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Gunsten Zeugniß abzulegen, war er noch weiter entfernt, denn der Wiener Hof hätte sich ja desselben zur Rechtfertigung Botta's in St. Petersburg bedient. Er zog es also vor, die Anfrage Maria Theresia's unbeantwortet zu lassen. Er beschränkte sich darauf, in seinem Schreiben an die Königin der Haltung Botta's am Berliner Hofe ganz allgemein lautende Lobsprüche zu ertheilen 2). Und als Botta sich darüber beklagte, antwortete man ihm, der König könne aus Rücksicht auf Rußland nicht anders vorgehen. Graf Dohna sei jedoch beauftragt, in Wien mündliche Erklärungen in einem Sinne abzugeben, welcher dem Marquis Botta zu vollständiger Befriedigung gereichen werde 26).

Statt solche Aufträge an Dohna zu erlassen, gab sich jedoch König Friedrich von nun an auch dem Wiener Hofe gegenüber das Ansehen, als ob er die Anklagen wider Botta wirklich für wahr halte. Graf Dohna wurde angewiesen, das Mißfallen des Königs über die Art und Weise zu erkennen zu geben, in welcher Botta sich seines Namens bedient habe. Auch Preußen gesellte sich jetzt dem Verlangen Rußlands um Genugthuung bei, und Dohna wurde beauftragt, in allen auf diese Sache bezüglichen Schritten mit Lanczynsky gemeinschaftliche Sache zu machen").

Der König blieb der Rolle, welche er jeßt in dieser Sache an nahm, auch fortan getreu. Sogar in den Aufzeichnungen, die er unter dem Namen einer Geschichte seiner Zeit herausgab, hält er die Behauptung einer von Botta in Rußland angezettelten Verschwörung aufrecht. Mit sichtlicher Genugthuung meldet er, daß die Entdeckung derselben der Knute zu verdanken sei. Ja er knüpft daran sogar salbungsvolle Betrachtungen über die Verworfenheit des Wiener Hofes, der in einem so aufgeklärten Jahrhundert so verabscheuungswürdige Mittel zur Durchseßung seiner Zwecke angewendet habe. Besißt „denn die Politik,“ ruft der König in tugendhafter Entrüstung aus, ,,nicht ehrliche Mittel, um sich derselben zu bedienen, und muß man „alle Gefühle der Redlichkeit und der Ehre verläugnen, um einem „eigennüßigen und noch dazu trügerischen Ziele nachzujagen 2*) ?“ Eine solche Sprache führt jener König, welcher mitten im Frieden in

Schlesien einfiel, welcher die Uebereinkunft von Kleinschnellendorf allsogleich verleßte, nachdem er die Vortheile derselben geerntet hatte, und der gerade damals mit dem Gedanken eines dritten Vertragsbruches umging.

Eine mächtige Anregung zu solchen Planen lag natürlicher Weise in dem günstigen Verhältnisse, in welches sich König Friedrich nun plöglich zu Rußland verseßt sah. Mit gewohnter Geschicklichkeit zog er von der augenblicklichen Stimmung der Czarin den größtmöglichen Nußen. Er begnügte sich nicht damit, daß jezt Rußland dem Breslauer Frieden beitrat und ihm dadurch gewissermaßen den Besiß von Schlesien garantirte. Er suchte eine Tripelallianz zwischen Preußen, Rußland und Schweden zu Stande zu bringen. Und da er wohl wußte, von welch mächtiger Einwirkung wenigstens damals noch die Familienverbindungen der herrschenden Personen auf die politischen Beziehungen ihrer Staaten waren, so benüßte er den Anlaß, der sich darbot, um sich auch in dieser Hinsicht zu den nordischen Mächten so günstig als möglich zu stellen. Er vermittelte die Vermählung der Prinzessin Sophie von Anhalt Zerbst, der nachmaligen Kaiserin Katharina II. mit dem russischen Thronerben. Seine Schwester Ulrike aber wurde mit dem Herzoge Adolph Friedrich von Holstein vermählt, welcher nach dem Tode des Königs Friedrich I. den Thron Schwedens besteigen sollte.

Um den raschen Fortschritten gegenüber, welche die Annäherung Preußens an Rußland von Tag zu Tag machte, dort nicht jeden Boden völlig zu verlieren, konnte Maria Threresia nichts anderes thun, als in der Angelegenheit des Marquis Botta sich gegen die Begehren Rußlands möglichst willfährig zu bezeigen. Es war ja den Gegnern Desterreichs glücklich gelungen, die Kaiserin Elisabeth so weit zu treiben, daß sie die Anklage wider Botta wie eine sie persönlich angehende Sache behandelte. Zwar hielt Maria Theresia an dem Grundsaße fest, daß Botta nicht ungehört verdammt werden dürfe, und darum hatte sie schon seine ersten Rechtfertigungsschriften allsogleich nach Petersburg gesendet. Da man dieselben aber dort als ungenügend bezeichnete und endlich die sogenannten Beweise für Botta's

Schuld nach Wien gelangen ließ, erklärte Maria Theresia eine förmliche und strenge Untersuchung anordnen zu wollen. Das Resultat derselben solle dem Urtheile der berühmtesten Rechtslehrer unterzogen werden. Wäre ihre Meinung getheilt, so wolle die Königin so weit gehen, sich an die strengere Auslegung der Geseße zu halten und in Gemäßheit derselben Botta's Bestrafung anzuordnen. Ein Mehreres könne man jedoch unmöglich von ihr verlangen, denn es liege solches nicht in ihrer Macht. Sie stehe nicht über den Geseßen, sondern sie sei an die Geseze gebunden 29).

Bei der großen Entfernung zwischen Wien und St. Petersburg und der damaligen Langsamkeit der Verkehrsmittel ist es erklärlich, daß die Angelegenheit des Marquis Botta keinen schnellen Verlauf nahm. Auch diese Verzögerung wurde von König Friedrich und seinen Agenten am russischen Hofe gegen Desterreich ausgebeutet. Einen mächtigen Verbündeten erhielten sie an dem Marquis de la Chetardie, welcher jezt aus Frankreich nach Rußland zurückkehrte, den Sturz der Bestuschews zu vollenden und den Sieg der französischpreußischen Partei am Hofe von St. Petersburg zu einer unumstößlichen Thatsache zu gestalten.

Der Ausdruck „französisch-preußische Partei“ darf nun in der That wieder gebraucht werden, denn gerade um jene Zeit hatten die Höfe von Versailles und Berlin sich einander neuerdings genähert und waren im Begriffe, die frühere Verbindung nochmals herzustellen. Sie glaubten erkannt zu haben, daß sie nicht allein in St. Petersburg, sondern auch anderswo gemeinsame Interessen zu verfechten hätten.

Troß dieser Anschauungen fiel es doch beiden Regierungen nicht leicht, dasjenige ganz außer Acht zu lassen, was gegen die Erneuerung des vormaligen Bündnisses sich geltend machte. In Frankreich hatte man noch nicht völlig darauf vergessen, daß man von König Friedrich, als er ohne Vorwissen Frankreichs den Breslauer Frieden schloß, im Stiche gelassen, ja wie man es damals genannt hatte, betrogen worden war. König Friedrich aber hatte so viele Proben des Zust andes geringer Kriegstüchtigkeit mit angesehen, in welchem sich da

mals die französischen Truppen befanden, daß er wenigstens im Zweifel darüber sein konnte, ob ihm aus einem Bündnisse mit Frankreich wirklich so große Vortheile erwüchsen, daß es für ihn räthlich erscheine, den Breslauer Vertrag zu brechen und sich dadurch immerhin in die Möglichkeit zu verseßen, das kaum gewonnene Schlesien wieder zu verlieren.

Mit welchen Gedanken auch damals der König sich beschäftigen mochte, so ist doch jedenfalls gewiß, daß es ihn angenehm berührte, als von Seite der französischen Regierung der erste Schritt zur Wiederannäherung geschah. Im September 1743 traf in Berlin der Mann ein, dessen der Hof von Versailles sich in dieser Sache als einer Mittelsperson bediente.

Die vielfachen Beziehungen des Königs von Preußen zu dem berühmtesten französischen Schriftsteller der damaligen Zeit sind allbekannt. So eifrig sich übrigens auch Voltaire in dieselben vertiefte, und so sehr seine Eitelkeit dabei ihre Nahrung fand, so hielt ihn dieß doch nicht ab, gelegentlich auch seiner Bewunderung der großen Feindin des Königs begeisterten Ausdruck zu verleihen. Die Ode, welche er im April 1742 an Maria Theresia richtete 3°), mag als ein Beweis dafür angesehen werden, wie man selbst in Frankreich von jener Fürstin dachte, welche gegen die ungerechten Angriffe, an denen auch die französische Regierung einen so hervorragenden An= theil nahm, mit heldenmüthiger Standhaftigkeit stritt.

Freilich war der Enthusiasmus Voltaire's für die Königin von Ungarn nicht von so nachhaltiger Kraft, daß er sich nicht auch gegen ihre Interessen gebrauchen ließ, wenn eine Befriedigung seines Ehrgeizes in Aussicht gestellt war. Mit der an hervorragenden Schriftstellern so oft schon wahrgenommenen Begierde, sich an Staatsangelegenheiten, insbesondere an diplomatischen Geschäften zu betheiligen, ergriff auch Voltaire die Gelegenheit, die sich ihm hiezu darbot, als die französische Regierung eine dem Könige von Preußen angenehme Persönlichkeit nach Berlin zu senden sich entschloß. Obwohl der König später über Voltaire's Erscheinen als Unterhändler seinen Spott

ergoß und die Sendung desselben einen einfachen Scherz nannte, so dürfte man doch nicht allzuweit irre gehen, wenn man annimmt, daß damals die Grundlage der erneuerten Einigung Preußens mit Frankreich gelegt worden sei"). Freilich wurde der König zu einem eigentlichen Entschlusse nicht durch Voltaire bestimmt. Die ernstliche Anstrengung der bourbonischen Höfe zu nachdrücklichster Kriegführung, dieses Aufraffen derselben, welches in der Erneuerung des vor zehn Jahren abgeschlossenen Familienpaktes seinen Ausdruck fand, die richtige Erkenntniß der ungeheuren Macht Frankreichs, wenn sie nur ihre angemessene Anwendung erhielte, vor Allem aber der unwiderstehliche Drang nach neuen Eroberungen vermochten ihn dazu.

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Man weiß, daß durch den Breslauer Frieden die Absicht Friedrichs, durch Erwerbung des Königgräßer Kreises und der Herrschaft Pardubiß auch in Böhmen festen Fuß zu fassen, völlig vereitelt wurde. Nur schwer gab er damals diesen Gedanken auf. Die große Ueberwindung, welche dieser Entschluß ihm kostete, mag wohl die Folgerung rechtfertigen, daß es dem Könige nicht allein um jene Gebietstheile, sondern für eine spätere Zukunft um noch weitergehende Erwerbungen zu thun war. Vielleicht mögen diejenigen Recht haben, welche behaupten, er wäre nicht der Thor gewesen, um ein paar Kreise Böhmens obgleich auch diese einen keineswegs zu verachtenden Zuwachs zu Preußen gebildet hätten seine ganze Lage zu gefährden”). Es mag dieß zugegeben werden; noch ungleich gewiffer ist es jedoch, daß wenn nur einmal ein paar Kreise Böhmens sein eigen waren, ihn Niemand gehindert hätte, sich im geeigneten Zeitpunkte auch des übrigen Landes zu bemächtigen. Maria Theresia gewiß nicht; denn wenn sie Friedrichs Entwürfe nicht zu vereiteln vermochte, so lange sie selbst die Beherrscherin Böhmens war, so wäre sie solches noch weniger im Stande gewesen, wenn sie Böhmen nicht mehr besaß. Der Kaiser nicht, für welchen Friedrich Böhmen jest wieder zu erobern sich anheischig machte. Denn ungleich leichter, als ihn in den Besitz dieses Landes zu bringen, wäre es dem Könige von Preußen geworden, ihn jederzeit wieder aus demselben zu vertreiben. Und an

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