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sandte der Bischof von Gurk einen Geistlichen, den Neapolitaner Paolo Giordani nach Macerata, wo Lobkowiß sich damals befand. Die Berichte Giordani's entwerfen kein günstiges Bild von den Zuständen bei dem Heere. Die langdauernde Unthätigkeit hatte die Generale veruneinigt, die Mannschaft aber entmuthigt. Die Leßtere erkannte mit richtigem Blicke, wie sehr durch die Vereinigung der Spanier und Neapolitaner die Lage der Desterreicher verschlimmert und die Aussicht auf Verwirklichung ihrer Plane getrübt worden sei. Von den Generalen aber sagt Giordani, daß Einige aus ihnen mit Verachtung jeglicher Gefahr in Feindes Land vordringen wollten. Um nur nicht länger müßig zu bleiben, zeigten sie sich unbekümmert um die nöthigste Vorsicht und würden mit Freuden in eine Lage sich begeben, in der sie dann hinterher von dem überlegenen Gegner nur allzu leicht geschlagen werden könnten. Die Anderen hingegen seien keineswegs mißvergnügt über das bisherige Stillesigen, und sie würden nur dann zum Vorrücken rathen, wenn es mit der ihnen wünschenswerthen Bequemlichkeit sich bewerkstelligen ließe. Eine Ausnahme hievon mache der Feldmarschall-Lieutenant Graf Browne, welcher kühnen Unternehmungsgeist mit kalter Beurtheilung aller in Erwägung zu ziehenden Umstände verbinde. Es könne nicht genugjam beklagt werden, daß er nur die zweite und nicht die erste Stelle im Heere bekleide 4).

Schon von Rimini aus hatte Lobkowiß sich an den Bischof von Gurk mit der Bitte gewendet, ihm seine Rathschläge über die Art und Weise mitzutheilen, in welcher das Unternehmen gegen Neapel am besten ins Werk gesezt werden könnte. Graf Thun war damals diesem Verlangen bereitwilligst nachgekommen. Er rieth dem Fürsten, den Weg gegen Neapel nicht über die Abruzzen, sondern durch die römische Campagna zu nehmen3). Bekanntlich war jedoch um jene Zeit weder das Eine noch das Andere geschehen. Als aber am 21. April 1744 Graf Colloredo zum zweiten Male im Hauptquartiere eintraf, und den bestimmten Befehl der Königin überbrachte, der bisherigen Unthätigkeit ein Ende zu machen"), da entschloß sich Lobkowiß, dem schon vor Monaten ertheilten Rathe des Bischofs von Gurk zu folgen. Freilich traten auch jezt wieder Verzögerungen ein;

doch brach endlich Lobkowig, nachdem sein Heer eine Verstärkung von zweitausend Grenzsoldaten erhalten hatte und dadurch bis gegen sechsundzwanzigtausend Mann angewachsen war, am 4. Mai von Macerata nach Foligno auf. Nur ein kleines Corps von ungefähr tausend Mann ließ er am Tronto zurück.

Von dem Bischofe von Gurk dazu angetrieben, der ihm nach Foligno entgegen geeilt war und ihm die Schädlichkeit der steten Versäumnisse vorstellte'), seßte jezt Lobkowiß mit ziemlicher Schnelligkeit seinen Marsch fort. Am 10. Mai stand er in Spoleto, und am 15. bezog er ein Lager zu Civita Castelana, vier Posten nördlich von Rom. Hier empfing er die Nachricht, der König von Neapel habe, um nicht sein Land zum Kriegsschauplaße zu machen, das vereinigte Heer in einer Stärke von ungefähr vierundzwanzigtausend Mann auf römisches Gebiet bis Anagni geführt. Lobkowit ließ sich dadurch von der Fortseßung seines Marsches nicht abhalten. Am 18. Mai bezog er zu Monte Rotondo, einer auf einer Bergkuppe gelegenen Ortschaft, in welcher seine Vorräthe aufgespeichert waren, ein Lager ").

König Karl hatte am 16. Mai Anagni verlassen und seine Vortruppen bis gegen Tivoli gesandt, das bereits von österreichischen Soldaten befeßt war. In Valmontone machte der König Halt. Der Bischof Graf Thun besorgte, es sei auf einen Ueberfall der Desterreicher abgesehen, und er gab dem Husarenoberstlieutenant Buday den Rath, die über die Tiber führende, unter dem Namen Ponte molle bekannte Brücke bei Rom zu zerstören. Dieß geschah, und der Bischof von Gurk schreibt jener Maßregel die Rettung der Vorräthe in Monte Rotondo zu, während Lobkowiß dieselbe mißbilligte. Denn er behauptete, daß durch sie die sonst wohlgesinnte Bevölkerung Roms aufgebracht werde, indem es den Anschein gewinne, als ob man die Stadt selbst zu beschädigen und den freien Verkehr derselben zu beeinträchtigen gedenke").

Ueberhaupt begegnet man auch jeßt wieder jener Erscheinung, welche in der Geschichte Desterreichs zu so oft wiederholten Malen sich bemerklich macht und den Interessen dieses Reiches jederzeit so

unendlichen Nachtheil verursacht hat: der Zwietracht der Männer, welche die hervorragendsten Stellen bekleiden. Während gerade ihr einmüthiges Zusammenwirken zur Erreichung des angestrebten Zieles unerläßlich gewesen wäre, ergehen sie sich in gegenseitiger Anfeindung und gefährden dadurch jene höheren Zwecke, zu deren Verwirklichung sie gemeinsam thätig sein sollten. Solches war nun auch mit Lobkowiß und Thun der Fall. Die Verschiedenartigkeit ihres Standpunkes berührt um so eigenthümlicher, als gerade der Bischof, der Mann der Kirche es war, welcher zu entscheidenden Kriegsthaten drängte, während der Feldmarschall, der Mann des Schwertes, sich in Bedenklichkeiten aller Art verlor. Das unthätige Stillesißen des Fürsten von Lobkowiz, vorerst zu Rimini und dann zu Macerata wird von dem Bischofe von Gurk unablässig und bitter getadelt. Er findet es unbegreiflich, daß derselbe von der so günstigen Lage der Dinge im Königreiche Neapel nicht Nußen zu ziehen sich entschließe. Und mit lebhaftem Bedauern berichtet er nach Wien, Lobkowig habe das Anerbieten der Herzoge von Monteleone und Verzino, des Fürsten Cariati, des Grafen Policastro und des Marchefe d'Arena zurückgewiesen, zugleich mit dem Einmarsche der österreichischen Truppen in neapolitanisches Gebiet die beiden Calabrien in Aufstand zu verseßen 10).

Lobkowiz dagegen behauptete wieder, den Angaben der neapolitanischen Flüchtlinge, denen Graf Thun unbedingt glaube, sei kein Vertrauen zu schenken. Von dem starken Anhange im neapolitanischen Volke, von welchem Graf Thun so viel zu erzählen wisse, jei nicht das Geringste wahrzunehmen "). Er dürfe sich auf derlei unbestimmte Behauptungen hin nicht in Gefahren begeben, welche es leicht mit sich bringen könnten, daß durch die Aufreibung seiner Truppen nicht allein die Unternehmung gegen Neapel mißlinge, sondern sogar die Lombardie einem Angriffe vom Süden her schußlos preisgegeben würde.

So weit ging die Spannung, welche in Folge dieser verschiedenen Anschauungsweise zwischen Thun und Lobkowiß entstand, daß

fie Beide ziemlich offen daran arbeiteten, sich gegenseitig der Stellen verlustig zu machen, welche sie eben bekleideten. Lobkowiz wies darauf hin, wie es den Interessen des Wiener Hofes nicht zuträglich sein könne, in Rom von einem Manne vertreten zu werden, dessen feindselige Gesinnung es so weit gebracht habe, daß ihm der Zutritt zum Papste schon längst versagt sei. Graf Thun aber deutet an, daß von kriegerischen Unternehmungen kein Erfolg erwartet werden dürfe, so lang ihre Ausführung in der Hand eines Mannes liege, der abgesehen von tausend Versäumnissen und Bedenklichkeiten seine Zeit noch mit ganz anderen Dingen als mit der Erfüllung seiner Feldherrnpflichten verbringe 12).

Es ist kein Zweifel, daß Maria Theresia und ihre vornehmsten Rathgeber in diesem Zwiespalte auf der Seite des Bischofs von Gurk standen. Da man so gern an dasjenige glaubt, was man wünscht, so fanden auch die Mittheilungen des Grafen Thun über die dem Hause Desterreich günstige Stimmung im Königreiche Neapel besseren Eingang in Wien als die im entgegengeseßten Sinne lau tenden Angaben des Fürsten von Lobkowiz. Außerdem mußten der Feuereifer des Bischofs und die rastlose Thätigkeit, die er zur Verwirklichung eines Planes entwickelte, welcher der Königin so sehr am Herzen lag 13), dem unternehmenden Sinne Maria Theresia's in ungleich höherem Maße zusagen als das stete Zaudern des Feldmar schalls. Der Lettere wurde daher zu wiederholten Malen beauftragt, den Rathschlägen des Bischofs von Gurk so viel als nur immer möglich Folge zu leisten. Wie wenig er jedoch solches zu thun ge= sonnen war, zeigte Lobkowiß allsogleich dadurch, daß er gegen die Ansicht des Grafen Thun verlangte, vom Papste in feierlicher Audienz empfangen zu werden ").

Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß dießmal die Entschlüsse des Feldmarschalls größere Billigung als die Rathschläge des Bischofs von Gurk verdienen. Die leßteren mochten wohl von der Erbitterung eingegeben worden sein, von welcher damals Graf Thun gegen die römische Curie erfüllt war. Lobkowih aber hielt es für nüßlich,

durch seinen Besuch bei dem Papste den öffentlichen Beweis zu liefern, daß sich Maria Theresia mit dem heiligen Stuhle, welche Verstimmung zwischen ihnen auch obwalten mochte, doch keineswegs in offener Feindschaft befinde 13).

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Der äußere Erfolg schien in der That dem Feldmarschall Recht zu geben. Schon während der vorhergegangenen Tage war die Bevölkerung von Rom schaarenweise nach dem Lager von Monte Rotondo geströmt, hatte die fremden Truppen angestaunt, ihr martialisches Wesen bewundert, und durch den unablässigen Ruf „evviva ,la Regina d'Ungheria" ihre Sympathien für Desterreich zu er= kennen gegeben 16). Den Höhepunkt erreichte der Jubel, als Lobkowiß am 24. Mai sich zu Pferde in Begleitung seiner vornehmsten Officiere nach Rom begab, um dem Papste seine Huldigung darzubringen. Eine unübersehbare Menschenmenge bedeckte die Straßen und Pläße, und mit aller Lebhaftigkeit der Südländer begrüßte sie die österreichischen Krieger. Der vieltausendstimmige Zuruf der beglückwünschenden Worte vittoria" und „felicità", mit Hochrufen auf Maria Theresia vermischt, ertönte durch die Luft "). Selbst Graf Thun mußte gestehen, daß Nom seit langer Zeit kein glänzenderes Fest gefeiert habe 1). Freilich hatte er wieder nicht Unrecht, wenn er gleichzeitig darauf hinwies, daß es noch wichtiger wäre, über diese Dinge die eigentliche Aufgabe, die Bekämpfung der Spanier und Neapolitaner nicht aus den Augen zu verlieren. Er drang in Lobkowit, seine gegenwärtige Stellung zu verändern, näher an die Spanier heranzurücken und ihnen die Verbindung mit Nom zu benehmen. Wirklich ging Lobkowiß auf diesen Gedanken ein. Am 25. Mai brach er mit seinem Heere auf und führte es in südlicher Richtung nach Longhezza. Am 29. nahm er in Frascati Stellung, weil er von dort aus sich der beiden Straßen, welche nach Neapel führen, der über Velletri und Terracina, so wie der über Frosinone und San Germano bedienen konnte 1). Nachdem aber König Karl nach Velletri zurückgewichen war, ging Lobfowig nach Marino und Marino und von da nach Nemi, wo er am 2. Juni auf den südöstlich vom See gelegenen Anhöhen ein Lager bezog.

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