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Mellini sei nicht wegen seiner Anhänglichkeit an Oesterreich übergangen worden. Papst Benedikt XIV. aber richtete ein Schreiben an den Cardinal Kolloniz, zählte die neuen Cardinäle auf, welche Unterthanen und somit Anhänger Desterreichs seien, und entschuldigte die Außerachtlassung Mellini's, jedoch freilich in einer Weise, welche mit den Versicherungen seines eigenen Staatssecretärs sich nur schwer vereinbaren ließ "').

Das Schreiben des Papstes mag immerhin die gute Wirkung geäußert haben, daß es mit dazu beitrug, den Wiener Hof wenig stens vor der Hand von den gehässigen Maßregeln abzuhalten, welche der Bischof von Gurk ihm anrieth. Sie lauteten dahin, daß man den neuen Nuntien zu Wien und Brüssel die Annahme versagen, und wenn in Folge dessen der Papst dem Cardinal Paolucci auftragen würde, seine Abreise von Wien noch aufzuschieben, ihm den Zutritt zu der Königin verweigern solle. Den Feindseligkeiten der Venetianer gegen den heiligen Stuhl möge man keine Hindernisse in den Weg legen, sondern einfach erklären, die Franzosen und Spanier hätten es durch ihre vom Papste begünstigten Angriffe der Königin unmöglich gemacht, nach dem Beispiele ihrer Vorfahren zum Schuße des päpstlichen Gebietes Maßregeln zu ergreifen. Dem Cardinal Passionei, welcher zu der feindseligen Haltung der römischen Curie nach Kräften beitrage, wären die Einkünfte seiner in den Staaten Maria Theresia's gelegenen Präbenden ebenso mit Beschlag zu be legen, wie dieß hinsichtlich derjenigen des Cardinals Valenti noch immer geschah. Endlich beantragte er die Zahlungen der lombardischen Klöster an den heiligen Stuhl einzustellen. Solche Maßregeln würden denselben gar bald vermögen, seine bisherige Haltung und Sprache gegen Desterreich zu ändern a2).

Statt auf diese Rathschläge einzugehen, versuchte Maria Theresia dem römischen Stuhle gegenüber noch einen versöhnlichen Schritt. In einem Schreiben an den Papst seßte sie demselben ihre Beschwerden neuerdings auseinander. Sie erinnerte ihn an die schon vor Jahren in Bezug auf die Erhebung Mellini's zum Cardinal ertheilten Zusagen, und verlangte, daß derselbe noch nachträglich hiezu ernannt werde. Denn es waren bisher nur vierundzwanzig Cardinäle namentlich

bezeichnet, drei aber in petto behalten worden. Bei allem was sein väterliches Herz zu rühren vermöge, beschwöre sie den Papst, ihrem gerechten Verlangen zu willfahren. Würde dieß nicht ge= schehen, so sei sie nicht Schuld daran, daß sie unbeschadet ihrer unerschütterlichen Ehrfurcht vor dem heiligen Stuhle doch nach fruchtloser Anwendung gütlicher Mittel gegen das aufs Aeußerste gediehene Uebel auch die äußersten Mittel ergreifen müsse. Denn sie dürfe ihrer Würde nichts vergeben und könne daher unmöglich zulassen, daß irgend Jemand wegen seiner Anhänglichkeit an sie und ihr Haus Unrecht erleide **).

Daß der Papst, obgleich mit wiederholten Versicherungen seines ernstlichen Willens, den Wünschen Maria Theresia's überall zu willfahren, wo dieß nur angehe, doch in Bezug auf Mellini eine ausweichende Antwort gab, mußte die Königin peinlich berühren. Dennoch vermied sie es, die Sache noch weiter zu treiben, obgleich sie auch von anderer Seite her vielfache Proben der mißgünstigen Gesinnung des heiligen Stuhles erfuhr. So durch die Ertheilung des Wahlfähigkeitsbreve an Herzog Theodor von Baiern für das Bisthum Lüttich, und die dadurch wirklich herb zeführte Wahl desselben. Nicht weniger wurde man in Wien durch die stete Aufreizung des römischen Landvolkes gegen die österreichischen Truppen verleßt. Lobkowit wenigstens behauptete, es werde von der Geistlichkeit aufge: stachelt, sich nicht nur im Allgemeinen feindselig wider dieselbe zu verhalten, sondern wo es ohne Gefahr geschehen könne, vereinzelte Soldaten zu überfallen und aus dem Wege zu räumen.

Auch aus diesem Grunde wäre es zu wünschen gewesen, daß Lobkowiß nicht für den ganzen Winter in Rimini Halt gemacht, sondern den Zug gegen Neapel fortgeseßt hätte. Freilich ist es begreiflich, daß er vor dem Gedanken zurückschrack, mit einem Heere von wenig mehr als vierzehntausend Mann ein ganzes Königreich erobern zu wollen. Aber sein Augenmerk hatte vor Allem dahin gerichtet sein sollen, das ihm gegenüber stehende, noch weniger zahlreiche Heer der Spanier zu schlagen und zu vernichten. Dann erst mußte er sich mit dem Gedanken einer Eroberung Neapels beschäftigen, zu welcher freilich die Abneigung der Bevölkerung gegen das bourbonische Kö

nigshaus und seine alte Anhänglichkeit an Desterreich das Meiste hätte thun müssen. Wenigstens behauptete der Bischof von Gurk, daß diese Gefühle in dem neapolitanischen Volke lebendig seien, und dasselbe nur das Erscheinen der österreichischen Truppen erwarte, um mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Darum richtete der Bischof im September 1743 ein Schreiben an den mit der englischen Flotte im Hafen von Villafranca liegenden Admiral Mathews, worin er die Anfrage stellte, ob eine allgemeine Volkserhebung, welche etwa in Neapel zu Gunsten Maria Theresia's stattfände, auf die Beihülfe der englischen Schiffe zu zählen vermöchte.

Man sieht daraus, welche Erwartungen man damals auf österreichischer Seite hegte. Zur Herabstimmung derselben mußte es freilich wieder beitragen, aus der ablehnenden Antwort des Admirals Mathews neuerdings zu erkennen, wie ungünstig England doch eigent= lich dem Plane der Eroberung Neapels gesinnt war“).

Es ist schwer, den wahren Grund dieser Handlungsweise der britischen Regierung sich klar zu machen. Auf den ersten Blick sollte man glauben, daß eine so tiefe Demüthigung der bourbonischen Höfe wie die Vertreibung ihres jüngsten Zweiges aus Neapel und Sicilien ganz im Sinne derselben hätte gelegen sein müssen. Aber es scheint fast, als ob England es gern vermieden habe, die Königin von Spanien hiedurch aufs Aeußerste zu treiben. Es führte ja bekanntlich mit Spanien einen nicht gerade glücklichen Krieg in Amerika, und mochte wähnen, durch die Schonung ihres Lieblingssohnes die Königin Elisabeth zu vermögen, bei einem etwaigen Friedensschlusse England günstigere Bedingungen einzuräumen"). Auch die eifrige Verwendung des Kaisers und des Königs von Polen, dessen Tochter mit Karl III. von Neapel vermählt war, dürfte hierauf einen maßgebenden Einfluß geübt haben.

Wie dem aber auch sein mochte, so ist doch gewiß, daß Maria Theresia sich durch die Abneigung Englands und Sardiniens, ihren Plan zu unterstüger, von der Verfolgung desselben nicht abhalten ließ.

In der Hand des Bischofs von Gurk lagen die Fäden der Verbindung mit der österreichischen Partei in Neapel.

Echon im Sommer des Jahres 1742, als Graf Traun durch den Kirchenstaat gegen den Süden Italiens vordrang, hatte ihm der Bischof Graf Thun einen Plan zur Eroberung des Königreiches Neapel vorgelegt. Derselbe rührte von einem Neapolitaner Namens Salvatore Bellini her, welcher gleich seinem Bruder wegen österreichischer Gesinnung von der bourbonischen Regierung des Königreiches verfolgt wurde. Gegen Ende des Jahres 1742, gleichzeitig mit der ersten Anzeige von einer Unternehmung, welche der Prätendent Karl Stuart im Einverständnisse mit Frankreich und Spanien gegen Schottland vorbereitete *), sandte Thun einen neuen und ausführlichen, ebenfalls von Salvatore Bellini herrührenden Plan nach Wien. Die Maßregeln, welche zu ergreifen wären, um sich des Königreiches Neapel schnell und ohne Widerstand zu bemächtigen, waren darin in eingehender Weise besprochen. Das Andenken an die Expedition des Grafen von Daun im Jahre 1707 wurde ins Gedächtniß zurückgerufen und daran erinnert, daß derselbe damals mit achttausend Mann die Eroberung des Königreiches vollbracht habe. Ein Gleiches sei auch jetzt wieder ausführbar. Sechs bis siebentausend Mann sollten von Triest nach den apulischen Häfen eingeschifft werden. Der König von Neapel besige kaum zwölftausend Soldaten; diese seien im Lande zerstreut, seit Monaten nicht bezahlt, in der übelsten Stimmung. Auf die erste Aufforderung würden sie ihre Fahnen verlassen und sich darnach drängen, unter denjenigen Maria Theresia's dienen zu dürfen. Auch Neapel würde widerstandslos die Thore öffnen, denn die ganze Bevölkerung der Hauptstadt, nur wenige Familien ausgenommen, welche durch ihren Vortheil den Bourbonen anhänglich gestimmt seien, nehme für Maria Theresia Partei. Freilich wäre es, um diese Kundgebung zu erleichtern, ungemein wünschenswerth, daß englische Schiffe vor Neapel erschienen und ungefähr zweitausend Soldaten ans Land seßten. Dann müßte König Karl III. Neapel verlassen, und mit seiner Abreise wäre auch der Sturz seiner Herrschaft cine vollendete Thatsache *).

Arneth, Maria Theresia. Bb. II.

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So verlockend solche Verheißungen auch sein mochten, so ver hinderte doch schon das unthätige Stilleliegen des Grafen Traun vor und nach der Schlacht von Camposanto die Verwirklichung dieses Planes.

Erst das Vordringen des Fürsten von Lobkowit regte dazu an, sich neuerdings mit der Ausführung des Projectes zur Eroberung Neapels zu beschäftigen. Und damals schien wohl in Folge des Abschlusses des Wormser Tractates die mißgünstige Stimmung Englands und Sardiniens endlich einer anderen Anschauung weichen zu wollen. Sie machten Miene, an die Erfüllung der Verpflichtungen zu schreiten, welche sie durch den Vertrag übernommen hatten, und da war denn natürlich diejenige der Mitwirkung zur unverweilten Vertreibung der Bourbons aus Italien eine der Zusagen **), auf deren Erfüllung Maria Theresia den größten Werth Legen mußte.

In der That tauchten jezt neue Versicherungen Lord Carterets auf, daß England die Unternehmung gegen Neapel um so nachdrücklicher unterstüßen werde, als die Verwirklichung derselben dem englischen Volke in hohem Grade erwünscht sei). Auch in Sardinien begann man sich das Ansehen größerer Geneigtheit zu geben, und Maria Theresia drang nun in beide Regierungen, ihr werkthätige Unterstüßung zur Ausführung dieses Planes angedeihen zu lassen. Früher habe man vielleicht schwanken können, ließ sie an beiden Höfen neuerdings erklären, sich entweder für den Zug nach Savoyen oder für den nach Neapel zu entscheiden. Jeßt sei jedoch der erstere in Folge der vorgerückten Jahreszeit unausführbar geworden, während der lettere die günstigsten Aussichten darbiete. Ja selbst die erstere Unternehmung, die Wiedereroberung Savoyens und der Einfall in Frankreich könne im künftigen Jahre mit ungleich größerem Nachdrucke durchgeführt werden, wenn inzwischen die kleine spanische Armee im Kirchenstaate vernichtet und Neapel erobert worden sei. Erst dann werde man gegen jede Gefahr von dorther gesichert sein. Sobald sie die definitive Zu sage erhalte, daß die englische Flotte im Mittelmeere befehligt sei, zur Unternehmung gegen Neapel mitzuwirken, und sobald Sardinien nur einige Bataillone zu dem Fürsten von Lobkowig stoßen lasse, werde

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