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Stadium getreten, in welchem sie den König von England persön lich angehe. Es wäre also nicht mehr als billig, daß er auch etwas von den ihm selbst gehörenden Schäßen im gemeinsamen Interesse verwende2).

Es ist kein Zweifel, daß man in Frankreich zu dem Entschlusse, sich des Prätendenten Stuart zur Bewerkstelligung einer Landung in Echottland zu bedienen, wenigstens zum Theile durch die Aufregung vermocht wurde, welche gerade damals in England gegen König Georg und Lord Carteret herrschte. Der trübselige Verlauf des Feldzuges, der mit den ungeheuren Kosten desselben in so grellem Contraste stand, gab dort die erste Veranlassung zum Mißvergnügen. Die fürwahr nicht zu rechtfertigende Handlungsweise des Königs, welcher an dem Solde sich bereicherte, den ihm England für seine hannoverschen Truppen bezahlte, rief eben so bitteren als begründeten Tadel hervor. Lord Carteret wurde nicht mit Unrecht beschuldigt, in allzu weit gehender Willfährigkeit gegen die Wünsche des Königs die Interessen des eigenen Landes vernach lässigt zu haben. Von der Fortbezahlung der hannoverschen Truppen wollte man nicht länger mehr hören; überall konnte man die Behauptung vernehmen, man brauche keinen hannoverschen König; ja der Name eines Hannoveraners war zu einer Art Schimpfwort geworden.

Da wurde die Nachricht von der Reise des Prätendenten nach Frankreich ruchbar. Sie bestätigte sich; man vermochte endlich nicht länger an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Durch sie wurde ein völliger Umschwung in der öffentlichen Stimmung hervorgebracht. Auch jest wieder bewies das englische Volk den politischen Tact, der es vor den Nationen des Festlandes so vortheilhaft auszeichnet. Vor der gemeinsamen Gefahr traten die inneren Streitigkeiten einstweilen in den Hintergrund zurück. Demselben König, den man wegen seines Feilschens mit dem Blute seiner Unterthanen, wegen seiner Bereicherung mit dem Gelde derselben verdienter Maßen gebrandmarkt hatte, wurden jezt ungeheure Susidien votirt. Und durch die umfassendsten Vorkehrungen rüstete man sich zur Vertheidigung gegen den Angriff, dessen das Vaterland gewärtig sein mußte.

Die Erfahrung lehrte es, daß der Wiener Hof ganz richtig gerechnet hatte, wenn er von der Nachricht, die er der englischen Regierung mittheilte, eine durchgreifende Wirkung erwartete. Aber in der Art und Weise, wie dieselbe sich äußerte, wurden seine Berechnungen doch keineswegs erfüllt. Die früheren Subsidien für Desterreich und Sardinien wurden zwar neuerdings votirt; das war aber auch so ziemlich Alles, und je größer die Anstalten zur Vertheidigung, desto geringer waren diejenigen zum Angriffskriege gegen Frankreich. Auch die Reise des österreichischen Generals Grafen Chanclos, eines ungemein kenntnißreichen Officiers, sowie diejenige des Herzogs von Aremberg nach England brachte nicht die gewünschte Wirkung hervor. Lange Zeit vermochten sie nicht einmal eine Zusammentretung mit den englischen Generalen zu erwirken, noch es zu hintertreiben, daß der Befehl nach den Niederlanden abging, einen Theil der dortigen britischen Truppen zur Einschiffung nach England bereit zu halten "3).

So ungünstig waren die Aussichten auf eine nachdrückliche Unterstüßung Maria Theresia's von Seite ihrer Verbündeten. Darum ließ jedoch die Königin den Muth nicht sinken und unverdrossen sezte sie die Verhandlungen fort, die Ursachen des Zwiespaltes möglichst zu beseitigen und ihre Alliirten zu einmüthigem Zusammenwirken wider den gemeinsamen Gegner zu vermögen. Von der Ueberzeugung durchdrungen, daß nichts in höherem Maße dazu beitragen werde, als wenn ihre eigenen Streitkräfte zahlreich und wohlgerüstet auf dem Kampfplaße erscheinen würden, bestrebte sich die Königin, hiezu die nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Unablässige Berathungen wurden von den in Wien versammelten Feldmarschällen gehalten, um zur Ergänzung und Ausrüstung der Truppen, zur Herbeischaffung der Kriegsbedürffnisse die geeignetsten Maßregeln ausfindig zu machen.

Wenn von denjenigen die Rede ist, welche in dieser Beziehung rastlose Thätigkeit entwickelten, so muß wohl Prinz Karl von Lothringen in erster Linie genannt werden. Derselbe war jeßt aus einem Feldzuge heimgekehrt, welcher allerdings in seinem späteren Verlaufe die Erwartungen nicht befriedigte, die man in seinem Beginne gehegt

hatte. Aber dennoch ließ sich nicht bestreiten, daß Karl von Lothringen es war, unter dessen Führung die österreichischen Truppen das ganze Land vom Jnn bis zum Rheine durchmaßen und die Feinde aus demselben vertrieben. Durch Baierns Wiedereroberung hatte er für Maria Theresia das köstliche Pfand neuerdings in Besit genom men, dessen sie sich für immer zu versichern gedachte. Und wenn die leßten Ereignisse des Feldzuges den früheren nicht glichen, so suchte und fand man in Wien die Schuld davon nicht in Karl von Lothringen, sondern in dem Könige von England und der Unthätigkeit seines Heeres.

So urtheilte wenigstens Maria Theresia selbst und mit ihr die allgemeine Meinung in Desterreich. Was die Königin persönlich betraf, so gab sie sich mit der ganzen Lebhaftigkeit ihres Wesens dem Gedanken hin, dem Prinzen Karl von Lothringen, dem einzigen Bruder ihres so sehr geliebten Gemahls schulde sie die Wiedereroberung Baierns und die Zurücktreibung der Franzosen bis über den Rhein. Ihm allein verdanke sie den herrlichen Tag der Krönung zu Prag, der durch die Nachricht von dem Siege bei Braunau zu einem Tage der Freude und des Glückes für sie geworden war. Sie sah in ihm den Retter ihrer selbst, ihres Hauses und ihrer Staaten, den würdigen Enkel jenes Karl von Lothringen, dem ja Desterreich schon einmal die Befreiung von übermächtigen Feinden verdankte. Zu diesem Gefühle der Anhänglichkeit an den Schwager, der Dankbarkeit für den Feldherrn kam noch die Sympathie, welche das freie, offene und im besten Sinne des Wortes soldatische Wesen des Prinzen, denn es war durch die gefälligsten und verbindlichsten Umgangsformen gemildert der Königin einflößte.

Man kann nicht sagen, daß Maria Theresia mit dieser Beur theilung des Prinzen Kar! von Lothringen allein stand; auch in dem Heere und in der Bevölkerung herrschte eine ähnliche Meinung Seine persönliche Tapferkeit, seine Unermüdlichkeit, seine vorsichtige Ueberlegung wurden als Tugenden des Feldherrn, sein zuvorkommendes, verbindliches Wesen und die echt menschliche Gesinnung, die er in Allem unverhüllt an den Tag legte, als Tugen

den des Prinzen und des Menschen gepriesen. Ja selbst die Gegner waren einmüthig in seinem Lobe, denn die rege Sorgfalt für das Wohl seiner eigenen Kriegsleute erstreckte sich auch auf die feindlichen Officiere und Soldaten, wenn sie durch das Geschick des Krieges in seine Hände geriethen").

Einen Beweis ihrer persönlichen Zuneigung hatte Maria Theresia dem Prinzen Karl von Lothringen schon kurz nach ihrer Thronbesteigung gegeben, als sie ihn zum Feldmarschall ernannte und ihm gleichzeitig den Rang und die Anciennetät vor allen an= deren österreichischen Generalen verlieh. Ein Jahr später erhielt er den Posten eines Generalgouverneurs der Niederlande; die höchste Gunstbezeigung sollte ihm jedoch erst jetzt zu Theil werden. Maria Theresia beschloß die schon von ihrem Vater gehegte Absicht zu verwirklichen und dem Prinzen ihre einzige Schwester Marianne zu vermählen.

Man weiß, daß Kaiser Karl VI. sich hiezu schon im Jahre 1736 gegen den Herzog Franz von Lothringen förmlich verpflichtete. Man kennt die späteren Bemühungen der Königin von Spanien und des Kurfürsten von Baiern, den Kaiser diesem Vorsaße abwendig zu machen und für Sprößlinge ihres Hauses die Hand der Erzherzogin Marianne, mit ihr aber natürlicher Weise auch einen Theil des österreichischen Ländergebietes zu gewinnen. Mit dem Tode des Kaisers und der Thronbesteigung Maria Theresia's fielen jene Bewerbungen hinweg, und es mochte im Allgemeinen an dem Gedanken festgehalten werden, die Erzherzogin dem Prinzen Karl von Lothringen zu vermählen. Ueber die Gründe, in deren Folge durch mehrere Jahre kein Schritt zur Verwirklichung dieses Planes geschah, gewährt ein Schreiben der verwitweten Kaiserin Elisabeth an den Grafen Gundacker Starhemberg nähere Andeutung"). Als der ihr von dem verstorbenen Kaiser in dessen leztem Willen beigeordnete Rathgeber wird Starhemberg aufgefordert, sich der Erzherzogin anzunehmen. Dieselbe sei die Tochter eines Kaisers, und es gebe kein Beispiel in der Geschichte des Hauses Oesterreich, daß eine solche einen jüngeren Prinzen geheirathet habe, der dieß sein Leben lang bleiben und sammt.

seiner Gemahlin nur in dem Bezuge einer Apanage seinen Unterhalt finden solle. Sie begreife wohl das zarte Gewissen ihrer älteren Tochter, welche in Anbetracht der Bestimmungen der prag= matischen Sanktion für die jüngere Schwester keine ansehnlichen Opfer zu bringen vermöge. Das zarte Gewissen der Mutter aber verpflichte sie zu Gunsten einer Tochter Vorstellungen zu machen, welche der sterbende Vater ihr so sehr empfohlen habe. Bloße Versicherungen ohne reelle Zugeständnisse besäßen nur wenig Werth. Wenn Maria Theresia unsterblich wäre, hätten all diese Sorgen ein Ende, denn ihre Liebe und Großmuth wären ja Bürgschaft für Alles. Da dieß jedoch nicht der Fall, so müsse die Kaiserin auf einer wirklichen Versoring ihrer Tochter und dadurch auch auf einer solchen für deren Gemahl und deren Kinder bestehen. Es sichert ja, so schloß die Kaiserin ihre Auseinandersetzung, jeder Privatmann seiner Braut und seinen Kindern im Heirathscontracte ein Eigenthum in Gütern oder in Geld zu. Wie leicht kann in diesem Kriege oder in dem darauffolgenden Frieden dem Prinzen Karl ein Land als Eigenthum zugewendet wer den, und er dann als regierender Fürst um die Erzherzogin anhalten.

Aus diesen leßteren Worten traten sowohl die Absicht der Kaiserin als das dagegen obwaltende Bedenken klar hervor. Elisabeth sah es als herabwürdigend für ihre Tochter an, sich einem Prinzen vermählen zu sollen, der kein Herrscher war über eigenes Land, sondern welcher Zeitlebens im Dienste und von der Gnade Anderer seinen Unterhalt zu erwarten hatte. Von der Erlangung eines eigenen Länderbesizes wollte also die Kaiserin die Hand ihrer Tochter abhän gig machen. Das Bedenken aber lag in der Schwierigkeit für den Prinzen, eines solchen Besizes theilhaft zu werden. Auf Kosten der österreichischen Staaten konnte ihm Maria Theresia denselben nicht zuwenden. Und auch auf dasjenige, was die Königin als Schadlos=" haltung für den erlittenen Verlust in Anspruch nehmen zu können glaubte, durfte sie im Interesse ihres Hauses und ihres Reiches nicht zu Gunsten dritter Personen verzichten, wie nahe ihr dieselben auch sonst etwa stehen mochten. So blieb die Sache unentschieden, bis

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