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Verdachtsgründe hin schöpfte man diese Vermuthung; man war von den Verabredungen des Königs mit seinen jeßigen Verbündeten vielmehr vollständig unterrichtet. Eigenthümlich ist es, daß diese Mittheilungen zunächst durch Männer erfolgten, welche früher in preußischen Kriegsdiensten gestanden hatten. Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Frankfurter Union erschien General Graf Degenfeld bei dem Prinzen Karl von Lothringen, und eröffnete ihm die Bestimmungen dieses Vertrages. Er behauptete, daß drei böhmische Kreise, die von Königgrät, Bunzlau und Leitmerit dem Könige von Preußen zugesichert worden seien. Derselbe habe sich anheischig gemacht, bis Mitte Juli in Böhmen einzufallen). Wenige Wochen darauf erneuerte und vervollständigte Degenfeld seine Mittheilungen 7). Tieselben wurden im Wesentlichen auch von dem preußischen Obersten von Heinigen bestätigt, welcher aus Unzufriedenheit über angebliche Zurücksetzung im Dienste seine Fahne verlassen und sich nach Wien begeben hatte. Er wußte außerdem noch viel von den Vorbereitungen zu erzählen, welche seit langer Zeit schon der König von Preußen zur Bewerkstelligung des Einbruches in Böhmen getroffen hatte **).

Troß der so bestimmt lautenden Anzeigen, welche von anderen Seiten her, insbesondere von London und Berlin") aus gleichfalls bestätigt wurden, gab es doch in Wien hervorragende Männer, welche an den bevorstehenden Friedensbruch noch immer nicht glaubten. Man schöpfte Verdacht, daß gerade die Mittheilungen durch Degenfeld und Heinigen auf Antrieb des Königs von Preußen erfolgt und darauf berechnet seien, Maria Theresia durch die Besorgniß eines Einfalles in Böhmen zur Nachgiebigkeit und zur Zurückstellung Baierns an den Kaiser zu vermögen"). Fast noch im lezten Augenblicke meinte Bartenstein, wenn nur am Rhein die Dinge einen guten Verlauf nähmen, würde König Friedrich weniger als jemals es wagen, die Feindseligkeiten zu eröffnen. Ein unglückliches Ereigniß am Rhein würde ihn jedoch ohne Zweifel veranlassen, den Einfall in die öfterreichischen Länder sogleich zu vollziehen"). Glücklicher Weise fügte er jedoch gleichzeitig hinzu, daß man troß alledem gegen einen solchen Nachbar niemals genug auf der Hut sein könne. Er selbst schlug

eine Reihe von Vorsichtsmaßregeln vor. Außer dem Begehren an die verbündeten Mächte zu ausgiebigerer Kraftanstrengung wird auf die Zusammenziehung des in Baiern befindlichen Batthyany'schen Corps, auf sorgfältige Verwahrung von Brünn, Olmüß und Prag, auf die Wegschaffung der Vorräthe von Silber und Gold aus den ungarischen Bergstädten und endlich auf Ernennung des Aufgebotes der ungarischen Insurrection der Nachdruck gelegt”).

Ueberhaupt war Bartenstein der Ansicht, daß der König von Preußen es vorzugsweise auf Ungarn abgesehen haben könne. Die Anträge Friedrichs bei der Pforte und die Entsendung zahlreicher preußischer Emissäre nach Ungarn deute darauf hin. Inbesondere habe der König mit den ungarischen Protestanten Verbindungen angeknüpft und mit gewohnter Schlauheit die Unzufriedenheit benüßt, welche sie über die Hemmnisse empfanden, die der freien Ausübung ihres Bekenntnisses in den Weg gelegt wurden. Man möge doch einmal bedenken, daß durch gewisse Maßregeln der Religion mehr geschadet als genügt werde. Das Edict des Kaisers Ferdinand II. wegen Zurückgabe der geistlichen Güter habe die ansehnlichsten Hochstifte Deutschlands in die Hände der Protestanten gebracht. Kaiser Leopold habe wegen allzu weitgehenden Eifers in Religionssachen Ungarn und Siebenbürgen verloren. Erst durch die Befolgung der Rathschläge der Grafen Ulrich Kinsky und Strattmann sei er wieder in den Besiß dieser Länder gelangt 3).

Wie Maria Theresia auch über diese letteren Andeutungen denken mochte, so war sie doch darin Bartensteins Ansicht, daß es nothwendig sei, sich des Beistandes der Ungarn sowohl zur Vertheidigung ihres eigenen Landes als auch außerhalb desselben neuerdings zu versichern. In der That hatte Ungarn sammt seinen Nebenländern während der leßten Kriegsjahre in fast unerschöpflichem Maße fortwäh rend neue Mannschaft gestellt. Die Kriegstüchtigkeit derselben nahm sichtlich zu und war erst vor wenig Wochen bei dem Uebergange des Prinzen von Lothringen über den Rhein und der Einnahme Lauterburgs in glänzender Weise bewährt worden. Um dieß allerwärts zu erkennen zu geben, den Ungarn für die gebrachten Opfer zu danken

und sie zu neuen Leistungen anzuspornen, hatte sich Maria Theresia beeilt, dem Grafen Johann Palffy den Bericht des Prinzen Karl mitzutheilen, in welchem derselbe der Tapferkeit der ungarischen Kriegsvölker mit den höchsten Lobsprüchen gedachte. Sie versicherte den Palatin ihrer Liebe und ihres Vertrauens zu der ungarischen Nation. Täglich steigere sich dieses Gefühl, weil sie auch täglich neue Proben empfange, daß ihre auf Ungarn geseßte Hoffnung nicht getäuscht worden sei. Es gebe nichts, was sie sich nicht von der Treue und der Tapferkeit der Ungarn verspreche, sowie es gleichfalls nichts gebe, was sie nicht aus willigem und dankbarem Herzen zum Wohle des Königreiches zu thun bereit wäre. Sie bat den Palatin, dieses Schreiben als ein Zeugniß ihrer Gunst und Liebe in allen Gespannschaften bekannt machen zu lassen“).

Einen zweiten Schritt that Maria Theresia den Ungarn gegenüber, als die Erklärungen und Handlungen des Königs von PreuBen keinen Zweifel mehr übrig ließen, daß er binnen wenig Tagen die Feindseligkeiten eröffnen werde. Am 8. August las sein Gesandter Graf Dohna dem Hofkanzler Ulfeld eine Schrift vor, der= zufolge König Friedrich erklärte, er habe längst schon dem Wiener Hofe zu wissen gethan, daß er es nicht mit gleichgültigen Augen ansehen könne, wenn die Würde des Kaisers unterdrückt, die Verfassung des deutschen Reiches geändert und dessen Ständen Gewalt angethan werde. Der Wiener Hof habe jedoch diese Warnungen unbeachtet gelassen und dadurch den König gezwungen, mit dem Kaiser und einigen deutschen Fürsten eine Union abzuschließen und in Folge derselben dem Ersteren eine Anzahl seiner Truppen als Hülfsvölker zu überlassen. Doch solle hiedurch den Bestimmungen des Breslauer Friedens in keiner Weise Eintrag geschehen.

Aehnlich lautete das Manifest, welches König Friedrich gleichzeitig den in Berlin beglaubigten Vertretern der fremden Mächte zustellen ließ. Auch dort wurde das Verfahren Maria Theresia's gegen den Kaiser als die alleinige Ursache seiner Handlungsweise hingestellt. Auch dort legte er den Nachdruck auf die Pflicht, welche ihm obliege, das Oberhaupt des Reiches in seinen Rechten und Besißthü

mern zu schüßen. Auch dort wiederholte er mit emphatischen Worten, daß er nichts für sich selbst verlange und sein Interesse durchaus nicht in Frage komme. Er greife nur zu den Waffen, um dem deutschen Reiche die Freiheit, dem Kaiser den Besit seiner Würde, Europa aber den Frieden zu erringen.

Es mag sein, daß diejenigen, welche von den geheimen Artikeln der Frankfurter Union nichts wußten, durch die Erklärungen des Königs von Preußen über die wahren Motive seines Verfahrens getäuscht wurden. Die Kriege für eine Idee haben aber in der neuesten Zeit eine so merkwürdige Illustration erhalten, daß man jest weniger als ehedem an dieselben glaubt und sich gewöhnt hat, nicht in der Idee, sondern in den nebenbei bedungenen reellen Vortheilen die Gründe der Kriegführung zu erblicken. Wer übrigens den Kaufpreis kannte, welcher dem Könige für seine Hülfe vom Kaiser zugestanden wurde, sah schon damals die Sache ganz anders an, als Friedrich sie darstellte. Am besten ist dies aus der Antwort zu entnehmen, welche die englische Regierung auf die von dem Könige von Preußen an sie gerichtete Mittheilung gab. Es könne nur als ein wenig glücklicher Vorwand erscheinen, war darin gesagt, wenn man behaupte, zur Wiederherstellung des Friedens im deutschen Reiche den Krieg in den österreichischen Erbländern entzünden zu müssen. Vollends heiße es mit Gott und den Menschen sein Gespött treiben, wenn der König von Preußen im Angesichte der ganzen Welt ausspreche, daß er nicht durch Eigennuß zu seinem Verfahren veranlaßt werde, während doch aus den geheimen Artikeln des Frankfurter Vertrages das Gegentheil davon klar ersichtlich sei.

Ueberhaupt zeigte die englische Regierung damals wieder größeren Eifer in der Unterstüßung Maria Theresia's gegen ihre Feinde. Zu thatkräftigem Auftreten wider Preußen ließ sie sich freilich nicht bestimmen, aber darum blieben Maria Theresia's Vorstellungen in London doch nicht ohne allen Erfolg. Als die Königin dort erklären ließ, daß sie, weit davon entfernt, dem neuen Feinde auch neue Truppen entgegenstellen zu können, wegen gänzlicher Erschöpfung ihrer Geldmittel den Krieg selbst mit der bisherigen Anstrengung nicht mehr

fortzuführen vermöge, wurde ihr eine Nachtragssubsidie von hundert und fünfzigtausend Pfund Sterling zugestanden. Freilich wurde sie gleichzeitig verpflichtet, den dritten Theil davon dem Könige von Polen zu überlassen. Sie selbst machte sich anheischig, noch zwanzigtausend Mann in ihren Erbländern aufzubringen "), und es wurde behauptet, daß dadurch die Streitmacht, welche für die Königin im Felde stand, auf die Gesammtzahl von hundert und neunzigtausend Mann gebracht werde.

Es scheint fast als ob Friedrichs endliche Erklärung der Königin von Ungarn nicht so ganz unwillkommen gewesen wäre. Ihrer geraden entschlossenen Natur sagte der offene Kampf ungleich mehr zu, als das Verhältniß halb versteckter Feindseligkeit, in welchem sie während der lezten Jahre zu Friedrich gestanden hatte. Darum ließ sie auch jezt, als der Würfel gefallen war, keine sonderliche Erregung sich abmerken. Ihre ruhige Haltung spiegelte sich auch in derjenigen ihrer Minister ab. Anders war es im österreichischen Volke und insbesondere der Bevölkerung der Hauptstadt. Die Nachricht von dem bevorstehenden Einbruche des Königs von Preußen in Böhmen erbitterte sie dermaßen, daß Maria Theresa das Haus des Grafen Dohna mit Wachen umstellen ließ, um den preußischen Gesandten vor Mißhandlungen zu schüßen“).

Jezt nahm auch Maria Theresia keinen Anstand mehr, mit den Maßregeln zur Vertheidigung offen hervorzutreten. Schon in den ersten Tagen des Jahres 1744 hatte sie dem Juder Curiae Grafen Esterhazy den lebhaften Wunsch ausgedrückt, daß Ungarn aufgerufen werde zu einer zweiten Insurrection. Nach einer Berathung, welche er in Pest mit dem Erzbischofe von Kalocsa, dem Lavernicus, den Grafen Thomas Berenyi, Anton Grassalkovics, Franz Barkoczy, dem Vicegerens Sigismund Pechy und dem Protonotar Johann Tersztyansky abgehalten, erklärte Esterhazy, daß er die Ausschreibung der Insurrection, welche nur dem Landtage zustehe, unmöglich vornehmen könne. Doch rieth er der Königin, aus eigener Machtvollkommenheit die Comitate auf die Nothwendigkeit ausgiebigerer Kriegsrüstungen aufmerksam zu machen und sie zu denselben aufzufordern").

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