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werkthätigem Beistande für Maria Theresia vermögen zu können "). Botta erhielt die lang schon nachgesuchte Erlaubniß, nach Desterreich zurückzukehren, und Hohenholz blieb nun der alleinige Vertreter Maria Theresia's am Hofe von St. Petersburg.

Der Marquis de la Chetardie hatte gleichfalls und zwar noch eher als Botta den russichen Hof verlassen und sich nach Paris begeben. Jedoch sein Nachfolger d'Aillon wirkte in der früher von Chetardie verfolgten Richtung eifrig fort. Durch die Anhänger Frankreichs am russischen Hofe sezte er alle Hebel in Bewegung, um den Vicekanzler Bestuschew zu stürzen. Denn er wußte ohne Zweifel, daß derselbe die Absicht hegte und Schritte gethan hatte, um ein dreifaches Bündniß zwischen Rußland, Desterreich und dem Könige von Polen als Kurfürsten von Sachsen herbeizuführen. England sollte der Beitritt hiezu offen gelassen und dadurch möglicher Weise eine Quadrupelallianz zu Stande gebracht werden 15).

Diesen Plan und mit ihm den Einfluß Oesterreichs in Rußland zu vernichten, darauf waren von nun an alle Bemühungen der französischen Partei am rusischen Hofe gerichtet. Der preußische Gesandte Mardefeld arbeitete ihr hiebei treulich in die Hände. Es ist leicht erklärlich, daß bei der damaligen Zusammensetzung des russischen Hoses, bei der Persönlichkeit der Kaiserin selbst, welche von den niedrigsten Leidenschaften sich leiten ließ, bei der Verworfenheit ihrer Günstlinge man dort nicht eben moralische Mittel in Anwendung bringen durfte, wenn man etwas erreichen wollte. Aber die Wege, welche jezt eingeschlagen wurden, sind doch selbst für die damaligen Begriffe und den Schauplag, auf welchem die ganze Intrigue sich abspielte, abscheulich zu nennen. Sie werfen auf die Namen derjenigen, welche in der Sache thätig waren, es mochten dieß die wirklich handelnden Personen oder ihre Auftraggeber sein, einen unvertilgbaren Makel.

Nachdem der Abschluß des Friedens zwischen Rußland und Schweden die Möglichkeit einer bewaffneten Unterstügung Maria

Theresia's in dem Kriege gegen Frankreich näher gerückt hatte, fäumte die französische Partei am russischen Hofe keinen Augenblick, die Mine zu entzünden, welche sie seit langer Zeit gelegt hatte. Unbesonnene Aeußerungen eines jungen Russen von vornehmer Geburt, Namens Lapuchin, gaben Anlaß, daß er dazu ausersehen wurde, in der ganzen Intrigue als willenloses Werkzeug und gleichzeitig als unglückliches Opfer zu dienen. Im Trunke, welcher von jeher in Rußland bei ähnlichen Anlässen eine so große Rolle gespielt hat, wurde ihm die Aeußerung entlockt, Botta habe einmal gesagt, die beim Sturze der Großfürstin Anna nach Sibirien Verbannten sollten den Muth nicht verlieren, denn es würden für sie schon noch bessere Zeiten kommen.

Diese Worte Lapuchins wurden benüßt, um der Czarin die Entdeckung einer Verschwörung zu melden, durch welche ihre Thron entseßung beabsichtigt worden sei. Anfangs August 1743 wurde Lapuchin sammt seinen Eltern und seiner Schwester als Theilnehmer an der angeblichen Verschwörung verhaftet. Die Gräfin Anna Be: stuschew, die Schwägerin des Vicekanzlers, traf das gleiche Schicksal. Troß der Martern, welchen Lapuchin in Gegenwart der Kaiserin unterworfen wurde und mit denen man die übrigen Gefangenen bedrohte, war ihnen doch keine Aussage zu erpressen, welche die wider sie erhobenen Beschuldigungen bestätigte. Auch in den Papieren des Oberhofmarschalls Bestuschew vermochte man nichts Staatsgefährliches zu entdecken. Wohl aber gingen die Gefangenen, um sich zu retten, auf den durch die Fragen ihrer Peiniger ihnen angedeuteten. Ausweg ein, dasjenige, dessen sie selbst beschuldigt wurden, dem Marquis Botta zur Last zu legen. Derselbe habe erklärt, nicht eher ruhen zu wollen, bis nicht die Kaiserin entthront und die früheren Machthaber zurückgekehrt seien. Er habe hiezu auch die Beihülfe des Königs von Preußen verheißen und die Zusage ertheilt, er werde seine Stellung als österreichischer Gesandter in diesem Sinne zu verwerthen wissen 1).

Leicht gelang es Lestocq und dem jeßt ihm verbündeten Fürsten Trubeßkoi, dem Haupte der strengrussischen Partei, während die Brüder Bestuschew die aufgeklärtere Fraction derselben repräsentirten,

endlich dem holsteinischen Oberhofmarschall von Brümmer, von welchem behauptet wurde, daß er im Solde des Königs von Preußen stehe"), die eben so mißtrauische als wenig scharfblickende Kaiserin von der Glaubwürdigkeit jener Aussagen zu überzeugen. Aber die. Unglücklichen, welche sich zu denselben hatten verleiten lassen, wurden darum doch nicht gerettet. Einem anderen Anhänger des Königs von Preußen, dem Feldmarschall Prinzen von Homburg gebührt der traurige Ruhm, das unmenschlichste Verfahren wider sie durchgesezt zu haben. Es erschien als Milderung, daß der Gräfin Bestuschew, dem Generallieutenant Lapuchin, seiner Gattin und seinem Sohne die Zunge ausgerissen wurde. Ueberdieß erhielten sie sammt drei anderen Personen öffentlich die Knute. Alle wurden in die Verbannung geschickt.

Größeren Bedenklichkeiten als die Verhängung dieser grausamen Strafen begegnete der Vorschlag, in dem Urtheile, welches zur Veröffentlichung gebracht wurde, auch des österreichischen Gesandten Marquis Botta zu erwähnen. Lestocq und Trubeßkoi drangen darauf, denn nur so hofften sie den Hauptzweck des ganzen Anschlages zu erreichen und die Höfe von Wien und St. Petersburg völlig zu entzweien.

Elisabeth ließ sich durch ihre Günstlinge auch hiezu verleiten. Sowohl in dem Urtheile, welches den unglücklichen Opfern vom Schaffote verlesen wurde, als in dem Manifeste"), das die Czarin erließ, war des Marquis Botta in schimpflichster Weise gedacht. Nachdem sich derselbe, sa hieß es darin, durch seine Abreise der verdienten Strafe entzogen habe, sei an die Königin von Ungarn das Ansuchen um angemessene Ahndung des begangenen Verbrechens und um Gewährung einer entsprechenden Genugthuung gerichtet worden. Und wirklich wurde der russische Gesandte Lanczynsky beauftragt, hierauf bei dem österreichischen Hofe zu dringen.

Ernst und würdevoll lautete die Antwort Maria Theresia's auf dieses Begehren. Sie erklärte, von der Unschuld Botta's fest überzeugt zu sein, denn derselbe habe niemals einen anderen Befehl empfangen als den, sich in Rußlands innere Angelegenheiten nicht die

Arneth, Maria Theresia. b. II

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geringste Einmischung zu erlauben. So treu, so vorsichtig und so vernünftig habe er sich immer benommen, daß eine so grobe und strafwürdige Unbesonnenheit ihm in keiner Weise zuzutrauen sei. In seinen Berichten befinde sich auch nicht das leiseste Anzeichen einer Verfahrungsweise, wie sie ihm jezt zur Last gelegt werde. Nach seiner Rückkehr aus St. Petersburg habe er Alles angewendet, um als General im Felde dienen zu dürfen und sich nicht wieder als Gesandter nach Berlin begeben zu müssen. Nicht er sei es gewesen, welcher die Susidienzahlungen der Pforte an Schweden erwirkt, die Türken und Tartaren zum Friedensbruche gegen Rußland angeeifert, die Thronbesteigung eines Rußland feindlichen Königs in Schweden herbeizuführen sich bemüht habe. Alle Welt wisse, wer solches gethan, und nun sollten plößlich diejenigen, die in diesem Sinne ge= handelt, es mit der russischen Regierung gut meinen, die aber, welche davor gewarnt, zu Verräthern an derselben geworden sein.

Wie dem aber auch sein möge, in keinem Falle dürfe Botta das auch dem Geringsten zustehende Recht entzogen werden, nicht ungehört verurtheilt zu werden. Rußland möge also die Beweise der Anklagen wider ihn dem Wiener Hofe mittheilen. Obwohl dieß noch nicht geschehen sei, so habe man ihn doch schon einstweilen zur Rechtfertigung aufgefordert. Werde er wirklich schuldig befunden, so solle er der angemessenen Bestrasung schon darum nicht entgehen, weil er dann auch den Befehlen seiner Regierung zuwider gehan delt habe.

Der Ungrund der wider Botta erhobenen Anklagen und die Nichtigkeit der ganzen Verschwörung ist seither so überzeugend dargethan worden, daß es verlorne Mühe wäre, hiefür noch neue Be weise beizubringen. Nur die einzige Bemerkung möge gestattet sein, daß in der That in Botta's geheimsten Berichten an den Wiener Hof von einer Bestrebung, die Kaiserin Elisabeth zu stürzen und die vorigen Machthaber wieder zurückzuführen, nicht die leiseste Andeutung enthalten ist. In den an Botta ergangenen, größtentheils in Ziffern geschriebenen Weisungen ist dieß ebensowenig der Fall.

Wem nicht der Einblick in die damalige Correspondenz der preußischen Regierung mit ihrem Gesandten in Rußland zu Gebote

steht, der kann sich natürlich kein bestimmtes Urtheil darüber erlauben, ob König Friedrich irgendwie an den Maßregeln betheiligt war, welche zunächst durch seine Anhänger am Hofe von St. Petersburg hervorgerufen wurden. Nach dem, was hierüber bisher be= kannt geworden, erscheint dieß nicht wahrscheinlich. Aber das ist hingegen gewiß, daß der König mit der ihm eigenen Schlauheit das Günstige der augenblicklichen Sachlage erkannte und benüßte. Obgleich seinem durchdringenden Scharfblicke die wirkliche Beschaffenheit des ganzen Truggewebes unmöglich entgangen sein konnte1), so gab er sich doch wenigstens Rußland gegenüber das Ansehen, die Verschwörungsgeschichte für vollkommen wahr zu halten. Er beglückwünschte die Kaiserin Elisabeth zu der Entdeckung eines so fürchter= lichen Complottes. Er rieth ihr zu noch härteren Maßregeln gegen die gestürzte Regentin und deren ihm selbst so nah verwandte Familie 20). Von der wuthähnlichen Erbitterung der Czarin gegen Botta unterrichtet), erklärte er ihr, er werde an seinem Hofe nicht länger einen Mann dulden, der sich so schwer an ihr vergangen habe. Graf Dohna wurde beauftragt, in Wien die Abberufung des Marquis Botta aus Berlin zu verlangen).

Maria Theresia mußte dem Begehren König Friedrichs um so mehr willfahren, als jeßt Botta selbst auf die Ertheilung der Bewilligung zur Rückkehr drang. Er stellte der Königin vor, daß es ihm unter den obwaltenden Umständen fortan unmöglich sein würde, seine Mission in Berlin in einer den Interessen Desterreichs entsprechenden Weise zu erfüllen 23). Maria Theresia ließ also an König Friedrich das Schreiben ergehen, durch welches ihm die Abberufung Botta's aus Berlin angezeigt wurde. Gleichzeitig stellte die Königin das Ersuchen ihr mitzutheilen, ob Botta während seines Aufenthaltes in Berlin zu dem Verdachte auch wirklich Anlaß gegeben habe, auf welchen jeßt Rußland seine Anklagen gründe2).

Eine offene Beantwortung dieser Frage paßte natürlich in keiner Weise zu den Planen und Absichten König Friedrichs. Eine Beschuldigung wider Botta vermochte er doch nicht vorzubringen, denn es fehlte ihm ja auch der geringste Anhaltspunkt hiezu. Zu seinen

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