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endlich die glücklichen Kriegsthaten des Prinzen und die Erkenntlichkeit, welche man ihm dafür überall in Desterreich, insbesondere aber am Hofe schuldig zu sein glaubte, daß Herz der Kaiserin milder gestimmt haben mochten. Vielleicht erschien auch der Erzherzogin selbst der mit so reichem kriegerischen Lorbeer geschmückte Bewerber jest in noch günstigerem Lichte. Gewiß ist nur, daß im Laufe des Sommers 1743 Prinz Karl dringender als je zuvor seine Bitte um die Hand der Erzherzogin wiederholt. So richtet er aus dem Lager bei Stollhofen einen Brief an seinen Bruder und bittet ihn um dessen Vermittlung bei der verwitweten Kaiserin, von welcher es abhänge, ihn zum glücklichsten Manne auf Erden zu machen"). Die Antwort, die er erhielt, ist nicht bekannt geworden, doch scheint fie eine günstige gewesen zu sein, denn von nun an enthalten die Schreiben des Prinzen an den Großherzog fast jedesmal Worte der Liebe und Ergebenheit für die Erzherzogin"), welche auch ihrerseits diesen Gefühlen nicht fremd geblieben zu sein scheint. Bald war es kein Geheimniß mehr, daß nach der Rückkehr des Prinzen aus dem Feldlager die Vermählung stattfinden solle. Man sprach in Wien davon, daß Maria Theresia ihrer Schwester gleichzeitig mit dem Prinzen Karl von Lothringen die Regentschaft der Niederlande zu übertragen gedenke. Den aus dieser Ehe entsprossenen Kindern sollte diese Würde nach dem Rechte der Erstgeburt für alle Zukunft erblich verbleiben").

In solcher Weise scheint man getrachtet zu haben, die Bedenken der Kaiserin gegen die Vermählung ihrer Tochter mit dem Prinzen Karl zu beschwichtigen. Die Trauung fand denn auch am 7. Jänner 1744 unter Beobachtung der gewöhnlichen Feierlichkeiten statt. Eine enthusiastische Beschreibung der letteren, welche allem Anscheine nach der Feder eines Höflings entstammt, findet nicht Worte genug, die Pracht und den Aufwand zu schildern, welche hiebei an den Tag traten. Besonders aber rühmt sie die blendende Schönheit, die Majestät und doch zugleich die Anmuth der Königin selbst. Nichts ließ sich mit ihr und ihrer Schwester vergleichen. Als die beiden Fürstinnen in glanzvoller Kleidung und „Berge von Diamanten auf dem „Haupte")“ Hand in Hand den Augustinergang herab der Kirche zu

schritten, von einem zahlreichen und glänzend geschmückten Hofstaate umgeben, da glaubte man, so läßt jene überschwengliche Stimme sich vernehmen, Göttinnen zu sehen, wie man sie sich eben in menschlicher Gestalt vorzustellen vermag ").

Größeres Interesse als an diesen Uebertreibungen gewinnt man an der lebhaften Freude, welche Maria Theresia über die Vereinigung zweier ihr so nahe stehender Personen empfand und die sie in der ihr eigenen herzlichen Weise ungeschminkt an den Tag legte. Den größten Beweis ihrer Sorgfalt aber gab sie dem neu ver mählten Paare ohne Zweifel durch die Auswahl des Mannes, welchen sie dazu bestimmte, ihm bei der Regierung der Niederlande zur Seite zu stehen. Graf Wenzel Kaunit wurde zu diesem Posten ausersehen und deshalb zum Obersthofmeister der Erzherzogin Marianne ernannt "1).

Es kann nicht gesagt werden, daß Kauniß selbst durch diese Wahl in freudiger Weise überrascht worden wäre. Er besorgte, mit der ihm jezt verliehenen Stelle würde kaum ein Schatten des Ansehens und der Machtvollkommenheit verbunden bleiben, wie dieß frü her der Fall gewesen sei. Er fürchtete, der mit so vielem Glücke eingeschlagenen Laufbahn gänzlich entfremdet und in eine Art hofmännischer Dienstleistung gezwängt zu werden, welche der Selbstständigkeit seines Wesens nicht zusagte"). Aber seine Gegenvorstellungen blieben fruchtlos. Maria Theresia hatte die höchste Meinung von den Fähigkeiten des Grafen Kauniß gewonnen, und sie glaubte ihrer Schwester keinen erleuchteteren Rathgeber beigesellen zu können. Einen solchen hielt sie jedoch schon darum für dringend nothwendig, weil sie vorhersah, daß Karl von Lothringen einen großen Theil des Jahres in den Feldlagern zubringen werde. Die Verleihung der Würde eines geheimen Rathes und des goldenen Vließes sollte dazu dienen, dem Grafen Kauniß das von ihm verlangte Opfer zu erleichtern.

Auch noch ein anderer Grund waltete für Maria Theresia ob, auf dem einmal gefaßten Beschlusse zu bestehen. Sie war bekanntlich in hohem Maße unzufrieden, daß die Conferenzen zur Vereinbarung einer gemeinschaftlichen Kriegsunternehmung gegen Neapel kein

günftigeres Ergebniß geliefert hatten. Es taucht eine Andeutung auf, daß man Kauniß im Verdacht hatte, in dieser Sache nicht mit dem gehörigen Nachdrucke vorgegangen zu sein "). Freilich widerspricht dieser Vermuthung wieder die lebhafte Anerkennung, welche Maria Theresia dem Wirken des Grafen Kauniß in Turin jederzeit zu Theil werden ließ. Eine Ursache seiner Abberufung von dort dürfte vielmehr in dem Umstande gelegen sein, daß das in leßterer Zeit fast feindselig gewordene Verhältniß des Grafen Kauniß zu dem Marquis d'Ormea das Auftreten eines anderen österreichischen Repräsentanten am Turiner Hofe wünschenswerth machte. Kaunit wurde dort durch den Grafen Richecourt erseßt.

Am 23. Februar 1744 trat das neuvermählte Paar die Reise nach Brüssel an, nicht ohne gewisse Vorsichten zu beobachten, denn man hatte von Paris die Anzeige erhalten, die französische Regierung beschäftige sich mit einem Anschlage, den Prinzen Karl von Lothringen und seine Gemahlin während der Reise nach den Niederlanden aufzuheben. Nur gegen die Loslassung aller in Desterreich befindlichen französischen Gefangenen sollte ihnen die Freiheit wiedergegeben werden "). Sie trafen jedoch ohne Gefährde in Brüssel ein, und wurden dort mit großen Ehrenbezeigungen bewilltommt ").

Maria Theresia's lebhafte Freude über die Vermählung ihrer Schwester mit Karl von Lothringen wurde durch einen Trauerfall getrübt, der um jene Zeit sich ereignete. Der Feldmarschall Graf Khevenhüller, welcher nach Beendigung des Feldzuges gleichfalls nach Wien zurückgekehrt war und hier an den Berathungen über die Maßregeln zur Fortführung des Krieges hervorragenden Antheil nahm, wurde mitten in dieser Thätigkeit von schwerer Krankheit überfallen. Erst vor wenig Tagen hatte ihm Maria Theresia zugleich mit Ulfeld, Kaunis, Friedrich Harrach, Traun, Philipp Kinsky, Colloredo, Her berstein, Tarouca und noch sieben Anderen durch Verleihung des goldenen Vließes einen neuen Beweis ihrer Huld gegeben. Immer war fie dessen eingedenk, daß Khevenhüller zuerst von allen ihren Generalen das Kriegsglück gewendet, daß er durch die Wiedereroberung des Landes ob der Enns, durch die Einnahme Baierns der schon verloren

geglaubten Sache des Hauses Oesterreich neuen Aufschwung gegeben. Auch seither hatte er in jeder Beziehung sehr ausgezeichnete Dienste geleistet. Maria Theresia war über den ihr drohenden Verlust aufs tiefste betrübt. Durch einen persönlichen Besuch bei dem Kranken, durch huldreiche Worte zu ihm, und durch Aeußerungen des lebhaften Bedauerns gegen Andere legte die Königin ihren Schmerz an den Tag. Nach der Versicherung eines Augenzeugen war sie in höherem Maße ergriffen, als dieß sonst sogar bei Ereignissen von noch größerer Tragweite der Fall gewesen"). Auch die Bevölkerung Wiens zeigte regen Antheil, denn auch sie hielt ja Khevenhüllers rastlose Bemühungen, die Stadt gegen die Baiern und Franzosen in Vertheidigungsstand zu seßen, in ehrendstem Andenken. Auch für sie war der 26. Jänner 1744, an welchem der Feldmarschall verschied, ein Tag der Trauer.

Der Tod Khevenhüllers nöthigte dazu, sich allsogleich mit der Frage zu beschäftigen, durch wen derselbe am besten zu erseßen sein würde. Je größer die Aufgaben waren, welche man dem österreichischen Heere zudachte, an dessen Leitung Khevenhüller bisher so hervorragenden Antheil genommen, um so schwieriger erschien es einen Mann zu finden, welcher denselben gewachsen erschien. Manche dachten an den alten Feldmarschall Grafen Wallis; doch hätte die Erinnerung an die traurigen Ereignisse, die an seinen Namen sich knüpfte, gewiß nicht dazu gedient, das Heer mit jenem Vertrauen auf seinen Führer zu durchdringen, welches bei Khevenhüller von so günstiger Wirkung gewesen war"). Andere meinten, es wäre wün schenswerth, den Fürsten von Lobkowiß aus Italien zurückzuberufen. Die Königin selbst aber entschloß sich für den Feldmarschall Grafen Traun. Und es läßt sich nicht läugnen, daß die Wahl dieses Mannes, was auch gegen sein Alter und seine in vielen Fällen zu weit getriebene Milde und Langmuth etwa eingewendet werden mochte, doch in jeder Beziehung die glücklichste war").

In Mähren wurde Graf Traun durch den Feldzeugmeister Fürsten Wenzel Liechtenstein erseßt; der General der Cavallerie aber, Graf Karl Batthyany, ein Bruder des ungarischen Hofkanzlers Lud

wig Batthyany, wurde auf die dringende Empfehlung des Prinzen Karl von Lothringen mit dem Commando in Baiern betraut. Denn er galt als tappfer und umsichtig und man rühmte an ihm, daß er sich durch unvorhergesehene Ereignisse nicht einschüchtern lasse 7).

Wo von den Veränderungen in den Personen die Rede ist, welchen die Leitung der Heere anvertraut wurde, mag auch der Blaß sein, der Ergänzungen Erwähnung zu thun, welche Maria Theresia um jene Zeit in dem Kreise ihrer Rathgeber vornahm. Die geheime Conferenz wurde durch drei Mitglieder vermehrt, die Grafen Harrach, Colloredo und Herberstein.

Graf Friedrich Harrach, der älteste Sohn des erst vor Kurzem verstorbenen Conferenzministers Alois Harrach, war schon in jungen Jahren vielfach zu diplomatischen Sendungen gebraucht worden. In Turin, in Regensburg und am Hofe des Kurfürsten von Köln hatte er die Interessen des Hauses Desterreich vertreten; zuleßt aber stand er als Obersthofmeister der Erzherzogin Elisabeth, Statthalterin der Niederlande, und auch nach ihrem Tode noch der Regierung dieses Landes vor. Die Neubeseßung der Statthalterschaft machte es möglich, Harrachs langjährigen Wunsch zu erfüllen und ihn nach Wien zurückkehren zu lassen. Sein Eintritt in die geheime Conferenz wurde von Allen, deren Urtheil nicht etwa von vorgefaßter Meinung oder persönlicher Mißgunst getrübt wurde, in hohem Maße gebilligt. Er galt als ein Mann von reichen Kenntnissen, von scharfsinnigem Urtheil und gleichzeitig von den rechtlichsten Grundsäßen. Zudem befand er sich damals im rüstigsten Mannesalter, und schon kurz nach dem Antritte seines neuen Amtes machte die bedeutende geistige Kraft sich fühlbar, welche die Conferenz an Harrach gewonnen hatte. Man sagte von ihm vorher, daß er den hervorragendsten Staatsmännern sich anreihen werde, welche jemals dem Hause Desterreich ihre Dienste gewidmet hatten "o).

Geringere Erwartungen als von Harrach glaubte man von den zwei anderen neu ernannten Mitgliedern der Conferenz, den Grafen Colloredo und Herberstein hegen zu sollen. Der Erstere verdankte

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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