Page images
PDF
EPUB

die Hoffnung des Kaisers, auf ihrer Grundlage eine Vereinbarung zu erzielen, weniger auf ihrem Inhalte, als auf dem Einflusse des Fürsten beruhen mochte, der sich jeßt zu ihrer Unterstüßung verstand. Es war dieß König Friedrich von Preußen.

Es dürfte hier kein ungeeigneter Ort sein, das Verhältniß etwas näher ins Auge zu fassen, in welchem Friedrich damals zu Maria Theresia stand.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1742 hatte der König wenigstens anscheinend den europäischen Angelegenheiten geringere Beachtung geschenkt und sich mehr damit beschäftigt, sich in dem neu gewonnenen Besiße zu befestigen, durch welchen seine Macht einen so außerordentlich großen Zuwachs erhielt. Mit Oesterreich wurden hauptsächlich nur die Verhandlungen zur Festseßung des neuen Grenzzuges gepflogen. Es kann nicht gesagt werden, daß bei den hierbei unvermeidlich eintretenden Differenzen von der einen oder der anderen Seite irgendwelche Empfindlichkeit gezeigt worden wäre. Es trat vielmehr hier wie dort das Bestreben zu Tage, fich freundschaftlich zu einigen und beide Regierungen ertheilten dem Ergebnisse der Verhandlungen zur Grenzregulirung, dem am 6. Dezember 1742 abgeschlossenen Grenzrezesse ohne Säumniß ihre Genehmigung. Auch sonst suchte man wenigstens äußerlich ein befriedigendes Einvernehmen herzustellen. Die Wahl der beiderseitigen Gesandten deutete gleichfalls auf dieses Bestreben. Während der Wiener Hof zu dieser Mission den Grafen Richecourt, einen Lothringer von ganz französischer Bildung erfor, welcher bis zur Rückkehr des nur zeitweilig nach St. Petersburg abgeschickten Marquis Botta Desterreich in Berlin repräsentiren sollte, sandte König Friedrich den General-Lieutenant Grafen Dohna nach Wien, einen Mann von tuhigem, anspruchslosem Wesen und versöhnlicher Haltung.

Der erste Anlaß zur Mißstimmung wurde von König Friedrich durch die Unterstüßung gegeben, welche er den von dem baierischen Gesandten Freiherrn von Haßlang im Beginne des Jahres 1743 in London vorgebrachten Friedensvorschlägen zu Theil werden ließ. So

wohl die ihr damals noch zugemutheten Abtretungen als die Säcularisationsprojecte mußten von Maria Theresia aufs entschiedenste verworfen werden. Bei dem raschen und warmblütigen Wesen der Königin konnte es aber nicht fehlen, daß durch solche Anträge der kaum etwas beschwichtigte Unmuth gegen den Mann, welcher ihr so schweres Unrecht zugefügt und so empfindliche Verluste verursacht hatte, neuerdings geweckt wurde. Auch der Widerspruch des Königs gegen den Marsch der pragmatischen Armee nach Deutschland und seine Drohung, sich demselben zu widerseßen, sein Widerstreben gegen die Verwirklichung des Planes, durch die Wahl des Großherzogs von Toscana zum römischen Könige die Kaiserwürde wieder an das Haus Desterreich zu bringen, endlich der von Friedrich ausgehende Gedanke einer bewaffneten Vermittlung, deren Spize natürlich neuer dings gegen Oesterreich gekehrt war, Alles dieß trug wesentlich dazu bei, diese Verstimmung zu mehren.

Es half nichts, daß der König auf anderer Seite wieder die Miene aufrichtiger Theilnahme an der Wohlfahrt des Hauses Oesterreich annahm. Hierauf scheint das an Maria Theresia gerichtete Begehren um die Bewilligung für eine Anzahl preußischer Officiere zu deuten, in den Reihen der österreichischen Truppen den Feldzug gegen Baiern und Frankreich mitmachen zu dürfen. Jedoch sogar hieraus entstanden Reivungen. Obgleich die preußischen Officiere Anfangs eine treffliche Haltung beobachteten“), so mißbrauchte doch später einer der Hervorragendsten aus ihnen, der Oberst von Bornstetten seine Anwesenheit im österreichischen Lager durch Werbung der Soldaten der Königin für den preußischen Kriegsdienst. Alsogleich wurde dessen Abberufung verlangt 3), und man empfand es in Wien mit Recht als eine Beleidigung, daß der König von Preußen, statt den Obersten Bornstetten zur Rechenschaft zu ziehen, ihm gleichsam als Belohnung für sein Betragen ein Regiment verlieh“).

Was zunächst den Maria Theresia am meisten am Herzen liegenden Punkt, ihre Schadloshaltung auf deutschem Gebiete durch die Erwerbung Baierns betraf, so läßt sich nicht läugnen, daß dieser Vorschlag vom Standpunkte Preußens in zweifachem Lichte betrachtet wer

den konnte. Die für Desterreich günstigere Anschauung bestand darin, daß durch Erlangung eines Ersaßes für Schlesien Maria Theresia's etwaige Sehnsucht nach dem Wiederbesitze dieses Landes doch wesentlich geschwächt und dasselbe daher um so gewisser dem Könige von Preußen verbleiben würde. Der Wiener Hof war eifrig bestrebt, diese Seite der Frage hervorzukehren und ihr bei Friedrich Eingang zu verschaffen. Der König verschloß sich derselben auch nicht ganz). Aber bei der ihm innewohnenden Verachtung gegen jede völkerrechtliche Verpflichtung gewann doch stets wieder die Meinung die Oberhand, daß gerade die Uebermacht, welche die Erwerbung Baierns dem Hause Desterreich in Deutschland zuwenden würde, früher oder später in dem Versuche der Zurückeroberung Schlesiens die der Sinnesart Maria Theresia's am meisten entsprechende Anwendung finden werde. Auch aus anderen Gründen konnte er diese Vergrößerung der Macht des Hauses Desterreich in Deutschland nicht wünschen, denn derjenige Gesichtspunkt, welcher hiefür entscheidend in die Wagschale fiel, der wahrhaft deutsche, kam bei ihm in keiner Weise in Betracht. Darum arbeitete er mit allen denkbaren Mitteln, offen und insgeheim den Planen des Wiener Hofes entgegen. Um es mit dem Anschein der Uneigennüßigkeit thun zu können, nahm er die Miene an, als ob es ihm um dasjenige, was dadurch gerade am empfindlichsten verlegt wurde, um das Interesse Deutschlands recht eigentlich zu thun sei.

Es ist die Meinung ausgesprochen worden, die erste Besorgniß vor dem Vorhandensein eines Planes, ihm bei nächster Gelegenheit Schlesien wieder zu entreißen, habe dem Könige ein Gespräch erweckt, welches zwischen seinem Gesandten Podewils einem Vetter des

[ocr errors]

Ministers und dem holländischen Greffier Fagel in Haag stattfand. Dort jei von dem Leßteren die Ansicht kundgegeben worden, Maria Theresia stehe das Recht zu, dasjenige zurückzufordern, was fie vor dem Kriege besessen habe **). Allsogleich beauftragte der König den Grafen Dohna, hierüber die Ansichten des Wiener Hofes zu erforschen.

Bezeichnend für die Meinung, welche man in Wien von Friedrich hegte, ist die Anschauung der österreichischen Staatsmänner über

diesen Gegenstand. Sie hielten den Greffier Fagel für viel zu erfahren und zu vorsichtig, um sich gerade den preußischen Gesandten zu einer solchen Herzensergießung auszusuchen. Sie wiesen darauf hin, daß dasjenige, was ihm jezt in den Mund gelegt werde, mit den sonstigen Aeußerungen der holländischen Regierung keineswegs übereinstimme. Sie kamen endlich zu dem Schlusse, der König von Preußen suche sich eben nur einen Vorwand zurecht zu legen, um eintretenden Falles eine neue Gewaltthat beschönigen zu können“).

Natürlicher Weise hielt man, um bei Friedrich nicht anzu stoßen, mit dieser Ansicht über den wahren Beweggrund der Anfrage des Grafen Dohna sorgfältig zurück. Denn man betrachtete es jet in Wien als einen Grundsaß, den man nie und nirgends außer Acht lassen dürfe, dem König von Preußen auch nicht den allergeringsten Anlaß zu begründetem Mißtrauen, zu einer Beschwerde zu bieten. Man beschränkte sich daher auf die Wiederholung der so oft schon abgegebenen Erklärung, daß man den Breslauer Vertrag gewissenhaft zu beobachten gedenke. Nur erwarte man, daß der König gegen eine angemessene Schadloshaltung des Hauses Defterreich keine Einwendung erhebe, wenn sie ihm selbst keinen Nachtheil verursache **).

Einen besseren Beweis ihrer aufrichtigen Absicht, die von ihr übernommenen Verpflichtungen treu zu erfüllen, konnte Maria Theresia dem Könige von Preußen nicht geben, als durch das Anerbieten geschah, ihm den ungestörten Besit seiner sämmtlichen Länder, Schle= sien und Glaß mit inbegriffen, feierlich zu gewährleisten, wenn er die Garantie der ihr gebliebenen Erbstaaten mit Einschluß Ungarns übernähme “). Eine zweite Bekräftigung der völligen Verzichtleistung auf Schlesiens Wiedereroberung lag darin, daß der aus Anlaß der Krönung der Königin erfolgende Zusammentritt der böhmischen Stände benüßt wurde, sie zur Ausfertigung der Urkunde zu veranlassen, durch welche sie ihre Zustimmung zu der Abtretung Schlesiens an Preußen erklärten und der Lehnsherrlichkeit Böhmens über dieses Land feierlich entsagten.

Die offene Handlungsweise der Königin nöthigte Friedrich wenigstens die wiederholte Versicherung ab, daß auch er entschlossen

sei zu pünktlicher Beobachtung der gegen Maria Theresia eingegan= genen Verpflichtungen. Er ließ dabei ganz außer Acht, daß schon der erste Artikel des Berliner Vertrages ihm auferlegte, den Vortheil der Königin überall insoweit zu fördern, als es ohne bewaffneten Beistand geschehen könne. So wie er es bisher gethan, so handelte er auch fortan in einem dieser Verbindlichkeit gerade entgegengesetzten Sinne.

Am grellsten trat dieß in der Haltung hervor, welche er in der zwischen Maria Theresia und dem Kaiser andauernden Befeh= dung beobachtete. Es zeigt sich dadurch, und die eigenen Erklärungen des Königs bekräftigen dieß "), daß er nicht daran glaubte, auch Karl VII. habe durch Hatsel sich bereit erklärt, um den Preis der Wiedereinseßung in sein Stammland seine Truppen mit den öfterreichischen Streitkräften zur Wiedereroberung Schlesiens für Maria Theresia zu vereinen. Ja es könnte sogar der Verdacht entstehen, daß der ganze Antrag nicht ohne Vorwissen Friedrichs und nur zu dem Zwecke gestellt wurde, um ihm selbst über Maria Theresia's eigentliche Absichten Aufklärung zu verschaffen. Dem widerspricht aber wieder die Bestürzung, mit welcher jene Mittheilung von dem Berliner Hofe aufgenommen wurde"). Jedenfalls hätte man glauben sollen, daß die Nichtberücksichtigung des Antrages von Seite Desterreichs geeignet gewesen wäre, auf den König von Preußen eine beruhigende Wirkung zu üben. Wie dem aber auch sein mochte, zu einer versöhnlichen Haltung gegen Maria Theresia fand er sich da= durch doch nicht bestimmt. Wahrhaft drohend wurde dieselbe, als es der Königin gelang, durch Vermittlung des neuen Kurfürsten von Mainz den Protest, welchen sie schon im Frühjahre 1742 gegen die Wahl des Kaisers Karl VII. und gegen die Ausschließung der böhmischen Kurstimme hatte ausfertigen lassen, am 23. September 1743 zur Vorlesung in der Reichsversammlung und zur Einregistrirung, oder wie man sich amtlich ausdrückte, zur Dictatur zu bringen.

Es ist nicht zu läugnen, daß der Protest der Königin in sehr entschiedenen Ausdrücken abgefaßt war. Maria Theresia erklärte darin, daß sie nichts von alledem, was seit der Ausschließung der böhmischen

« PreviousContinue »