unthätigkeit emporzurütteln. Am Wiener Hofe war man darüber um so unzufriedener, als man nicht läugnen konnte, daß König Georg hiebei größtentheils den Rathschlägen eines österreichischen Feldherrn, des Grafen Neipperg folgte 20), während Lord Stair in tiefem Unmuth über die Unthätigkeit des Heeres dasselbe verließ und auf alle seine Stellen verzichtete.

Schon Anfangs Oktober dachten König Georg und Neipperg an nichts mehr als an die Winterquartiere. Sie zwangen dadurch den Prinzen von Lothringen, auch seinerseits jedem Gedanken an den Uebergang über den Rhein zu entsagen. Ja der König von England ließ sich nicht einmal bewegen, wenigstens noch einige Wochen in der bisherigen Stellung zu verweilen. Schon am 10. Oktober trat die pragmatische Armee den Rückzug an; eine Woche später ging sie bei Biberich wieder über den Rhein.

Prinz Karl hatte den Beschluß gefaßt, Altbreifach zu schleifen, Freiburg zu beseßen, eine Postirung am Oberrhein zu ziehen, den Rest des Heeres aber in Vorderösterreich und Baiern in die Winterquartiere zu verlegen. Zu Ende Oktober waren diese Vorkehrungen

vollendet, und nun wurden auch die französischen Heere, als ihnen kein Feind mehr gegenüber stand, in die Quartiere verlegt.

Während in solcher Weise der Feldzug am Rheine, der so glorreich begonnen, dem Strome selber nicht ungleich sich im Sande verlor, wurde von Bernklau mit den in Baiern zurückgebliebenen österreichischen Truppen die Eroberung dieses Landes völlig beendigt. Schon am 19. Juli wurde Straubing von dem französischen Befehlshaber Gautier übergeben. Der aus Franzosen bestehende Theil der Besaßung kehrte über den Rhein zurück, die baierischen Soldaten wurden zu Seckendorff entlassen.

Nicht so schnell gelang es Bernklau, sich der baierischen Hauptfestung Ingolstadt zu bemächtigen, deren größtentheils französische Besagung, mehr als 4000 Mann zählend, von dem Generallieutenant Grafen Grandville befehligt wurde. Während er den Plat von allen Seiten umschloß, sandte Bernklau die gewöhnliche Aufforderung an den Commandanten, sich zu ergeben. Zu Bernklau's Verwunderung lautete die Antwort weniger entschieden, als er es erwartet hatte. Grandville erklärte, in eine Capitulation nicht willigen zu können, ehe nicht die Belagerung begonnen habe. Wolle man jedoch dieselbe, um Blutvergießen zu vermeiden, nur zum Schein unternehmen, so sei er bereit, sechs Wochen nach Eröffnung der Laufgräben den Plaß gegen ehrenvolle Bedingnisse zu übergeben. Und als Bernklau hierauf einging, verpfändete Grandville seine Ehre für die gewissenhafte Beobachtung der getroffenen Verabredung ").

Es ist klar, daß Grandville von der Ueberzeugung ausging, es liege nicht im Interesse Frankreichs, eine beträchtliche Anzahl seiner Soldaten zu opfern, um dem Kaiser die Festung Ingolstadt einige Wochen länger zu erhalten. Hierin allein liegt der Schlüssel seines eigenthümlichen Verfahrens ; hierin allein liegt die Rechtfertigung dafür, daß man seinen Versprechungen Glauben beimaß. Um so peinlicher berührte es Bernklau, als Grandville plößlich erklärte, seine Zusage nicht ohne ausdrücklichen Befehl des Königs von Frankreich erfüllen

zu können. Er bat um die Erlaubniß zur Absendung eines Officiers an das Hoflager von Versailles.

Indem Bernklau dieses Ansuchen gewährte, begann er nun ernstliche Anstalten zur Belagerung von Ingolstadt zu treffen. Inzwischen dauerten die Verhandlungen wegen der Uebergabe des Plazes noch fort, und sie fanden gleichzeitig mit denjenigen statt, welche in Bezug auf Eger gepflogen wurden.

Schon während des ganzen Sommers war diese Festung durch den Generallieutenant Marquis Heronville mit dreitausend Mann gegen den sie umschließenden Feldmarschall-Lieutenant Grafen Kolowrat vertheidigt worden. Prinz Karl wollte die Truppen des Lezteren zur Verstärkung des Belagerungscorps vor Ingolstadt und zur Beobachtung Seckendorffs verwenden 22), welcher nach und nach seine Streitkräfte nicht unansehnlich verstärkte. Er ermächtigte Kolowrat, der Besayung von Eger freien Abzug gegen die Verpflichtung zu gestatten, die Waffen abzulegen und ein Jahr lang nicht wider Maria Theresia zu dienen. Heronville erklärte, daß er hier auf eingehen wolle; nur werde er sich niemals zur Ablegung der Waffen entschließen. In gleichem Sinne lautete der Befehl, der ihm inzwischen aus Frankreich zukam.

Eine ganz andere Anschauung als Prinz Karl hegte jedoch Maria Theresia selbst. So wie bei der Belagerung von Prag, so lag ihr auch bei der von Eger nicht so sehr die Wiedereroberung der Festung als der Wunsch am Herzen, die darin befindlichen französischen Streitkräfte zu vernichten. Auf die thunlichste Schwächung der französischen Kriegsmacht war ihr Hauptaugenmerk gerichtet; ob Eger einige Wochen früher oder später in ihre Gewalte gelangte, daran war ihr ungleich weniger gelegen. Troß der Gegenvorstellungen des Prinzen Karl erhielt Kolowrat vom Großherzoge den be stimmten Befehl, jede Unterhandlung mit Heronville abzubrechen und in keine Capitulation zu willigen als in eine solche, durch welche die französische Besaßung als kriegsgefangen erklärt würde. Auch Bernklau wurde angewiesen, keine Verhandlungen mehr mit Grand

ville zu pflegen, sondern die Belagerung von Ingolstadt unverweilt und aufs ernstlichste zu beginnen.

In der Nacht vom 26. auf den 27. August wurden die Laufgräben gegen Ingolstadt eröffnet. Binnen wenig Tagen sette das Feuer den Belagerten so arg zu, daß der Commandant zu capituliren begehrte. Unter höchst eigenthümlichen Bedingungen kam der Vertrag zu Stande. Grandville verpflichtete sich, nach Verlauf eines Monates Ingolstadt zu räumen, wenn sich bis dahin nicht wenigstens zweitausend Franzosen oder Baiern in den Plaß werfen sollten. Bernklau versprach dagegen, innerhalb dieses Zeitraumes von den jezt in Baiern befindlichen österreichischen Truppen keinen Mann aus dem Lande zu ziehen. Alle Magazine und Staatsgüter sollten den Desterreichern anheimfallen, die Franzosen und Baiern aber mit ihren Waffen und ihrem Privateigenthum frei abziehen dürfen.

Von französischer Seite hatte Bernklau eine Verstärkung der Besatzung um zweitausend Mann kaum zu befürchten. Wohl aber durfte er solches von Seckendorff besorgen, indem ja dem Kaiser äußerst daran gelegen sein mußte, sich Ingolstadt zu erhalten. Gleiche Bedenken hegte man auch in Wien, und die Königin selbst warnte Bernklau in jeder Beziehung und auch in etwaigem Briefwechsel von Seckendorff sehr auf der Hut zu sein. Denn derselbe sei ja gewohnt, von Allem und Jedem zu seinem Vortheil Mißbrauch zu machen 23).

Bernklau verdoppelte nun seine Vorsicht. Er versäumte keine Maßregel, um einer Ueberlistung durch Seckendorff vorzubeugen und jeden Versuch desselben, Mannschaft nach Ingolstadt zu werfen, auf der Stelle zu vereiteln. Es wurde jedoch kein solcher gewagt, und Ingolstadt zur verabredeten Zeit auch wirklich übergeben.

Noch ehe dieß geschah, hatte Maria Theresia auch in Bezug auf Eger ihre Absicht erreicht. Seit Monaten eng umschlossen, an den nothwendigsten Bedürfnissen empfindlichen Mangel leidend, ergab fich endlich die Besaßung als kriegsgefangen. Am 7. September unterzeichnete Graf Kolowrat, welcher sich durch menschliches Benehmen selbst die Sympathien der Feinde zu erwerben gewußt hatte, den Ver

Arneth, Maria Theresia Bb. II.

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