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Kurstimme geschehen, weder die Wahl noch die Veränderung der Wahlcapitulation oder die Verlegung des Reichstages von Regensburg nach Frankfurt als zu Recht bestehend anerkenne. Vor Allem müsse sie auf Genugthuung für das Vergangene, auf Sicherstellung für die Zukunft dringen.

Um darüber nicht mit König Friedrich in Zwiespalt zu gerathen, hatte ihn Maria Theresia schon mehrere Monate zuvor von ihrer Absicht, die Protestation zur Dictatur bringen zu lassen, in Kenntniß geseßt. Der Wortlaut derselben war dem Könige wohlbekannt, denn sie war ja schon vor länger als einem Jahre, noch vor Abschluß des Breslauer Friedens in Druck gelegt und überall verbreitet worden. Dennoch wurde auf Friedrichs ausdrücklichen Befehl dem Marquis Botta, welcher jest wieder Desterreich am Berliner Hofe vertrat, die Versicherung gegeben, Preußen werde sich der Dictatur in keiner Weise widerseßen 2). An irgend eine Bedingung war diese Zusage nicht geknüpft, und am allerwenigsten wurde dem Wiener Hofe gegenüber verlangt, daß die Protestation nichts enthalten dürfe, was den Rechten des Kaisers und seiner Wahl entgegen laufe **). Eine solche Bedingung ließ sich schon darum nicht stellen, weil man den Inhalt der Protestation ja längst schon kannte. Und welchen Sinn hätte dieselbe gehabt, wenn sie nicht gegen die Unrechtmäßigkeit der Ausschließung der böhmischen Kurstimme, und somit gegen die Unrechtmäßigkeit der Kaiserwahl selbst gerichtet ge= wesen wäre.

Um so widerspruchsvoller war daher die gereizte Einsprache, welche der König erhob, als die Protestation nun wirklich zur Dictatur gebracht wurde. Wie es so seine Art war, erging er sich auch jest wieder in heftigen Drohungen. Offenbar wurden sie in der Abficht vorgebracht, Maria Theresia einzuschüchteru und sie zur Verzichtleistung auf den Gedanken zu zwingen, durch die Erwerbung Baierns sich für den Verlust von Schlesien zu entschädigen.

Daß es nicht der wirkliche oder vermeintliche Angriff auf die Würde des Kaisers war, wodurch Friedrich zu jenem Ausbruche des Ingrimms vermocht wurde, zur Unterstüßung dieser Behauptung braucht man wohl nur auf die Haltung hinzuweisen, welche derselbe König

von Preußen beobachtet hatte, als derselbe Kaiser von Deutschland von den französischen Marschällen in der wegwerfendsten Weise behandelt wurde. Da hatte der König kein mißbilligendes Wort für die beleidigte Würde des Reichsoberhauptes, für welche er jezt in so herausfordernder Weise zum Vorkämpfer sich aufwarf. Man darf daraus wohl mit ziemlicher Bestimmtheit schließen, daß nicht die vollzogene Dictatur der Protestation, sondern ein anderer Beweggrund es war, durch welchen König Friedrich zu dieser feindseligen Haltung vermocht wurde. In der That hatte er kurz vorher den zulezt von Haßlang der englischen Regierung vorgelegten Friedensantrag dem Wiener Hofe mitgetheilt und daran das Begehren geknüpft, es möge sein Gesandter Graf Finckenstein den Verhandlungen beigezogen werden, welche über die Annahme dieses Vorschlages gepflogen werden sollten. ").

Von Seite des Wiener Hofes wurde hierauf der Wahrheit gemäß erwiedert, er habe weder von jenen Anträgen Haßlangs Kenntniß erhalten, noch sei ihm bekannt geworden, daß Verhandlungen darüber stattfinden sollten. Er wäre den letteren nicht_entgegen, doch müßte er zuvor gesichert sein, daß es dem Kaiser Ernst sei mit dem Vorhaben, sich von Frankreich zu trennen. Seine bisherige Haltung beweise das Gegentheil, und die durch Hatsels Vermittlung gestellten Anträge, welche bekanntlich nicht allein von Frankreich, sondern auch vom Kaiser ausgegangen seien, hätten den König von Preußen hievon längst überzeugen sollen ").

In heftiger Entgegnung wurde von preußischer Seite der Behauptung widersprochen, auch der Kaiser habe sich an dem durch Hatsel gestellten Antrage betheiligt. Der Wiener Hof, welcher inzwischen durch ein aufgefangenes Schreiben des Kaisers an einen seiner Agenten ") darüber Gewißheit erlangt hatte, ließ sich jedoch weder einschüchtern, noch von dem eingeschlagenen Wege abbringen. Maria Theresia erklärte, daß es ihr keineswegs beikomme, die Kaiserwahl annulliren zu wollen, wenn ihr nur Genugthuung für die geschehene Ausschließung der böhmischen Kurstimme und Bürgschaft gegen die Wiederholung einer ähnlichen Gewaltthat zu Theil würde. Den besten Beweis ihrer versöhnlichen Gesinnung gegen den Kaiser habe sie erst

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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vor kurzem gegeben, als nach der Einnahme von Ingolstadt die kost barsten Habseligkeiten Karl Albrechts und die baierischen Archive in ihre Hände gefallen seien und sie die Zurückstellung derselben an ihren Besißer gestattet habe. Eine ähnliche Handlungsweise denke sie auch fortan zu beobachten. Doch fordere gerade der Grundsaß der Gerechtigkeit, auf welchen sie basirt sei, daß auch ihren Ansprüchen auf Schadloshaltung Befriedigung zu Theil werde. Mit einer erneuerten Hinweisung auf den ersten Artikel des Breslauer Friedens und der Bitte, die preußischen Minister an den fremden Höfen zu dessen pünktlicher Beobachtung anzuweisen, schloß die Erklärung der Königin ").

Die Mahnung an eine vertragsmäßige Verpflichtung, welche er bisher so sehr außer Acht gelassen, war natürlicher Weise nicht dazu angethan, des Königs gereizte Stimmung zu beschwichtigen. Sein Unmuth wurde noch dadurch gesteigert, daß sein Scharfblic aus den Erklärungen des Wiener Hofes leicht die Ablehnung seines Begehrens herausfinden konnte, an den Verhandlungen über die Friedensvorschläge des Kaisers Antheil nehmen zu können. Denn darüber durfte wohl der Wiener Hof nicht einen Augenblick im Zweifel sei, daß sein wohlverstandenes Interesse es dringend forderte, die Betheiligung einer Stimme an jenen Verhandlungen zu verhüten, von der sich nach den gemachten Erfahrungen mit Gewiß: heit vorausseßen ließ, daß sie sich nur im feindseligsten Sinne werde vernehmen lassen.

Man dürfte sich wohl nicht täuschen, wenn man annimmt, daß König Friedrich sich von jener Zeit an ernsthaft mit dem Gedanken der Erneuerung des bewaffneten Angriffes auf die Königin von Ungarn beschäftigt habe. In der Antwort, welche er auf die Erklärungen Maria Theresia's durch seinen Gesandten in Wien abgeben ließ, trat freilich von einer solchen Absicht nicht das Mindeste zu Tage. Sie war vielmehr in einem sanfteren Tone gehalten als die früheren Vorstellungen Dohna's. Zwar äußerte Friedrich noch starke Zweifel an der Wahrheit der Behauptung des Wiener Hofes, die Vorschläge Haßlangs nicht erhalten zu haben. Er bestritt es neuerdings, daß der Kaiser um die Anträge Hatsels gewußt und denselben seine Zustimmung ertheilt habe. Er wies auf die jeßt auch von Frankreich

erfolgte Ableugnung dieser Anträge hin. Aber er erklärte doch ausdrücklich, daß es ihm nicht in den Sinn gekommen sei, irgend eine Drohung wider die Königin von Ungarn aussprechen zu wollen, und daß er die Bestimmungen des mit ihr abgeschlossenen Vertrages, insbesondere des ersten Artikels treulich beobachten werde. Doch dürfe sie freilich nichts von ihm verlangen, wodurch ein Abhängigkeitsverhältniß zu Oesterreich hergestellt würde, in welches sich zu begeben auch der geringste Reichsstand Bedenken tragen müßte 5).

Daß dem Könige von Preußen mit der Annahme nicht Unrecht geschieht, er habe schon damals mit dem Gedanken der Wiedereröffnung des Krieges gegen Maria Theresia sich ernstlich beschäftigt, darüber dürfte eine ruhige Erwägung seiner Haltung während des Jahres 1743 wohl jeden Zweifel beseitigen. Mit der ihm eigenen rastlosen Thätigkeit arbeitete er ununterbrochen an der Vermehrung seiner Truppen, an der Verbesserung ihrer Ausbildung für den Krieg. Längst schon wiesen aufmerksame Beobachter darauf hin, seine Streitmacht sei in so unglaublichem Maße angewachsen, daß sie das Bedürfniß der Vertheidigung weit übersteige. In ganz Deutschland machte man sich mit der Idee vertraut, daß der König von Preußen mit einem neuen Angriffzkriege umgehe. Dort hieß es, es sei auf die Besizungen des Hauses Radziwill, dort wieder, es sei auf Danzig abgesehen. Andere behaupteten, der König beabsichtige Mecklenburg mit seinen Staaten zu vereinigen. Friedrichs eigene Schwester, die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, deren früheres freundschaftliches Verhältniß zu ihrem Bruder jeßt freilich ziemlich gelockert war, meinte mit Bestimmtheit zu wissen, Friedrich habe es auf Hamburg abgesehen ""). Dann wurde sie wieder durch die Nachricht in Bestürzung verseßt, die Rüstungen Preußens bezweckten, sich Nürnbergs zu bemächtigen "°). Ja sie versicherte den Grafen Cobenzl, ihr Bruder werde sich, wenn Karl VII. stürbe, um die Kaiserwürde bewerben, und er sei bereit, um diesen Preis zum Katholicismus überzutreten®1).

Es soll hier der Aeußerung einer in ihrer Eigenliebe oder in ihrer Habsucht gekränkten Schwester keineswegs ein allzu großes Ge

wicht beigelegt werden. Das aber steht gleichfalls unbestritten fest, daß man sich von Friedrich eines neuen Krieges, und nicht etwa bloß zur Vertheidigung, sondern zum Angriffe versah. Ja es erhob sich schon eine warnende Stimme, welche mit Beziehung auf die gemachten Erfahrungen die Behauptung aussprach, Friedrich werde, um seinen Gegner möglichst unvorbereitet zu überfallen, auch jezt wieder den Angriff in einer Jahreszeit unternehmen, welche für die Kriegführung die ungünstigste sei 62).

Eine wesentliche Förderung mögen diese Absichten und Plane König Friedrichs auch noch durch die im Jahre 1743 erfolgte engere Verbindung der Höfe von Wien und Dresden erfahren haben.

Zwei Beweggründe waren es zunächst, durch welche König August zur Annäherung an Maria Theresia vermocht wurde. Als der erste mag seine Furcht vor Preußen und die Eifersucht über dessen Vergrößerung, als der zweite aber der sehnliche Wunsch an= gesehen werden, eine solche auch für Sachsen zn erlangen. Die glücklichen Erfolge der österreichischen Waffen mußten dazu anspornen, im Anschlusse an sie diese Vergrößerungen zu erstreben. So wurden denn kurz nach dem Abschlusse des Friedens zwischen Oesterreich und Sachsen von Seite des Dresdner Hofes Anerbietungen gemacht, um gegen die Abtretung bestimmter Gebietstheile, als welche auch jezt wieder einige Kreise Böhmens oder wenigstens der Bezirk von Eger bezeichnet wurden, den Verbündeten die Kriegshülfe Sachsens in Aussicht zu stellen. Auch das Verlangen, Erfurt zu erhalten, wurde jezt wiederholt, und außerdem wollie Sachsen in den Besitz der Oberherrlichkeit über Schwarzburg, Reuß, Schönburg und Plauen gesezt werden.

Die englische Regierung, bei welcher dieses Anbringen zuerst gemacht wurde, erklärte zwar auch jeßt, der Königin von Ungarn neue Abtretungen nicht zumuthen zu können; die übrigen Begehren nannte sie jedoch nicht unbillig und sie verwendete sich für die Gewährung der selben in Wien. Hier aber sah man die Sache doch anders an, und Maria Theresia erwiederte, daß Sachsen höchstens die Erwerbung von Erfurt, aber auch nur dann in Aussicht gestellt werden könnte, wenn

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