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Der Erfolg sollte diese Voraussicht nur zu sehr bestätigen. Echon am 18. Mai traf die Nachricht ein, daß der Graf von Sachsen, jezt zum Marschall ernannt, am Tage zuvor mit einem Theile des französischen Heeres die Grenze überschritten und den Weg gegen Courtray eingeschlagen habe. Die Hauptarmee, von dem Könige selbst geführt, bewege sich in vier Colonnen gegen Menin, und es sei kein Zweifel, daß sie die Belagerung dieser Festung beabsichtige. Der Marschall von Sachsen sei zur Deckung bestimmt.

Dem war auch wirklich so. In der Nacht vom 28. auf den 29. Mai wurden die Laufgräben gegen Menin eröffnet, der Graf von Sachsen aber unternahm einen Etreifzug gegen Oudenarde. Dorthin sollten nach dem Wunsche des Herzogs von Aremberg auch die Verbündeten vorrücken, um Hennegau, Brabant und Flandern zu decken, und nöthigenfalls die Besaßungen von Tournay und Mons zu verstärken. Durch eindringliche Vorstellungen gelang es ihm und dem Grafen von Königsegg Erps, welcher bis zur Ankunft des Grafen Kauniß der Erzherzogin Marianne beigegeben war, den Feldmarschall Wade und den Grafen von Nassau zur Annahme dieses Vorschlages zu vermögen *). Größere Schnelligkeit bei der Ausführung desselben vermochte ihnen jedoch Aremberg ebensowenig einzuflößen, als er sie, nachdem sie endlich am 3. Juni in Oudenarde eingetroffen waren, dazu zu bewegen im Stande war, von dort aus etwas gegen den Feind zu unternehmen. Ungestört vollendete derselbe die Wegnahme Menins, welches sich schon am 4. Juni ergab, nachdem die holländische Besazung nicht mehr als sechs Mann eingebüßt hatte. Hieraus allein schon läßt sich die Mattherzigkeit der Vertheidigung am besten beurtheilen.

Die nächste Unternehmung des Königs von Frankreich war auf Ypern gerichtet. Am 10. Juni umschloß das französische Heer diese Festung; am 17. erschien Ludwig XV. vor derselben. Am 29. übergab sie Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal gegen freien Abzug der Besaßung. An demselben Tage capitulite das Fort Knocke und nun begannen die Franzosen die Belagerung von Furnes, dessen

holländische Besagung am 11. Juli capitulirte. Zwei Tage später räumte sie den Play.

Nicht allein durch die ganz unzureichende Vertheidigung der Festungen, deren rasche Uebergabe Maria Theresia mit tiefstem Unmuth erfüllte"), sondern auch durch die andauernde Unthätigkeit der Verbündeten waren diese Triumphe dem Könige von Frankreich gar leicht gemacht worden. Jedem Vorschlage des Herzogs von Aremberg, die Belagerung von Ypern oder die von Furnes zu stören, hatten die englischen und holländischen Generale eine entschiedene Weigerung entgegengesezt. Sie erklärten sich für viel zu schwach, um gegen das französische Heer irgend etwas zu unternehmen. Vor dem Eintreffen der Verstärkungen, welche aus England und Holland angekündigt waren, könne von einem angriffsweisen Vorgehen nicht im Entferntesten die Rede sein. Doch durfte man mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, daß von solchen Führern ein thatkräftiges Auftreten auch dann nicht zu erwarten sei, wenn ihnen noch weit zahlreichere Streitkräfte zu Gebote gestellt würden. Nimmermehr hätten sie den Fortschritten des französischen Heeres Einhalt gethan, wenn dieß nicht durch Ereignisse geschehen wäre, welche auf einem anderen Kriegsschauplaße sich zutrugen.

Am 10. April 1744 war Khevenhüllers Nachfolger Graf Traun in München eingetroffen und hatte einstweilen den Oberbefehl über das Heer übernommen, welches aus ungefähr 46,000 Mann Fußvolk und 22,000 Reitern bestand. Die Instruction, welche er vor seiner Abreise erhielt, ist nicht mehr vorhanden; aus anderen Schriften. läßt sich jedoch abnehmen, daß Maria Theresia die Absicht hatte, den Feldzug in Deutschland mit einem Schlage von entscheidender Wirkung zu eröffnen. Als einen solchen sah man in Wien die Aufhebung der baierischen Truppen an, welche um Donauwerth, Kehl und Philippsburg zerstreut sich in den Winterquartieren befanden. Auf zuverlässigem Wege hatte man in Erfahrung gebracht, daß der Kaiser mit dem Gedanken umgehe, seine Truppen bei Beginn des Feldzuges die Feindseligkeiten gegen die Desterreicher wieder aufnehmen zu lassen, und daß zu diesem Ende Verabredungen mit Frankreich und

Preußen getroffen worden seien "). Maria Theresia glaubte sich hiedurch der Convention von Niederschönfeld, welche sie ohnedieß niemals förmlich anerkannt hatte, völlig entledigt. Sie begriff den Vortheil, welchen es darbot, wenn man dem Feinde zuvorzukommen vermöchte. Durch eine solche Unternehmung wäre noch überdieß dem Ansehen des Kaisers in Deutschland ein letter Stoß verseßt und gleichzeitig durch die Beseitigung der feindlichen Streitmacht auf dem rechten Ufer des Rheins den beabsichtigten Unternehmungen auf dem linken Stromufer eine wesentliche Erleichterung zu Theil geworden ").

Mit dem Befehle, allsogleich an die Verwirklichung dieses Planes zu schreiten, hatte Traun sich zu dem Heere begeben. Es erweckte in Wien keine günstige Meinung von Traun, daß er die Ausführung des beabsichtigten Unternehmens verzögerte, bis es zu spät war 12), indem sich die baierischen Truppen bei Heidelberg versammelten und hierauf bei Philippsburg ein schwer angreifbares Lager bezogen.

Durch allerlei Bedenken war Traun zu dieser Säumniß vermocht worden. Das gewichtigste derselben bestand in der Furcht vor einem plößlichen Friedensbruche Preußens. Er mochte besorgen, in einem solchen Falle zwischen zwei Heere zu gerathen und ihrem combinirten Angriffe dann nicht widerstehen zu können. Maria Theresia aber war anderer Ansicht und sie bemühte sich dem Grafen Traun größere Zuversicht einzuflößen. „Ich sehe aus seinen Berichten," schrieb sie ihm eigenhändig, „daß Er mir sehr angsthaft wegen Preußen scheint. Es ist nicht ohne, daß selber ein gefährlicher Feind; Gott aber wird weiter helfen, der bis hierher ge= „holfen. Die Armee, die ihm anvertraut ist, ist diejenige, die den „Ausschlag der Sache geben muß. Zu wünschen wäre gewesen, es „cher thun zu können, allein weil selbes nicht geschehen, muß man „von der Gegenwart profitiren und suchen es einzubringen. Bis „Heilbronn aber ist zu sehen sobald als möglich zu kommen, denn ,,an diesem Posten liegt mir Alles, ihn eher zu behaupten, und „würden die Ideen des Prinzen von Lothringen völlig deran„girt, wenn die Feinde uns zuvorkommen sollten. Darum ist nicht „nur der Marsch so viel als thunlich zu beschleunigen, sondern

„auch eine leichte Vorhut vorauszuschicken, sowohl wegen der Maga„zine als um dem Feinde zuvorzukommen und diesen Posten zu be „haupten, damit nicht wir, sondern sie bemüßigt sind, nach unseren „Ideen zu operiren. Lasse Er sich nur durch ungleiche Rapporte „nicht irre machen, absonderlich im Reich, wo Jeder etwas Anderes „berichtet, welches nur zur Notiz und Vorsicht dienen soll, nicht aber „um im System etwas abzuändern. Wegen des Königs von PreuBen lasse Er sich gar nicht bekümmern und denke Er nicht an ihn, „da derselbe mit dieser Armee gar keine Connexion hat. Der Prinz „wird schon bis 15. Mai, wie ich hoffe, bei der Armee sein. Ich „wünschte dieselbe wäre bei Heilbronn, wie Er darauf gerechnet, aufs „wenigste aber die anbefohlene Vorhut. Verlasse er sich auf Gott und lasse Er sich nicht irre machen oder kleinlaut, und Alles wird „gut gehen.“

„Maria Theresia 13).“

Nicht ohne Vorbedacht machte die Königin den Grafen Traun darauf aufmerksam, er möge vor Allem bedacht sein, in einer Weise zu handeln, daß nicht er nach den Feinden, sondern daß diese nach ihm sich richten müßten. Denn mit nicht geringer Betroffenheit hatte sie seinen ersten Berichten die Absicht entnommen, seine Bewegungen denjenigen des Gegners anzupassen. Man sehe wohl, daß Traun dem Feldmarschall Khevenhüller nicht gleichkomme, ließ sich Maria Theresia gegen Gundacker Starhemberg vernehmen '). Und da war denn allsogleich Bartenstein, der alte Gegner des Grafen Traun, mit der Bemerkung bei der Hand, er verstehe zwar vom Kriegswesen nichts, aber so viel wisse er doch, daß Eugen von Savoyen und Guido von Starhemberg immer der entgegengeseßten Anschauung huldigten 1).

Durch Maria Theresia's persönliches Drängen wurde nun Traun zu thunlichster Beschleunigung seiner Bewegungen vermocht. In vier Colonnen rückte das Heer gegen Heilbronn; FeldmarschallLieutenant von Bernklau führte die vordersten Truppen. Am 9. Mai traf er mit zehntausend Mann daselbst ein; nach und nach kamen auch die übrigen Heerestheile an. Am 19. Mai erschien Prinz Karl

vor Lothringen im Lager und übernahm den Oberbefehl. Am folgenden Tage besichtigte er das Heer. Er fand es in vortrefflichem Zustande ") und wohl geeignet, daß mit demselben Großes vollbracht werde.

Wie sehr dieß in ihren Wünschen gelegen war, gab Maria Theresia ihrem Schwager, obwohl sie ihn schon längst davon unterrichtet wußte, doch neuerdings wiederholt zu erkennen. Eine glückliche Unternehmung mit der ihm untergeordneten Armee erscheine als das einzige Mittel, schrieb sie ihm am 24. Mai, um die wegen Unentschlossenheit und Lauheit ihrer Verbündeten mißlicher als je sich darstellende Lage der Dinge zu verbessern. „Mein Vertrauen „ist also zuvörderst auf Gott, sodann aber auf Eure Liebden ge= „gründet,“ fuhr sie fort, „der Sie ja an dem Wohl oder Wehe meines Erzhauses so großen Antheil nehmen. Ich verliere den „Muth nicht, nachdem ich eine so gerechte Sache für mich habe. „Zu läugnen ist jedoch nicht, daß die Dinge trüber aussehen, als man im Sommer des vorigen Jahres hätte vermuthen sollen. Alles „kommt auf Ihre Unternehmungen an17).“

Von der Richtigkeit dieser Bemerkung war Prinz Karl um so mehr durchdrungen, als er selbst von dem Heere der Verbündeten in Flandern kam und zuerst die Ueberzeugung ausgesprochen hatte, daß von demselben nichts zu erwarten sei. Mit freudigem Stolze durchdrang ihn das Gefühl, daß wirklich von ihm und seinen kriegerischen Thaten der Erfolg des Feldzuges abhänge. Mit verdoppeltem Eifer ging er an die Erfüllung seiner Aufgabe. Er dachte die ursprünglich projectirte Unternehmung gegen die baierischen Truppen vielleicht doch noch ausführen zu können. Am 29. Mai brach er mit seinem Heere aus dem Lager bei Heilbronn auf und führte es gegen Philippsburg. Nadasdy bildete die Vorhut. Er meldete jedoch, daß die Stellung der Baiern, mit denen er ein unbedeutendes Vorpostengefecht bestand, ihm als unangreifbar erscheine. Prinz Karl gab daher diesen Plan auf und beschäftigte sich nur mehr mit dem Gedanken, den Uebergang über den Rhein so bald als möglich zu bewerkstelligen.

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