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einem Vorwande hiezu hätte es einem so erfinderischen Kopfe nimmermehr gefehlt.

Ein thatsächlicher Beweis dafür, daß diese Gedanken damals den König bewegten, läßt sich allerdings nicht beibringen. Hielt er dieselben doch so geheim, daß er von seinen nächsten Schritten auch seinem vertrautesten Minister keine Mittheilung machte. Darum läßt es sich jedoch mit nicht geringerer Bestimmtheit annehmen, daß keine weniger weitgehenden Entwürfe es waren, zu deren Verwirklichung König Friedrich jezt die ersten Schachzüge that.

Wenn die Sendung Voltaire's nach Berlin auch keine andere Wirkung gehabt haben mochte, so war sie doch schon darum von Bedeutung, daß sie dem Könige die Ueberzeugung verschaffte, man habe in Frankreich den früheren Unmuth wegen des Abschlusses des Breslauer Friedens so ziemlich verwunden. Die französische Regierung begreife wohl, daß ihr Interesse sie darauf hinweise, jezt neuerdings Hand in Hand mit Preußen zu gehen. Eröffnungen solcher Art würden in Paris eine günstige Aufnahme finden.

Natürlicher Weise war dem auch wirklich so. Durch die Herzogin von Chateauroux und ihren getreuen Anhänger, den Herzog von Richelieu, machte Friedrichs Abgesandter Graf Rothenburg dem Hofe von Versailles seine ersten Anträge. Nicht den geringsten Widerstand erhoben die Franzosen gegen den Punkt, welcher dem Könige am meisten am Herzen lag, die von ihm beabsichtigte Gebietserwerbung in Böhmen. Auch ganz Oberschlesien gaben sie ihm noch obendrein in den Kauf. Was konnte ihnen gelegener sein, als eine so ansehnliche Kriegshülfe um einen Preis zu erlangen, der ihnen gar nichts kostete?

Ungleich widerwärtiger war ihnen die Bedingung, welche Friedrich stellte, daß er erst nach dem Abschlusse der Tripelallianz mit Rußland und Schweden ins Feld zu rücken habe3). Sie fühlten wohl, daß Friedrich sich dadurch einen Ausweg offen ließ, beim Ein. treten ungünstiger Umstände lieber gar nicht zu den Waffen zu greifen. Außerdem trachteten sie darnach, eines ihnen so hochwillkommenen

Beistandes je eher desto besser theilhaft zu werden. Aber Friedrich beabsichtigte vollkommen sicher zu gehen, und da endlich wohl keiner der beiden vertragschließenden Theile an der baldigen Erfüllung jener Bedingung mehr zweifelte, so bot zuleßt auch sie kein Hinderniß dar für eine vollständige Vereinbarung zwischen Frankreich und Preußen.

Nicht ganz so leicht brachte König Friedrich das Bündniß mit dem Kaiser und den wenigen deutschen Fürsten zu Stande, welche in dem großen Kampfe zwischen Desterreich und Baiern zu dem Leßteren hielten. Allerdings mußte Karl VII. die sich ihm neuerdings eröffnende Aussicht auf die bewaffnete Hülfe des Königs von Preußen mit Freude begrüßen. Die trostlose Lage, in welcher er jeßt sich befand, entstammte ja doch eigentlich dem Augenblicke, in welchem Friedrich dem Bündnisse mit dem Kaiser abtrünnig geworden war. Mit einem Alliirten, der ihm die Hoffnung erweckte, nicht nur in den Besiß seines Stammlandes, sondern auch in denjenigen Böhmens und Oberösterreichs wieder zu gelangen, durfte er um den Lohn nicht markten, welchen dieser Verbündete für seine guten Dienste be gehrte. Obgleich es ihm ungemein schwer fiel, zur Zergliederung Böhmens seine Zustimmung zu geben, entschloß er sich am Ende doch dazu. Ja er erklärte sich bereit, dem Könige von Preußen Alles zuzugestehen, was derselbe als billig und gerecht ansehe. Den einzigen Wunsch glaubte er andeuten zu dürfen, daß man, um künftigen Streitigkeiten vorzubeugen, die Grenzen der beiderseitigen Gebiete schon im Voraus bestimme).

Man sieht welch verderbendrohende Entwürfe zu Ende des Jahres 1743 und in den ersten Monaten des folgenden Jahres gegen Maria Theresia im Werke waren. Um zu beurtheilen, inwiefern die Königin in der Lage zu sein schien, denselben mit Aussicht auf Erfolg zu begegnen, wird es nöthig sein, den damaligen Stand ihrer Angelegenheiten sowohl in kriegerischer als in politischer Beziehung etwas näher ins Auge fassen.

Was zunächst die Kriegführung in Italien betrifft, so ist es be: kannt, daß im Monate September 1743 der Oberbefehl über die dort befindlichen österreichischen Streitkräfte in die Hände des Feldmarschalls

Fürsten von Lobkowiß übergegangen war. Er kam mit dem festen Vorsaße dorthin, der bisherigen Unthätigkeit ein Ende zu machen. und um jeden Preis angriffsweise gegen die Spanier vorzugehen. Er hatte sich mit der Ueberzeugung durchdrungen, daß nur ein thatkräftiges Auftreten in Italien den Absichten Maria Theresia's entspreche. Denn nur durch ein solches konnte die Königin sich Ersaß verschaffen für die höchst beträchtlichen Abtretungen an Sardinien, denen sie eben durch den Wormser Vertrag ihre Zustimmung gab. Gerade durch diesen Vertrag mußte aber auch die Erwartung erregt werden, Karl Emanuel werde sich jcht nicht länger der Mitwirkung zur Ergreifung der Offensive gegen die Spanier entziehen. In diesem Sinne waren die Befehle abgefaßt, welche zugleich mit der Mittheilung des Wormser Vertrages an den Fürsten von Lobkowiß ergingen. Ausdrücklich war darin gesagt, derselbe möge sich durch die vorgerückte Jahreszeit nicht abhalten lassen, die Operationen zu beginnen. Der Winter sei um so günstiger zur Vollführung derselben, als er im mittleren und südlichen Italien die Bewegungen der Truppen erleichtere, während er es gleichzeitig den Spaniern unmöglich mache, von Savoyen her etwas gegen Piemont zu unternehmen 35).

Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß diese Betrachtung in gewiffem Sinne eine vollkommen richtige war und daher auch bei der sardinischen Regierung Eingang hätte finden sollen. Aber es zeigte fich auch jest wieder, daß beide Höfe troß des Bündnisses, welches sie vereinigte, von völlig verschiedenen Gesichtspunkten ausgingen, völlig verschiedene Ziele verfolgten. Der Wiener Hof trachtete die Eroberung Neapels zu bewerkstelligen; in Turin aber wollte man sich Savoyens wieder bemächtigen, welches die Spanier noch beseßt hielten. Darum wurde den piemontesischen Truppen zu großem Leidwesen des Fürsten von Lobkowiß der Befehl erneuert, nicht über den Panaro zu gehen *). Da die Gegenvorstellungen in Turin erfolglos blieben, entschloß sich Lobkowit, allein an das Unternehmen zu schreiten. Am 2. Oktober 1743 seßte er über den Panaro und bezog bei der Karthause von Bologna ein Lager. Hier blieb er länger als zwei Wochen stehen, um sich zu fernerem Vordringen zu rüsten. Am 19. Oktober führte

er sein Heer nach Castel San Pietro, am 20. nach Imola. Am 23. kam er, den zurückweichenden Spaniern folgend, nach Faenza. Am 29. traf er in Rimini ein. Hier sette er sich fest, während die Spanier ihm gegenüber am rechten Ufer der Foglia, in Pesaro und seiner Umgebung Stellung nahmen.

Das Vordringen des Fürsten von Lobkowiß auf päpstliches Gebiet war natürlicher Weise ganz dazu geeignet, die ohnedieß nicht freundschaftlichen Beziehungen des Wiener Hofes zum heiligen Stuhle noch mehr zu verbittern. Der Leßtere konnte es selbstverständlich nicht mit gleichgültigen Augen ansehen, wenn sein Gebiet zum Schauplaße eines ihn nicht näher angehenden Kampfes ge= macht wurde. Darum hatte er schon Protest eingelegt, als Graf Traun einzelne Truppenabtheilungen über den Panaro sandte und sie auf der Straße gegen Bologna Stellung nehmen ließ. Noch lebhafter wurde der Widerspruch des heiligen Stuhles gegen den Einmarsch des ganzen österreichischen Heeres in den Kirchenstaat. Der Wiener Hof wies jedoch darauf hin, daß schon seit zwei Jahren die Spanier sich ungehindert auf päpstlichem Gebiete befänden. Wenn es dem heiligen Stuhle also Ernst sei mit der Neutralität, welche er bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund stelle, so könne er nichts dagegen einwenden, wenn Desterreich das Gleiche beanspruche, was Spanien schon vorlängst und seither ununterbrochen gewährt worden sei.

Der Streit hierüber wurde von beiden Seiten mit großer Gereiztheit geführt; vom heiligen Stuhle, weil er um jeden Preis sein Land vor den Schrecken eines Krieges bewahren wollte, vom Wiener Hofe aber, weil er durch die andauernde Parteilichkeit des Papstes für die Gegner des Hauses Desterreich empfindlich verleßt war. Nicht allein durch die Bevorzugung der Spanier war dieselbe offenkundig geworden; auch bei vielen anderen Anlässen trat sie sichtlich zu Tage. Insbesondere war dieß in Bezug auf den Kaiser Karl VII. der Fall, und man war darüber in Wien um so mehr erbittert, als derselbe seine Säcularisationsprojecte zwar abgeleugnet, ihnen jedoch noch immer nicht entsagt hatte.

Daß dem Manne, welcher die katholischen Kirchenfürsten Deutschlands ihres Besizes zu berauben suchte, die Unterstüßung des heiligen. Stuhles in auffälligster Weise zu Theil wurde, war ein Gegenstand steter Beschwerde des Wiener Hofes in Rom. Am lebhaftesten wurde sie, als der Papst nach dem Tode des Cardinals Schönborn dem Bruder des Kaisers, dem Herzoge Theodor von Baiern, Bischof von Freising und Regensburg, ein Wählbarkeitsbreve für Speyer ertheilte. Zwar drang die baierische Partei daselbst nicht durch und es wurde statt des Herzogs Theodor der österreichisch gesinnte Domherr Franz Christoph Freiherr von Hutten zum Bischof gewählt. Aber an Papst Benedikt hatte es nicht gelegen, wenn in dieser Sache die Wünsche des Kaisers sich nicht erfüllten.

Es mag wohl sein, daß für den heiligen Stuhl gewichtige Gründe zu dieser Parteinahme für Baiern obwalteten. Aber davon kann er doch wieder nicht losgesprochen werden, daß er seine feindselige Stimmung gegen Desterreich auch bei Anlässen manifestirte, bei welchen es ohne Noth in hohem Maß verleßte. Solches war beispielsweise bei der Ernennung einer großen Anzahl von Cardinälen der Fall, welche im September 1743 vorgenommen wurde. Nicht weniger als siebenundzwanzig Cardinalshüte waren erledigt, und da schien es Maria Theresia nicht zu viel verlangt, wenn sie auf den Mann Bedacht genommen zu sehen wünschte, welchen schon Kaiser Karl VI. zu jener Würde in Antrag gebracht hatte. Es handelte sich um den Uditore der päpstlichen Rota, Mario Mellini, einen Mann von hervorragender Befähigung, exemplarischen Sitten und erprobter Anhänglichkeit an Desterreich. Der leßtere Umstand genügte in Rom, seine Ausschließung herbeizuführen, während doch notorische Anhänger der Feinde Desterreichs, wie Lanti "), Calcagnini"), Landi), Monti und Dddi) in der Promotion be: griffen waren.

Daß man in Rom sich des üblen Eindruckes versah, den diese Nachricht in Wien hervorbringen würde, be iesen die Schritte, welche von Seite des heiligen Stuhles geschahen, um demselben vorzubeugen. Cardinal Valenti, der sich noch immer an der Spiße der Staatsgeschäfte befand, bemühte sich den Wiener Hof glauben zu machen,

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