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Marsch nach Böhmen zurückzulegen und sich dort einem jungen unerfahrenen Prinzen unterzuordnen. Im Falle eines günstigen Erfolges der gemeinsam auszuführenden Unternehmungen werde er, daran war nicht zu zweifeln, Jenem den kriegerischen Ruhm überlassen, für ein Scheitern derselben aber die Verantwortung tragen müssen. Ein solcher Tausch erschien dem Feldmarschall allzu peinlich, um nicht wenigstens einen Versuch zu machen, sich demselben zu entziehen.

Die Lauigkeit, welche damals die Generale bei Befolgung der erhaltenen Befehle oftmals an den Tag zu legen sich erlaubten, tritt hier auch bei einem der Ausgezeichnetsten aus ihnen, bei Kheven= hüller recht grell an das Licht. Weit davon entfernt, sich den empfangenen Befehlen unweigerlich zu fügen, ergeht er sich in ausführlichen Vorstellungen wider dieselben. Er erklärt es für ganz unmöglich, mit zwölftausend Mann nach Böhmen zu ziehen und dorthin, wie die Königin es gewünscht hatte, so viel an Lebensmitteln aus Baiern mit sich zu führen, um diese Truppen aus den mitgebrachten Vorräthen eine Zeit lang ernähren zu können. Man bedürfe hiezu einer so großen Anzahl von Wagen und Pferden, wendet er dagegen ein, als man vielleicht erst nach der Besezung aller baierischen Lande aufzubringen vermöchte. Uebrigens stelle sich der anbefohlene Zug nach Böhmen auch keineswegs als so nothwendig dar, wie man dieß in Wien anzunehmen scheine. Das Heer in Böhmen befinde sich in günstiger Stellung. Die dort an= wesenden französischen und baierischen Streitkräfte hätten durch Krankheiten und die sonstigen Beschwerden eines Winterfeldzuges unsäglich gelitten. Die Unternehmungen des Königs von Preußen könnten nur sehr langsam vor sich gehen, und es müsse doch wenigstens abgewartet werden, was denn von Seite desselben eigentlich beabsichtigt werde. Nirgends werde der Feind ausreichende Subsistenz finden, und zu einer Belagerung von Wien seien gar große Vorbereitungen erforderlich, indem sich ja die Hauptstadt jeßt in gutem Vertheidigungszustande befinde. Er bitte daher wenigstens für den Augenblick seine Unternehmungen in Baiern ungestört fortseßen zu dürfen und zu feiner Entsendung von Truppen nach Böhmen verhalten zu werden 9).

In Wien herrschte jedoch eine den Anschauungen Khevenhüllers gerade entgegengesezte Meinung. Die Fruchtlosigkeit der Verhandlungen, welche man durch Robinsons und Lord Hyndfords Vermittlung unablässig mit König Friedrich gepflogen hatte, und in denen sogar das von Maria Theresia persönlich ausgehende 10) Anerbieten zur Abtretung eines Theiles von Oberschlesien unberücksichtigt geblieben war, hatte die Königin mehr und mehr in der Ueberzeugung bestärkt, auf ein auch nur einigermaßen befriedigendes Abkommen mit Preußen sei durchaus nicht zu hoffen. Nur mit größtem Widerstreben und nur weil sie, auch hierin Bartensteins Ansicht beipflichtend, wenigstens England und Holland gegenüber ihre Nachgiebigkeit gegen Friedrich nochmals bethätigen wollte, gab sie ihre Zustimmung zu einem erneuerten Schritte, welcher in Folge eines Wunsches des Großherzogs Franz bei dem Könige von Preußen gethan werden sollte.

Schreiben Sie dem Könige, wenn Sie es so wollen," so lauten Maria Theresia's Worte an ihren Gemahl, welcher sich da= mals noch in Linz befand, „aber er ist dessen nicht würdig und „wird einen üblen Gebrauch davon machen. Erniedrigen Sie sich „nicht und bedienen Sie sich des günstigen Vorwandes unserer Eroberungen 11)".

Die Nachgiebigkeit seiner Gemahlin benüßend, seßte der Großherzog, in Folge der dringenden Bitten Maria Theresia's nach Wien zurückgekehrt, es durch, daß er in seinem eigenen Namen eine Person seines vollsten Vertrauens, seinen ehemaligen Erzieher Baron Pfütschner in geheimer Mission nach Olmüß entsenden durfte. Er sollte Friedrich neuerdings Anträge zum Abschlusse des Friedens und eines Bündnisses mit der Königin von Ungarn vorlegen. Zur Zustandebringung eines solchen hätte Pfütschner, wenn er den König hiezu geneigt fände, eine persönliche Zusammenkunft desselben mit dem Großherzoge von Toscana anzuregen.

Pfütschner war darum als geeignete Mittelsperson erschienen, weil ihn König Friedrich noch von der Zeit her kannte, als er mit seinem Zöglinge Franz von Lothringen Berlin besucht und durch längere Zeit daselbst verweilt hatte. Er war jener Erzieher der lothringischen Prinzen, welcher vor fünfundzwanzig Jahren den jungen Du

val im Walde von Miremont als Hirten gefunden, dessen vielversprechende Begabung erkannt und es veranlaßt hatte, daß ihm jene wissenschaftliche Ausbildung zu Theil wurde, in deren Folge Duval in die Reihe der ersten Gelehrten seiner Zeit trat. Pfütschner selbst stand sowohl seiner vielseitigen Kenntnisse als seiner seltenen Uneigennüßigkeit wegen in allgemeiner Achtung. Freilich galt er auch als trocken und pedantisch, und er mag darum wenigstens nicht in jeder Beziehung der passendste Unterhändler für den lebhaften und geistvollen König gewesen sein 12).

Am Morgen des 4. Februar in Olmüß eingetroffen, wurde Pfütschner von Friedrich mit vieler Zuvorkommenheit empfangen. In anderthalbstündigem, vertraulichem Gespräche seßte er dem Könige den Zweck seiner Sendung auseinander und hörte die Erwiderungen Friedrichs mit an. Der König behauptete, die Ankunft Pfütschners sei ihm schon darum willkommen, weil er selbst sich eben bemüht habe einen Weg zu finden, auf welchem er dem Großherzoge von Toscana Vorschläge zu einem gütlichen Vergleiche zukommen zu lassen vermöchte. Allerdings könne der Großherzog nicht verlangen, daß Preußen von dem mächtigen Bündnisse, an welchem es Theil nehme, sich trenne, um ein solches mit Maria Theresia einzugehen, die von allen Freunden und Verbündeten verlassen sei und jeder Hülfsquelle entbehre. Die geringe Geldhülfe, welche die Königin aus England bezogen, habe aufgehört, ihre eigenen Länder aber seien völlig erschöpft und unfähig zu irgend einem Erträgnisse. Frankreich beabsichtige das Haus Desterreich aus Deutschland zu vertreiben und in dieser Beziehung suche der Cardinal Fleury seine beiden Vorgänger Richelieu und Mazarin noch zu überbieten. Die sechstausend Hessen, welche sich im Solde Englands befänden, seien dem neuen Kaiser angeboten worden, die Dänen aber auf dem Rückmarsche nach ihrer Heimath be griffen. Das deutsche Reich werde seinem Kaiser beistehen, und es gebe keinen noch so kleinen Fürsten daselbst, welcher nicht seine Hülfeleistung in der Hoffnung anbiete, irgend ein Besißtum zu erhaschen, über welches der Kaiser zu verfügen habe. Zwanzigtausend Franzosen seien auf dem Marsche nach Baiern. Schon im bevor

stehenden Frühlinge werde der Kaiser eine beträchtliche Reichsarmee auf den Beinen haben. Die Truppen der Königin seien zwar tapfer, aber auf die Länge könnten sie doch der Uebermacht ihrer Feinde nicht widerstehen, indem Niemand, so kriegstüchtig er auch sei, gegen die dreifache Ueberzahl anzukämpfen vermöge. „Wenn die Königin,“ seßte Friedrich hinzu, „eine einzige Schlacht verliert, geht fie rettungslos zu Grunde, insofern ihr nicht ein österreichisches Wunder zu Hülfe kommt. Doch rathe ich ihr nicht, es darauf „ankommen zu lassen.“

Nochmals und in noch eindringlicheren Worten kam der König auf die Gefahren zurück, mit welchen Frankreich Maria Theresia bedrohe. Frankreich habe, so versicherte Friedrich, die Revolution in Rußland veranlaßt, durch welche dieses Reich außer Stand gesezt worden sei, der Königin von Ungarn die vertragsmäßige Hülfe zu leisten. Frankreich habe beim Abschluffe des Belgrader Friedens die Pforte verpflichtet, mit dem Hause Desterreich jederzeit zu brechen, wenn es die französischen Interessen erheischten. Jeßt einen solchen Bruch herbeizuführen sei Frankreich eifrigst bemüht, und nur zu die= sem Ende befinde sich gegenwärtig ein türkischer Botschafter in Paris. Die Pforte sehne sich nach dem Wiederbesiße des Temeswarer Banates; was würde wohl das Schicksal der Königin von Ungarn sein, wenn in diesem Augenblicke die Pforte den Frieden bräche? Und in einem Zeitpunkte so drängender Gefahr für Maria Theresia wolle man ihm rathen, ein Bündniß mit ihr abzuschließen und Frankreich zu bekriegen, dessen Einmarsch in das deutsche Reich und in Baiern er selbst herbeigeführt habe? Nun und nimmermehr werde er sich zu einem solchen Entschlusse verleiten lassen.

In Bezug auf den Vertrag über die Theilung der österreichischen Länder sei er zwar, fuhr Friedrich fort, nicht so weit gegangen wie die übrigen Mächte. Denn Frankreich beabsichtige dem Hause Desterreich alle seine deutschen Länder zu entreißen, und insbesondere dem Kurfürsten von Sachsen außer Mähren und Oberschlesien auch noch den niederösterreichischen Kreis ober dem Mannhartsberge zu geben. Er wolle vielmehr, erklärte Friedrich, daß der Königin von Ungarn noch Macht genug verbleibe, auf daß es sich verlohne, dereinst ein

Bündniß mit ihr einzugehen. Aber als Nachbarin wolle er sie nicht haben, denn da würde sie die geringste Gelegenheit benüßen, ihm dasjenige wieder abzunehmen, was er ihr entrissen habe.

Seinem Wunsche gemäß solle ihr nebst Ungarn auch noch Desterreich und Tirol, ja sogar noch ein Theil von Mähren verbleiben. Um dieß zu erreichen, müsse sie jedoch unverzüglich an Baiern, Sachsen und Preußen Friedensvorschläge gelangen lassen und dem Ersteren Böhmen, dem Zweiten Oberschlesien und einen Theil von Mähren anbieten. Er für sich selbst verlange nicht mehr als Glaß, und er bürge dafür, daß Sachsen, welches er völlig in der Hand habe, ja daß auch der Kaiser sich mit jenen Anerbietungen begnügen werde. Er erwarte hierüber weitere Eröffnungen von Seite des Wiener Hofes, und dieselben sollten ihm, um durchaus keinen Verdacht zu erregen, durch Vermittlung des Olmüßer Domherrn Grafen Franz Giannini gemacht werden. Auf ihn hatte Schmettau, der sich nun wieder bei dem Könige von Preußen befand, dessen Aufmerksamkeit gelenkt.

Nochmals empfahl Friedrich dem Sendboten des Großherzogs die Beobachtung des tiefsten Geheimnisses. Neuerdings erging er sich hiebei in Anklagen gegen den Wiener Hof wegen Verlautbarung des Vertrages von Kleinschnellendorf. Mit einer Verwünschung begleitete er die Versicherung, daß wenn ihm Aehnliches auch jeßt widerführe, er mit Feuer und Schwert in Desterreich vordringen werde. Bald beruhigte er sich jedoch wieder und in der gleichen zuvor kommenden Weise, in welcher er Pfütschner aufgenommen, entließ ihn der König. Doch bezeichnete er noch zuvor eine Zusammenkunft mit dem Großherzoge für den Augenblick als unpassend. Neuerdings betonte er, daß er für seine Person durchaus keine Absichten auf Mähren hege. Den Erklärungen des Großherzogs von Toscana über die ihm durch Pfütschner zu überbringenden Vorschläge sehe er mit Spannung entgegen 13).

Friedrich kannte die Anschauungsweise und die Festigkeit Maria Theresia's allzuwohl, um nicht zu wissen, daß sie sich, ohne es auf das Aeußerste ankommen zu lassen, ohne im wahrsten Sinne des

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