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Das lange Schreiben der Königin schloß mit einer Ermahnung, Ordnung und Einigkeit bei der Armee einzuführen und zu erhalten. Jede Bemühung werde sich fruchtlos erweisen, wenn nicht ein den Umständen angemessener Plan mit den tüchtigsten Generalen, insbesondere mit Browne verabredet werde. Dann aber dürfe nicht

ohne Noth davon abgegangen werden. Nicht als Zeichen ihrer „Ungnade", sondern vielmehr als eine ihrem Wohlwollen entstammende bestgemeinte Warnung" möge Lobkowiß diese Vorstellungen ansehen 27).

Noch ehe dieselben bei dem Feldmarschall angelangt waren, hatte sich Lobkowiß auf dringendes Begehren des Bischofs von Gurk entschlossen, noch einen anderen Weg zur Verwirklichung der Absicht einzuschlagen, Neapel für Maria Theresia zu erobern. Er bestand in dem Marsche des am Tronto zurückgebliebenen Corps unter dem Obersten Grafen Soro auf neapolitanisches Gebiet. Ein zweites Streifcorps unter dem Obersten Grafen Gorani sollte über Taglia: cozzo dort eindringen. Beide waren beauftragt, überall das öfterreichische Manifest zu verbreiten und die Bewohner des Landes zu bewaffnetem Aufstande gegen die bourbonische Regierung zu er= muthigen.

Anfangs gingen diese Unternehmungen glücklicher von Statten, als wenigstens Lobkowitz es zu hoffen gewagt hatte. Oberst Soro wurde von der Bevölkerung der Abruzzen mit lebhaften Kundgebungen der Sympathie empfangen 2). Widerstandslos bemächtigte er sich der Städte Teramo und Aquila. Viele sammelten sich um ihn, welche sich anboten, in den Reihen der österreichischen Soldaten mitzukämpfen zur Herbeiführung des Sturzes der Bourbonen. Auch Gorani wußte viel von der Hinneigung der Bevölkerung der Gegen= den, durch die er kam, zu Maria Theresia zu berichten 2"). Selbst Lobkowiß gab zu, daß die neapolitanische Bevölkerung sich gegen die Desterreicher willig und geneigt zeige. Aber freilich hatte er auch nicht Unrecht, wenn er meinte, damit sei noch nicht allzuviel gewonnen. Wenn die beiden ungemein schwachen Streifcorps keine Verstär

Arneth, Maria Theresia. Bd. II.

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kung erhielten, würden sie troß alledem keine großen Resultate erzielen. Er aber sei ganz außer Stande, ihnen Succurs zu schicken").

Hierüber entspannen sich nun neue Zwistigkeiten zwischen Lobkowiß und dem Bischof von Gurk. Je mehr der Leßtere daran verzweifelte, durch die Hauptarmee selbst eine entscheidende Unternehmung ausgeführt zu sehen, um so mehr drang er auf die Verstärkung der Streifcorps und auf Anfachung eines Aufstandes im Königreiche selbst. Dort gingen nach seiner Ansicht die Dinge höchst günstig von statten, Oberst Soro hatte die spanische Besaßung von Pescara geschlagen und so viele Freiwillige um sich versammelt, daß er schon ein ganzes Bataillon aus ihnen zu bilden vermochte. Graf Gorani hatte gleichfalls mehrfache Erfolge errungen. Cravati aber war aus Calabrien zurückgekehrt und überbrachte die freilich nur mündliche Erklärung des Herzogs von Monteleone, sich an die Spiße einiger tausend bewaffneter Landleute zu stellen, wenn nur eine genügende Anzahl regulärer Truppen in Calabrien ausgeschifft würde, um dem dort commandirenden General Mahoni die Spize zu bieten. Der Marchese del Vaglio, des Herzogs Sohn, ging mit dem Gedanken um, ein einheimisches Regiment zu errichten und an der Spize desselben für Maria Theresia zu kämpfen.

Geringere Dienste ließen sich von dem Fürsten Cariati, der sich sehr zurückhaltend benahm, und dem Marchese d'Arena erwarten, welcher mit seinen Unterthanen in Streit lebte und dem also keine Mannschaft zur Verfügung stand. Ungemein günstig gesinnt zeigten sich die Herzoge della Bagnara Ruffo und Visignano; der eifrigste von Allen aber war der Herzog von Verzino, welcher sich im Gewande eines Benediktiners nach Fermo und Ancona begab, um von da nach Rom zu gehen und mit dem Bischof von Gurk und Lobkowiß die ferneren Maßregeln zur Eroberung des Königreiches Neapel zu verabreden. Meine schwierigste Aufgabe wird sein," fügte Graf Thun dieser Anzeige hinzu, „ihn mit dem Fürsten reden zu machen, „ohne daß hiedurch seine Hoffnungen völlig vernichtet werden31).

"

Gerade im entgegengeseßten Sinne lauteten die Berichte des Fürsten von Lobkowiß. Cravati sei unverrichteter Dinge aus Calabrien

zurückgekehrt, denn er habe nichts mitgebracht, was einem Beweise seiner Angaben auch nur im Entferntesten gleiche. Das Manifest habe man allzufrüh ausgestreut; jezt werde es von dem Feinde Punkt für Punkt widerlegt. Insbesondere hinsichtlich dessen, was das Sant' Uffizio betrifft, habe es bei Vielen eine ungünstige Wirkung hervorgebracht, welche nun auf die ganze Proklamation sich erstrecke. Er wisse wohl, daß man ihm vorwerfe, die zu ihm kommenden Neapolitaner hart zu behandeln. Er wäre glücklich, wenn er bisher zu irgend einem Umgange mit rechtschaffenen Leuten" aus dem Königreiche Anlaß gehabt hätte. So aber habe sich noch kein einziger Neapolitaner, welcher seiner Geburt, seinem Amte oder seinem Character nach sich in hervorragender Stellung befinde, ja selbst keiner, den er als Ehrenmann anerkennen müsse, persönlich bei ihm gezeigt. Die Umgebung des Bischofs von Gurk bestehe nur aus schlechten Menschen, und wenn man solches jezt auch nicht glaube, so werde doch die Zukunft die Wahrheit dieser Behauptung beweisen 32).

Dabei beharrte auch Lobkowiß auf seiner Weigerung, Truppen zur Verstärkung der in den Abruzzen befindlichen österreichischen Streifcorps abzusenden. Sie standen jezt unter dem Befehle des Grafen Gorani, denn Soro war verwundet nach Macerata zurückgekehrt. Ihr Verbleiben in den Abruzzen war durch eine starke Heeresabtheilung, welche Karl III. dorthin entsandte, ernstlich gefährdet. Umsonst befahl jezt sogar der Wiener Hof dem Feldmarschall, entweder Verstärkungen nach den Abruzzen abgehen zu lassen, oder mit seinem ganzen Heere dorthin aufzubrechen. Auf die ihm ertheilte Ermächtigung geftüßt, je nach der Lage der Dinge auf dem Kriegsschauplaße seine Entschlüsse zu fassen, erklärte Lobkowit eine Unternehmung in der Richtung gegen die Abruzzen für unausführbar). Es fiel daher den jezt ansehnlich verstärkten Spaniern nicht schwer, die Desterreicher unter Gorani wieder von dort zu vertreiben.

In dem Entschlusse, nicht selbst mit seinem Heere nach den Abruzzen zu gehen, wurde Lobkowiß durch die erfreuliche Nachricht noch bestärkt, daß endlich die unablässige Bemühung des Wiener Hofes bei der englischen Regierung die Entsendung einiger britischer

Kriegsschiffe erwirkt habe, um sich ihrer zur Durchführung der Unternehmung gegen Neapel zn bedienen. Der Contreadmiral Long befehligte diese Schiffe, sieben an der Zahl, und Lobkowiß fandte den Grafen Browne zu ihm, die nöthigen Verabredungen zu treffen. Bald darauf begab sich Long zu gleichem Ende zu Lobkowitz nach Genzano. Ihre Vereinbarung bestand darin, der Contreadmiral solle in Livorno und Civitavecchia die nöthigen Transportschiffe aufbringen und hierauf zweitausend Mann an Bord nehmen. Mit ihnen werde das ganze Geschwader vor Neapel segeln und mit Hülfe der Landungstruppen sich wo möglich des Hafens, der Schlösser und der Stadt bemächtigen. Sollte dieses Unternehmen mißlingen, so könne man immerhin die Fahrt nach Calabrien fortseßen, von wo denn endlich der Duca di Verzino persönlich eingetroffen war und dadurch dem Fürsten von Lobkowiß den Beweis geliefert hatte, daß doch wenigstens ein Mann von hervorragender Stellung seine Dienste der Sache Maria Theresia's weihe. Dem FeldmarschallLieutenant Grafen Browne wurde die Führung der Landungstruppen übertragen **).

Dießmal konnte das Verschulden nicht dem Feldmarschall zur Last gelegt werden, wenn die Verwirklichung der Unternehmung gegen Neapel sich neuerdings verzögerte. Lobkowiß scheint vielmehr selbst von dem Wunsche beseelt gewesen zu sein, der bisherigen Unthätigkeit endlich ein Ziel zu sehen. Er trug sich mit dem Gedanken, einen entscheidenden Schlag zu thun und durch denselben all die Anklagen zum Schweigen zu bringen, welche wider ihn erhoben worden waren. Er beabsichtigte ihn noch eher zur Ausführung zu bringen, als er durch die Einschiffung einer Anzahl Truppen allzusehr geschwächt wäre. Auch dachte er ohne Zweifel noch von der Anwesenheit des Grafen Vrowne Vortheil zu ziehen, denn er wußte wohl, daß ihm kein Mann von gleicher oder auch nur annähernder Lüchtigkeit mehr zu Gebote stand.

"Ich hoffe, daß ich mit der Gnade Gottes noch vor dem Ein„treffen dieses Briefes,“ schrieb Lobkowiß am 8. August seinem Verwandten und Freunde Uhlfeld, „von dem Gelingen einer schwierigen „und kühnen Unternehmung Nachricht zu geben vermag, bei welcher

„jedoch auch die nothwendige Vorsicht nicht außer Acht gelassen werden soll. Der Schuß, welchen Gott bisher unserer Königin hat „angedeihen lassen, läßt mich auch bei dieser Gelegenheit auf seinen „Beistand hoffen. Audaces fortuna juvat3).“

An demselben Tage hielt Lobkowiz Kriegsrath und benachrichtigte die Generale von seinem Vorhaben, einen Ueberfall auf Belletri zu wagen.

Durch Streifparteien hatte er in Erfahrung gebracht, daß man dem linken Flügel des feindlichen Lagers sich unbemerkt nähern und durch das in der Richtung gegen Neapel ausmündende Stadtthor in Velletri eindringen könne. So wie sich dieß bei den Desterreichern zu ihrem empfindlichsten Nachtheil bewiesen, so waren auch die Neapolitaner durch die lange Unthätigkeit der Gegner sorglos geworden. Hierauf war denn auch der Plan des Fürsten von Lobkowiß zumeist gebaut. Sechs Bataillone und eben so viele GrenadierCompagnien, zwei deutsche Cavallerie-Regimenter und das HusarenRegiment Havor") sollten unter persönlicher Führung des Feld= marschall-Lieutenants Grafen Browne die Feinde in Velletri überfallen, ihnen so viel Nachtheil als möglich zufügen, vor Allem aber darnach trachten, den König von Neapel gefangen zu nehmen3). Ein gleichzeitiger Angriff auf die Stellung der Feinde auf dem Artemisio bezweckte mehr, ihre Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Ziele der Unternehmung abzulenken.

In der Nacht vom 10. auf den 11. August schritt Browne an die Ausführung des Unternehmens. Er war schon ganz nahe am feindlichen Lager und an Velletri, als seine Annäherung erst bemerkt wurde. Es war ein ungünstiger Umstand für ihn, daß fast die beften Truppen der Feinde, fünf irländische Bataillone in der Nähe des gefährdeten Stadtthores standen. Wie vor mehr als vierzig Jahren bei dem Ueberfalle Eugens auf Cremona, so kämpften auch jezt die Frländer wieder mit unbeugsamem Muthe. Aber ihre Lage war in dem gegenwärtigen Augenblicke weit ungünstiger als damals. Das Stadtthor war verschlossen, sie wurden von keiner Seite unterstüt

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