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lichst vollständig zu erreichen und dann zu einem dauerhaften Frieden zu gelangen. Die gänzliche Vertreibung der Bourbons aus Italien und die hieraus hervorgehende wesentliche Schmälerung ihrer Macht, die Entschädigung Maria Theresia's für den Verlust von Schlesien durch die Erwerbung Baierns, die Beseitigung eines stets zu fürchtenden Nebenbuhlers um die deutsche Kaiserkrone wurden als die unberechenbaren Vortheile bezeichnet, welche die Verwirklichung dieses Vorschlages herbeiführen würde. Ormea nannte das Großherzogthum Toscana dasjenige Land, welches dem kurfürstlich baierischen Hause in Italien zu Theil werden sollte 1o).

Bald darauf wurde von anderer Seite derselbe Gedanke, jedoch mit der Abänderung wiederholt, daß nicht Toscana, sondern Neapel und Sicilien dem Kaiser zuzuwenden wären. Der englische Geschäftsträger in Turin Namens Villettes war es, welcher in diesem Sinne sich aussprach. Allerdings erklärte er, die von ihm vorgebrachte Idee sei nur in seinem eigenen Kopfe entsprungen, und seines Wissens noch Niemand auf dieselbe verfallen. Aber schon Kauniß fügte der ersten Anzeige davon die Bemerkung bei, er glaube, daß ihr die sardinische Regierung nicht fremd sei. Und bei dem Verhältnisse unbedingter Ergebenheit, in welchem Villettes ") zu Drmea stand, war hiefür in der That nicht geringe Wahrscheinlichkeit vorhanden.

Es ist dieß um so weniger zu bezweifeln, wenn man in Betracht zieht, daß eine solche Veränderung auch im wohlverstandenen Interesse des Königs von Sardinien lag. Ihm konnte es für seine gegenwärtigen und künftigen Plane nur angenehm sein, die Macht des Hauses Desterreich in Italien sich nicht allzu sehr verstärken zu sehen. Es lag auf der Hand und er selbst hatte sich schon zu wiederholten Malen geäußert, daß ein schwächerer Nachbar als das Haus Desterreich ihm ungleich willkommener sein müsse.

Am verlockendsten aber mußte natürlich der Gedanke einer Verpflanzung des baierischen Hauses nach Italien und der daran geknüpften Vereinigung seiner Länder mit Oesterreich dem Wiener Hofe erscheinen. Kaunis erklärte, daß er sich schon lange Zeit, ehe ihm Ormea und

Villettes in diesem Sinne gesprochen, mit solchen Planen beschäftigt hehe. Und in der That legte er zwei Denkschriften vor, von deren einer er versicherte, er habe sie schon zu Ende des Jahres 1742 entworfen 12). In derselben und noch mehr in dem zweiten Aufsaße war der Vorschlag, welcher gemacht wurde, ausführlich besprochen und von den verschiedensten Seiten beleuchtet 13).

Im Grunde handelte es sich, was zunächst Desterreich betraf, auch jetzt nur um die gleiche Idee, welche man so oft schon in der Form einer Vertauschung Baierns gegen die Niederlande auszuführen versucht hatte.

Jhre Verwirklichung würde, was sich auch im speciellen Interesse Baierns, insbesondere aber seines Regentenhauses etwa dagegen einwenden ließ, doch gewiß Deutschland und Desterreich zum Heile gereicht haben. Für Deutschland wäre sie segenbringend gewesen, weil der unselige Dualismus, an welchem es seit den Tagen König Friedrichs II., und heute vielleicht ärger als jemals krankt, schon im Keime erstickt worden wäre. Für Desterreichs inneren Organismus aber hätte sie eine so gewaltige Verstärkung des deut schen Elementes herbeigeführt, daß dessen Uebergewicht und mit ihm eine ungeahnte Entfaltung seiner Macht und der Wohlfahrt seiner Bewohner sicher gestellt worden wäre.

Das aber ist gleichfalls nicht zu bezweifeln, daß man bei der Ausführung eines so großartigen Planes unermeßlicher Schwierigkeiten gewärtig sein mußte. Kaiser Karl VII. hätte wohl niemals seine Einwilligung dazu gegeben, und die Verseßung des deutschen Kaisers nach nichtdeutschen Ländern mußte fast überall im Reiche auf entschiedenen Widerspruch stoßen. Am hartnäckigsten wäre der selbe ohne Zweifel von Seite des Königs von Preußen gewesen. Gerade die Uebermacht in Deutschland, welche Desterreich hiedurch zu Theil geworden wäre, würde König Friedrich vermocht haben, zur Vereitlung dieser Entwürfe das Aeußerste zu wagen.

Vor nichts aber schrack England in höherem Maße zurück, als vor der Erneuerung des Krieges zwischen Desterreich und Preußen.

Dadurch wäre Maria Theresia zum zweiten Male gezwungen ge= wesen, den besten Theil ihrer Streitkräfte nicht wider Frankreich, sondern gegen Preußen zu wenden. Daher wurden die Vorschläge, mit welchen Wasner in der zweiten Hälfte des Monates Juli 1743 zu Hanau hervortrat, und in denen eigentlich nur der von Villettes zuerst ausgesprochene Gedanke einer Vertauschung Baierns gegen Neapel und Sicilien wiederholt wurde, mit Entschiedenheit abgelehnt. Der König selbst und Lord Carteret erklärten, daß nur auf Grundlage der früheren Verhandlungen der Vertrag abgeschlossen werden könne. Vor dessen wirklichem Zustandekommen vermöge man jedoch auch die Feindseligkeiten wider Frankreich nicht fortzusehen 1). Wenn Villettes im Sinne des nun von Desterreich aufgenommenen Vorschlages sich ausgesprochen, so habe er dieß nur auf eigene Gefahr hin und ohne Vorwissen seiner Regierung gethan. Dieselbe werde nicht anstehen, ihn offen zu desavouiren ").

Um Maria Theresia den Entschluß zu erleichtern, welchen man von ihr verlangte, erklärte die englische Regierung sich bereit, in Bezug auf die vor Pavia liegende Insel so wie hinsichtlich Finale's eine ihren Wünschen thunlichst entsprechende Vereinbarung mit dem Könige von Sardinien herbeizuführen. Nur wegen Piacenza werde sie denselben nicht zur Nachgiebigkeit bewegen können; es sei also der Königin nicht zu ersparen, in die Abtretung dieses Plates an Sardinien zu willigen 16).

"Ich wollte, ich wäre nicht zu Schönbrunn gewesen,“ schrieb Ulfeld seinem Freunde Bartenstein, nachdem er Maria Theresia die Berichte Wasners überbracht hatte, denn ich habe Schweres auszustehen gehabt. Ihre Majestät sind so über die Relation des Was„ner ereifert, daß ich sie noch nie in diesem Zustande gesehen. Die „Thränen in den Augen, voll Vorwürfe gegen sich selbst über dasje„nige, was geschehen, und daß sie nicht lieber den Feinden Gehör gegeben habe, um sich mit ihnen zu versöhnen, ja bereit, noch heute „Jemand nach Frankreich zu entfenden, und dieß Alles in den em= „pfindlichsten Ausdrücken, denn das Herz ging ihr über. Ich habe „gute Haltung beobachtet und gebeten, nur nichts zu übereilen, indem

uns nichts übrig bleibt, als das geringere Uebel zu wählen. Ich für meinen Theil habe mich nicht zu rühmen, verschont worden zu „sein, denn es hieß, die Feinde manövrirten, während unsererseits „nichts geschehe. Wir hätten zur Standhaftigkeit gerathen und alle „Vorschläge verworfen, während Frankreich sich jezt nicht mehr zu „seinen früheren Zugeständnissen herbeilassen würde "7).“

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Derselbe Gedanke, man hätte sich gegen Frankreich und seine Anerbietungen weniger schroff verhalten sollen, findet auch in den eigenhändigen Zeilen seinen Ausdruck, welche Maria Theresia damals an Ulfeld richtete. Mit Frankreich war ich allzeit der Meinung, die Sache mehr zu cultiviren und nicht also in Abschlag zu „bringen, welches aber leider für eine besondere Vivacität gehalten „worden. Ich wünsche, mich betrogen zu haben. Heut Abends „kann er kommen, um mehr davon zu reden. Ich bleibe dabei, daß kein anderes Mittel, als unsere Affairen allein auszumachen, coute "qui coute et avec le plus raisonnable."

„Hätte allzeit gern mit Frankreich mehr menagirt,“ schreibt die Königin bald darauf neuerdings an Ulfeld, „und die Thür „offen gelassen nach dem Beispiel des Turinischen Hofes. Wie oft „babe ich nicht einen Aufsaß darüber von Bartenstein begehrt. Ein„mal heißt es, es ist contre la bonne foy, das andere Mal man „würde abusiren; es wäre nicht Zeit, die Umstände hätten sich ge„ändert, es wäre nicht mehr der casus. Jeßt fällt er selbst wieder „darauf, aber zu spät, denn ich glaube positiv, daß nichts mehr zu thun und wir den übelsten Frieden bekommen werden. Doch müssen „wir ihn auf alle Weise zu Stande zu bringen suchen, da es sonst „noch übler ergehen möchte. Nichtsdestoweniger werde ich arbeiten, ,,mir Mühe geben und soutenire Alles, was möglich ist und mir ,,an die Hand gegeben werden kann, ohne mir diese positive Mei„nung abmerken zu lassen 1o).“

Schon Maria Theresia's Bedauern, sich gegen Frankreichs wiederholte Anerbietungen allzu abwehrend verhalten zu haben, erweckt die Vermuthung, daß solche auch während des Jahres 1743 gemacht

wurden. Eingehende Nachforschung läßt in der That die Spuren derselben an verschiedenen Orten entdecken. Schon in den ersten Monaten dieses Jahres erschien ein Franzose von hervorragender Stellung, der Marquis von Coetlogon, in Basel, suchte sich dem dort residirenden österreichischen Botschafter in der Schweiz, Marquis von Prié zu nähern, und lud ihn ein, die Geneigtheit des Wiener Hofes auszukundschaften, französische Friedensvorschläge entgegenzunehmen 1). Da diese Mittheilung an die Bedingung geknüpft war, die Verhandlung müsse ohne Vorwissen Englands stattfinden, so unterließ man es in Wien durch mehrere Monate, hierauf irgend eine Antwort zu ertheilen. Und als man endlich in Folge der Verstimmung der Königin über die Haltung ihrer Verbündeten sich be= reit erklärte, Friedensvorschläge wenigstens anzuhören, wenn sie nur etwas genauer formulirt wären 2o), da hatte sich die Lage der Dinge wieder so sehr zu Gunsten Frankreichs geändert, daß dasselbe erklärte, nicht mit positiven Anträgen hervortreten zu wollen. Es müsse sie von Seite Desterreichs an sich kommen lassen.

Ungleich bestimmter lauteten die Anerbietungen, welche Frankreich auf einem anderen Wege gemacht hatte, um eine Aussöhnung mit Desterreich herbeizuführen.

Zu Ende des Monates Juli 1743 erhielt Bartenstein zwei Schreiben des Unterintendanten von Straßburg, Namens Hatsel, in welchem der Vorschlag Frankreichs enthalten war, seine Truppen mit denjenigen der Königin von Ungarn zu vereinigen, um ihr Schlesien wieder zu erobern. Außerdem bot es seine Vermittlung zur Wahl des Erzherzogs Joseph zum römischen Könige an, wenn Maria Theresia auf diese zwei Bedingungen hin sich zum Abschlusse des Friedens bereit finden ließe 21). Wenige Tage später traf ein Bericht Wasners ein, demzufolge Hatsel kurz nach der Schlacht bei Dettingen von dem Herzoge von Noailles an den neuen Kurfürsten von Mainz, Grafen Johann Friedrich von Ostein abschickt worden sei, um durch seine Vermittlung jene Vorschläge an Maria Theresia gelangen zu lassen. Der Kurfürst habe es jedoch abgelehnt, in dieser Sache zum Vermittler zu dienen. Und als die Vorschläge zur Kenntniß Lord Carterets

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