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trag. Drei Tage später zog die Besaßung, noch zweitausend vierhundert Mann zählend, aus Eger. Sie wurde im Pilsener Kreise untergebracht.

Allerdings war nun ganz Böhmen für Maria Theresia wiedergewonnen und ebenso alles baierische Land unter ihre Botmäßigkeit gebracht. Aber von der Erreichung des eigentlichen Zweckes des Feldzuges, der Demüthigung Frankreichs und der Er: oberung französischer Provinzen konnte auch nicht im Entferntesten die Rede sein. Keiner von all den stolzen Entwürfen war in Erfüllung gegangen, und Maria Theresia's Verstimmung hierüber erfuhr noch dadurch eine Steigerung, daß auch die Hoffnungen getäuscht wurden, welche der Sieg von Camposanto auf eine glückliche Kriegführung in Italien wachgerufen hatte.

Es kann nicht geläugnet werden, daß ein Theil des Verschuldens hievon auf österreichischer Seite gesucht werden muß. Um sich dieß klar zu machen, wird es dienlich sein, die Stellung des Grafen Traun nach ihren verschiedenen Seiten hin ins Auge zu fassen.

Dem Wiener Hofe gegenüber war sie schon seit einiger Zeit eine ziemlich gespannte. Der Hauptanlaß hiezu lag in der Art und Weise, in welcher er als Statthalter des Herzogthums Mailand die Einkünfte dieses Landes verwaltete. Nicht daß man ihn angeklagt hätte, sie zu seiner eigenen Bereicherung zu verwenden. Sogar seine ärgsten Widersacher erklärten, sie seien von seiner Redlichkeit vollständig überzeugt 2). Aber von seiner Umgebung wollte man nicht das Gleiche behaupten, und in Wien sagte man offen, die Fahrlässigkeit der Administration und die übertriebene Nachsicht, mit welcher Traun jeden Mißbrauch ungestraft hingehen lasse, zögen weit verderblichere Folgen nach sich, als wenn er selbst sich zu seinem eigenen Gunsten eine Veruntreuung zu Schulden kommen ließe. Man klagte darüber, daß er weder aus einem so reichen Lande wie die Lombardie so viel Geld zu ziehen wisse, als zum Unterhalte der wenig zahlreichen öfterreichischen Truppen erforderlich sei, noch daß er die wirklich vorhandenen Summen richtig zu verwenden verstehe. „In einem Jahre hat

„Graf Traun,“ schrieb Bartenstein an Ulfeld, „sieben Millionen ge„braucht, ohne Truppen zu haben 25)." Sein stetes Bitten um Absendung von Geldsummen zur Bestreitung der Kriegskosten erregte am Wiener Hofe, welcher sich selbst in größter Bedrängniß befand, viele Verstimmung wider den Feldmarschall, und seine hervorragenden militärischen Dienste vermochten es nicht, dieselbe zu beschwichtigen.

Einen zweiten Punkt der Beschwerde wider Traun bildete die zu große Nachgiebigkeit gegen den König von Sardinien, deren man ihn beschuldigte. Je weniger man Ursache zu haben glaubte, mit dem Lezteren zufrieden zu sein, je mehr man ihn im Verdacht hatte, daß er auf eine allzugroße Uebervortheilung des Hauses Desterreich ausgehe, und je erbitterter die Stimmung wider ihn während der langen Dauer der Verhandlungen über den Allianzvertrag geworden. war, desto mehr verübelte man dem Grafen Traun dasjenige, was man seine Parteinahme für Karl Emanuel nannte. Immer lauter wurden die Klagen wider Traun, und insbesondere waren es Ulfeld und Bartenstein, welche nicht müde wurden, dieselben zu wiederholen. Schon im verflossenen Jahre hatten sie darauf gedrungen, dem Feldmarschall wenigstens die Verwaltung der Geldgeschäfte zu entziehen. Nur schwer brachten sie die Königin, welche Traun persönlich hochschäßte, zu einem Entschlusse, von welchem sie vorausseßte, daß er den verdienten Feldmarschall verlegen müsse. Die immer ärger werdende Verwirrung in den Geldsachen vermochte sie zuleßt doch dazu. Anfangs dachte sie daran, dem Mitgliede des italienischen Rathes, Leopold von Schmerling, die Leitung dieser Geschäfte zu übertragen 2). Da es sich aber hauptsächlich um die Verwen= dung der Einkünfte zur Erhaltung des Heeres handelte, so wurde hiemit endlich der Feldmarschall-Lieutenant Graf Pallavicini betraut.

Es scheint nicht, daß diese Maßregel die Wirkungen hervorbrachte, welche man von ihr erwartete. Wenigstens die Geldverlegenheiten Trauns dauerten unvermindert fort. Hiezu kam noch, daß er jest in Pallavicini cinen Nebenbuhler sah, welcher ihn zu stürzen trachte 2). Er wußte sich am Wiener Hofe angefeindet, besorgte den baldigen Triumph seiner Gegner, und seine natürliche Unentschlossenheit

wurde dadurch noch vermehrt. Wenn vor einem Jahre schon über seine allzugroße Niedergeschlagenheit geklagt worden war 2), so hatte man jezt noch mehr Ursache dazu. Unbeweglich stand der Feldmarschall in seinem Hauptquartier zu Carpi und erklärte fortwährend, ehe ihm nicht aus Wien beträchtliche Geldsummen und ansehnliche Verstärkungen überschickt würden, sei er völlig außer Stande, neuer dings angriffsweise wider die Spanier vorzugehen 2). Jeder Befehl zur Wiederaufnahme der Operationen, er mochte noch so kategorisch lauten ), blieb unbefolgt. Da war es kein Wunder, daß jene Behauptung Bartensteins, „wenn Traun nicht zurückberufen werde, sei "Italien nicht zu retten ")," nachdem sie durch den Sieg von Cam posanto einiger Maßen zum Schweigen gebracht worden war, jest neuerdings und mit verdoppeltem Nachdrucke wiederholt wurde. Ernstlicher als je dachte man daran, dem Grafen Traun im Commando des österreichischen Heeres in Italien einen Nachfolger zu geben, welcher der ihm gestellten schwierigen Aufgabe in höherem Maße gewachsen sein würde.

Hätte man bei der Verwirklichung dieses Gedankens sich streng daran gehalten, den hiezu Geeignetsten mit dem Commando in Italien zu betrauen, so könnte gegen die Abberufung des Grafen Traun nicht leicht eine Einwendung erhoben werden. So be dauerlich es auch sein mochte, eine solche Maßregel gegen eine so hochachtbare und verdienstvolle Persönlichkeit wie Traun in Anwendung bringen zu müssen, so schien doch ein entscheidender Schritt durch die höchsten Interessen des Staates dringend geboten. Aber daß man bei der Wahl des Mannes, welchen man dem Grafen Traun zum Nachfolger gab, durch ganz andere Rücksichten sich leiten ließ, daß man an seine Stelle einen Feldherrn berief, welcher so eben nicht geringe Ursache zur Unzufriedenheit gegeben hatte und zu dem man selbst kein Zutrauen hegte, das verdient ohne Zweifel den schärfsten Tadel. Es zeigt, wie sehr auch Maria Theresia noch in Anschauungen befangen war, deren Ueber: wiegen schon zu so oft wiederholten Malen dem Staate zum empfindlichsten Schaden gereichte. Erst die Wahl des Nachfolgers ließ die Abberufung des Grafen Traun als die Frucht einer Cabale

erscheinen. Denn daran zweifelte wohl nicht leicht Jemand, daß Graf Traun in jeder Beziehung ungleich mehr in Italien am Playe war als derjenige, welchem man jezt das Commando übertrug, Fürst Christian von Lobkowiz.

Es ist seiner Zeit darauf hingewiesen worden, daß Lobkowiz wegen seines auffahrenden, unverträglichen Temperamentes sich nur schwer in die Unterordnung unter einen Höhergestellten zu fügen verstand. Darum hatte er sich auch mit dem Prinzen Karl von Lothringen nicht vertragen und war hauptsächlich aus diesem Grunde mit dem selbstständigen Commando in Böhmen und der Leitung der Belagerung von Prag betraut worden. Der Rückzug Belleisle's und die mit Chevert abgeschlossene Capitulation beweisen, wie wenig er einer solchen Aufgabe gewachsen war. Auch seine spätere Kriegführung in der Oberpfalz war nicht dazu angethan, das Andenken an die von ihm in Böhmen begangenen Fehler zu tilgen. Es fehlt nicht an tadelnden Bemerkungen, welche selbst am Wiener Hofe darüber laut wurden, wo er doch so mächtige und ergebene Anhänger besaß **).

Auffallender noch wurde das Benehmen des Fürsten, als sein Armeecorps sich mit dem Heere des Prinzen Karl von Lothringen vereinigt hatte. Er legte sein Mißvergnügen darüber ziemlich offen an den Tag "), und er drang in den Prinzen, ihn vom Heere zu entlassen und ihm zu gestatten, sich an das Hoflager zu begeben. Er hatte dessen kein Hehl, daß er zunächst darauf ausgehe, zum Nachfolger des Grafen Traun ernannt zu werden. Er mußte also damals schon durch seine Freunde in Wien davon Kenntniß haben, daß man mit dem Gedanken sich beschäftige, Traun aus Italien abzurufen. Selbst von dem Prinzen Karl von Lothringen wurde sein Wunsch bevorwortet, wohl zunächst in der Absicht, ihn nicht wieder zu dem eigenen Heere zurückkehren zu sehen 4). Denn obgleich in der letzten Zeit keine Mißhelligkeit zwischen ihnen mehr stattgefunden hatte, so ging doch Prinz Karl offenbar auch jedem Anlasse hiezu gern aus dem Wege.

Diesen Einflüssen, seinen mächtigen Familienverbindungen, vor Allem aber der Unterstüßung Ulfelds und Bartensteins verdankte es

Lobkowiß, daß er seine Absicht auch wirklich erreichte. Der Feldmarschall Graf Traun erhielt das Generalcommando in Mähren, Lobkowiß aber wurde zum Gouverneur und Generalcapitän der Herzogthümer Mailand, Mantua, Parma und Piacenza ernannt. Zu Anfang des Monates September traf er in dem österreichischen Hauptquartier ein, welches sich schon seit so vielen Monaten noch immer zu Carpi befand. Am 10. September legte Graf Traun den Oberbefehl in die Hände des Fürsten. Er selbst begab sich nach Wien.

Es schien ein günstiger Umstand für Lobkowiß zu sein, daß gerade um jene Zeit die Verhandlungen, welche zur Zustandebringung eines definitiven Bündnissses zwischen den Höfen von Wien und Turin so lange Zeit hindurch gepflogen worden war, endlich zum Abschlusse kamen.

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