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seine Berufung zumeist der huldreichen Gesinnung Maria Theresia's für den Dheim Colloredo's, den greisen Gundacker Starhemberg, wäh rend Herberstein sich die Gunst der Königin erworben hatte, als er noch vor ihrer Thronbesteigung die Stelle ihres Obersthofmeisters bekleidete.

Es wird behauptet, daß Maria Theresia auch den Grafen Larouca in die Conferenz zu ziehen beabsichtigte. Seine hervorra gende Begabung ließ ihn allerdings zu einem solchen Posten vorzugsweise geeignet erscheinen "1). Außerdem war Tarouca bekannter MaBen im eigentlichen Sinne des Wortes eine Vertrauensperson der Monarchin. Aber er besaß eine ganz eigenthümliche Scheu, allzu sehr in den Vordergrund zu treten. Obwohl es ein öffentliches Geheimniß war, daß er von Maria Theresia oftmals zu Rathe gezogen wurde, stellte er solches doch stets entschieden in Abrede. Er zog es vor, seine Gedanken nur dann zum Ausdrucke und zur Geltung zu bringen, wenn es ihm von besonderer Wichtigkeit schien, denselben Eingang bei der Königin zu verschaffen. Aber in den Strudel der großen Geschäfte wünschte er niemals gerissen zu werden, und bis an das Ende seines Lebens war er ängstlich bemüht, sich von den= selben entfernt zu halten.

Eilftes Capitel.

Wenn Maria Theresia's Verbündete in Gemäßheit des Wormser Tractates ihr noch im Herbste des Jahres 1743 zur Eroberung Neapels thatkräftigen Beistand geleistet hätten, so wäre höchst wahrscheinlicher Weise dieses Land binnen wenig Monaten den Bourbonen verloren gegangen. Die lange Verzögerung des entscheidenden Entschlusses verschlechterte jedoch die Lage der Sache, und was im Oktober 1743 leicht ausführbar gewesen wäre, war es im Jänner des folgenden Jahres nicht mehr. Nicht aus üblem Willen erklärte nun Mathews seine Flotte nicht theilen zu können, indem eine Schwächung derselben ihn leicht in Gefahr brächte, bei dem zu erwartenden Zusammenstoße mit den Franzosen und Spaniern zu erliegen. Die späteren Ereignisse rechtfertigten seine Voraussicht. Am 22. Februar 1744 kam es bei den hyerischen Inseln zur Seeschlacht. Dieselbe blieb unentschieden. Beide Theile rühmten sich des Sieges, aber beide zogen sich, und zwar die Engländer nach Port Mahon, die Franzosen und Spanier nach Barcelona, Cartagena und Alicante zurück.

So entschwand den im Kirchenstaate einander gegenüber stehenden Heerführern, dem Fürsten von Lobkowiß und dem Grafen Gages gleichzeitig die Hoffnung auf Hülfe zur See. Auch auf den Beistand Sardiniens durfte Lobkowiß in keiner Weise mehr rechnen, denn durch die Entfernung der englischen Flotte von Villafranca war jetzt wirklich ein Angriff von dorther gegen Piemont wahrscheinlich geworden.

Ihm zu begegnen mußte Karl Emanuel seine Truppen ungeschmälert beisammen erhalten.

Lobkowiz sah sich daher nach wie vor auf seine eigene Streitmacht beschränkt. Und dieselbe war allerdings gering, um mit ihr an die Eroberung eines ganzen Königreiches zu schreiten. Dennoch konnte Lobkowig, der ohnehin schon allzu viele Zeit unthätig zu Rimini verloren, es nicht mehr verschieben, endlich an die Erfüllung seiner Aufgabe zu schreiten. Am 7. März 1744 verließ er Rimini mit dem Vorsaße, die Epanier in ihrer festen Stellung bei Pesaro anzugreifen. Gages gab dieselbe jedoch freiwillig auf und wich bis Pescara zurück, das schon auf neapolitanischem Gebiete gelegen ist. Lobkowit ging bis an den Tronto, welcher die Grenze zwischen dem Kirchenstaate und dem Königreiche Neapel bildet. Hier aber harrte er der Verhaltungsbefehle, die er sich von der Königin erbeten hatte.

Es gibt gewisse Behauptungen, welche so oft wiederholt und so unumstößlich geglaubt werden, daß selbst die begründetste Wider: legung sich als machtlos erweiset und den Glauben an sie nicht zu erschüttern vermag. Zu ihnen gehört die Angabe, der österreichische Hofkriegsrath habe die Feldherren, welche an der Spiße der Heere sich befanden, in so strenger Abhängigkeit gehalten, daß er ihnen vor Wien aus die Unternehmungen vorschrieb und auf deren Ausführung auch dann noch bestand, wenn die Umstände an Ort und Stelle sich völlig geändert hatten. Eben so sei es ihnen untersagt gewesen, auch von den günstigsten Verhältnissen Nußen zu ziehen und Entschlüsse zu verwirklichen, welche nicht zuvor die Billigung des Hofkriegsrathes erhalten hätten. Natürlich sei über der Anfrage und der Beantwortung derselben der günstige Moment zur Unternehmung meistens versäumt worden.

Die Fabel von dem Verbote eine Schlacht zu liefern, welches dem Prinzen Eugen vor dem Siege bei Zenta zukam, und von der Bestrafung des Ungehorsams durch die Verhaftung des Siegers geht in dieser Richtung allerdings am weitesten. Aber auch sonst begegnet man oft der Versicherung, dieser oder jener Feldherr sei in seinem

Siegeslaufe durch die Nothwendigkeit gehemmt worden, die Befehle des Hofkriegsrathes einzuholen. Oder es wird behauptet, gewiß wäre dort oder da ein namhafter Sieg erfochten worden, wenn nur die Erlaubniß des Hofkriegsrathes rechtzeitig eingetroffen wäre, eine Schlacht zu liefern. Sieht man jedoch näher zu, so ist es fast immer die Unschlüssigkeit des Feldherrn und die Furcht, auf eigene Berantwortung einen entscheidenden Schritt zu thun, wodurch die Anfrage bei dem Hofkriegsrathe veranlaßt wird. Und fast immer erfolgt die Antwort, daß man auf so weite Entfernung von Wien feine bestimmten Befehle zu ertheilen vermöge und es lediglich dem Heerführer anheimstellen müsse, je nach der Lage der Dinge auf dem Kriegsschauplage selbst seine Entschlüsse zu fassen.

Aehnliches war auch jezt wieder der Fall. Als Lobkowiß von Rimini aufbrach, sandte er einen seiner Adjutanten um Verhaltungsbefehle nach Wien. In seiner Stellung am Tronto harrte er der Rückkehr desselben und versäumte es darüber, den Spaniern nachzudringen und sie zu schlagen. Denn da er ihnen nicht unbeträchtlich überlegen war, so wäre an ihrer Niederlage kaum zu zweifeln gewesen.

Gegen Ende des Monates März erhielt der Feldmarschall das erwartete Schreiben der Königin. Sie billigte den Entschluß, welchen er gefaßt hatte; doch wurde ihm gleichzeitig erklärt, der Hofkriegsrath vermöge ihm keine Verhaltungsbefehle zu ertheilen. Er müsse seine ferneren Schritte den Umständen anpassen. Denn man könne in Wien nicht vorhersehen, ob der König von Neapel seine Truppen mit den Spaniern vereinigen werde, ob Lobkowiß auch dann noch im Stande sei, sich mit den feindlichen Streitkräften zu messen, ob für die Subsistenz seiner Truppen hinlänglich gesorgt sei. Jedermann wisse, daß sich im Kriege die Umstände täglich verändern, und was heute nüßlich und ausführbar, es am folgenden Tage nicht mehr sei. Im Allgemeinen müsse jedoch an der Absicht festgehalten werden, die Unternehmung gegen Neapel durchzuführen. Mit Truppen vermöge man ihn leider nicht zu verstärken, und auch an Geld könne man nicht mehr als zweimalhunderttausend Gulden übersenden 1).

Das war der Bescheid, welchen Lobkowiß nach so langer Erwartung endlich erhielt. Auch er vermochte ihn nicht aus seiner Unschlüssigkeit zu reißen, und es kann wohl keinen sprechenderen Beweis für dieselbe geben, als daß Lobkowiß jezt nochmals den Grafen Colloredo um Verhaltungsbefehle nach Wien sandte. Neuerdings harrte er derselben und verlor darüber die kostbare Zeit, welche ungleich besser als von ihm jezt von seinem Gegner benüßt wurde.

Kaum hatte König Karl III. erfahren, daß die Spanier auf neapolitanisches Gebiet zurückgedrängt worden seien, als er seine ganze Macht zu ihrer Unterstützung aufzubieten beschloß. Am 25. März verließ der König Neapel und führte seine Truppen persönlich über die Apenninen nach Castel di Sangro. Hier gedachte er die weiteren Unternehmungen der Oesterreicher abzuwarten.

In Wien war man in hohem Grade unzufrieden mit dem Benehmen des Fürsten von Lobkowiß. Seine Heftigkeit, ja um es geradezu auszusprechen, seine Unbesonnenheit hatte man dort gez fürchtet; übereilter Entschlüsse, nicht aber zaghafter Aengstlichkeit war man von ihm gewärtig. Daß dieselbe jezt in jedem seiner Schritte sich bemerkbar machte, erregte allenthalben, insbesondere aber bei denjenigen Bestürzung, welche Lobkowiß zur Führung des Commando's in Italien vorgeschlagen hatten. So lebhaft gab sich dieses Gefühl bei Bartenstein kund, daß Maria Theresia selbst ihn zu trösten versuchte. „Ich bin ganz traurig,“ schrieb sie ihm, „daß „Ihr das Herz sinken lasset. Meines ist seit Khevenhüllers Tode ,,weg, also bedarf ich viel nöthiger Eures Soutien ")." Aber die Königin erreichte damit die gewünschte Wirkung nicht. „Zeit ver„loren, Alles verloren,“ läßt sich Bartenstein später über Lobkowit neuerdings vernehmen ), und er kennzeichnet damit am richtigsten die Sachlage, wie sie wirklich war. Schon jezt durfte man auf einen günstigen Ausgang der Unternehmung des Fürsten von Lobkowit kaum mehr hoffen.

Am wenigsten konnten dieser Meinung diejenigen sich verschließen, welche sich durch eigene Anschauung von dem Stande der Dinge im österreichischen Feldlager zu überzeugen vermochten. Von Rom aus

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