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eben obwaltenden Umständen für den passendsten ansehe 30). Prinz Karl wußte somit, er werde von Wien aus kein Hemmniß bei der Ausführung seines Planes erfahren, obgleich man dort eine Unternehmung gegen Prag so lang als gefährlich ansah, als König Friedrich sich an der Elbe befand. Unverzüglich schritt er an die Verwirklichung der in Saar getroffenen Verabredung. Schon am 12. Mai erreichte die österreichische Vorhut Czaslau, während das preußische Heer eine Viertelstunde vor Chrudim, die Fronte gegen Czaslau gerichtet, ein Lager bezog.

An dem Tage, an welchem seine Vortruppen in Czaslau einrückten, überschritt Prinz Karl mit der österreichischen Hauptmacht die böhmische Grenze. Am 15. Mai traf er, immer die Richtung gegen Czaslau und somit auch gegen Prag einhaltend, in Willimow ein, wo er durch preußische Ueberläuser die Nachricht erhielt, ein starkes feindliches Corps sei unter persönlicher Führung des Königs bei Podhorzan angelangt. Prinz Karl, welcher persönlich auf Recognoscirung ausgeritten war, überzeugte sich selbst von der Richtigkeit dieser Thatsache, so wie von dem ferneren Umstande, daß der König am Morgen des 16. Mai den Marsch gegen Czaslau fortsette. Gleichzeitig erhielt er durch den Generalmajor Grafen Nadasdy, welcher mit zwei Hufarenregimentern bei Setsch stand, die Nachricht, die preußische Hauptmacht sei unter den Befehlen des Erbprinzen von Dessau von Chrudim aufgebrochen und wende sich ebenfalls gegen Czaslau. Noch an demselben Tage konnte man sie deutlich gewahr werden, wie sie auf den Höhen von Podhorzan, an der Stellung vorüber, welche Tags zuvor der König eingenommen hatte, gegen Czaslau sich fortbewegte. Man glaubte nun nicht mehr bezweifeln zu dürfen, König Friedrich trachte die Annäherung des österreichischen Heeres an Prag zu verhindern.

Es ist wohl unbestreitbar, daß die preußische Armee sich damals in einer sehr gefährlichen Lage befand. Denn sie war in zwei Haupttheile getrennt, zwischen welche ein Heerführer von größerer Kühnheit und Entschlossenheit als Karl von Lothringen sich augenblicklich geworfen hätte. Der Prinz aber, der sich im Gegensaße zu den raschen Bewegungen und angestrengten Märschen der Preußen begnügt hatte,

Arneth, Maria Theresia. Vb. II.

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seine Truppen am Morgen des 16. Mai nur wenige Stunden, bis Ronow vorwärts zu führen, hielt das coupirte, mit Morästen umgebene Terrain der dortigen Gegend für ungünstig, um auf demselben einen Angriff zu bewerkstelligen 31). Doch wollte er die sich darbietende Gelegenheit nicht völlig unbenüßt vorüber gehen lassen. Nachdem er sich mit Königsegg neuerdings berathen, brach er um neun Uhr Abends von Ronow auf. In zwei Colonnen getheilt, seßte das Heer mit Zurücklassung des Gepäckes den Marsch gegen Czaslau fort. Die Husaren wurden befehligt der Armee voranzueilen, den Feind zu beunruhigen, seinen Marsch zu stören und es wo möglich dahin zu bringen, daß er aufgehalten werde und sich, so lange er noch nicht wieder völlig vereinigt sei, dem Kampfe nicht entziehen könne.

Der Entschluß des Prinzen von Lothringen, dem Feinde zu folgen, kam jedoch allzuspät, um dasjenige nachholen zu können, was er versäumt hatte, indem er zwölf Stunden hindurch seine Truppen bei Ronow unthätig stehen ließ. Zwar war schon bald nach Mitternacht die österreichische Vorhut, die Hauptmacht aber um vier Uhr Morgens bei Czaslau angelangt. Der Erbprinz von Dessau hatte sich jedoch, da er eine Unternehmung gegen das von den Desterreichern stark beseßte Czaslau im Angesichte des feindlichen Heeres mit Recht nicht auszuführen wagte, weiter nördlich gewendet und die Nacht in einem Lager zwischen den Dörfern Schuschiß und Chotusit zugebracht. So war er mit dem Könige, der sich in Kuttenberg befand, zwar noch nicht wieder vereinigt, aber ihre Verbindung war neuerdings hergestellt. Nichts konnte den König hindern zu seiner Hauptmacht zu stoßen, wenn dieselbe auch jetzt noch von den Desterreichern angegriffen werden sollte.

Dieß wirklich zu thun, war denn in der That eben so sehr der Gegenstand der persönlichen Wünsche des Prinzen von Lothringen, als er wußte, daß er hiemit nur dem ihm oftmals kundgegebenen Verlangen Maria Theresia's nachkomme. Denn die Königin sehnte sich darnach, und mit ihr das ganze österreichische Heer 22), durch eine glückliche Waffenthat die frühere Ueberlegenheit über alle anderen deutschen

Truppen neuerdings darzuthun und den Schatten zu entfernen, welchen der Tag von Mollwig auf den österreichischen Kriegsruhm geworfen hatte.

Maria Theresia verhehlte sich zwar nicht, daß der Ausgang einer Schlacht für ihr ganzes Schicksal entscheidend sein könne. Eine Niederlage würde sie, so besorgte die Königin, der Willkür jener Fürsten unterwerfen, welche sich im Voraus in ihre Länder getheilt hatten. Nichts könnte dann die Verwirklichung jener Plane, ja etwa noch weiter gehende Forderungen vereiteln. Ein Sieg aber würde, so hoffte sie dagegen, vielleicht das Bündniß ihrer Feinde lösen, ihr selbst Zeit und Gelegenheit gewähren, ihre Kräfte zu sammeln, und fremde Mächte bestimmen ihr zu Hülfe zu kommen.

„Die Gerechtigkeit ihrer Sache," schrieb in jenen Tagen der venetianische Botschafter Capello von Maria Theresia, „ermuthigt ihre „Wünsche und ihre Hoffnungen, und diese unvergleichliche aber un„glückliche Fürstin ermüdet nicht, durch ihre Tugenden der Ergebung und der Demuth den Segen des Himmels herabzurufen auf ihre „schwer bedrängten Völker und Länder 33).“

Durch irrige Nachrichten getäuscht, glaubten Prinz Karl und seine Rathgeber, daß das ganze feindliche Heer in den Dörfern um Kuttenberg zerstreut liege, und sie hofften darauf es dort noch überraschen zu können. Selbst als der Tag der 17. Mai 1742 angebrochen. war, schwand diese Täuschung nicht ganz, da das preußische Heer sich in den Niederungen hinter Chotusig befand, und durch die Häuser dieses Dorfes gedeckt war. Doch überzeugte man sich von dem Vorhandensein einer starken feindlichen Truppenmacht, und davon daß die Voraussetzung, das ganze preußische Heer befinde sich bei Kuttenberg, irrig gewesen sei. Als jedoch vierhundert Husaren und verschiedene Cavalleriepiquets 34) gegen das westlich von Chotusiß liegende Czirkwit vorrückten und das preußische Lager dadurch in Bewegung kam, durfte man nicht länger daran zweifeln, daß man die feindliche Hauptmacht vor sich habe und der langerwartete Augenblick der Schlacht wirklich gekommen sei.

Die Vorbereitungen hiezu wurden denn auch von beiden Seiten ungesäumt getroffen. Schon ehe er den leßten Marsch von Ronow nach Czaslau angetreten, hatte Prinz Karl einen Armeebefehl erlassen, welcher das Heer zum bevorstehenden Kampfe gleichsam vorbereiten sollte. Beim Angriffe sei, so wurde der Cavallerie be= fohlen, große Stille und feste Haltung zu beobachten. Käme aber der Feind einem Regimente zu nahe, so müsse ihn dasselbe mit dem Degen in der Faust angreifen und ihn verhindern, Feuer zu geben. Die Reiter sollten sich bemühen, dem Gegner die Flanken abzugewinnen, die Husaren sich auf das zweite Treffen werfen, und alle erst in einer Entfernung von fünfzig Schritt Feuer geben, dann aber allsogleich einhauen. „Gott mit uns und Maria“ war die Parole, das Feldgeschrei aber „Elisabeth". Am Schlusse des Armeebefehles spricht der Prinz das feste Vertrauen aus, jeder Officier werde seine Schuldigkeit thun, den Feind aus dem Lande zu vertreiben. Und noch eine Bemerkung fügt er hinzu, welche freilich ein eigenthümliches Licht auf die Art und Weise wirft, nach der bisher bei den Beförderungen im Heere vorgegangen worden sein muß. Wenn einem der Officiere durch die Bevorzugung Anderer Unrecht geschehen sein sollte, so möge er, erklärt der Prinz, sich ungescheut melden. Die Königin verpfände ihr Wort dafür, daß ihm sein Recht zu Theil werde, wie denn künftighin alle Beförderung nur nach dem Range und ohne Berücksichtigung des Glaubensbekenntnisses stattfinden solle.

Im Angesichte des Feindes angelangt, ordnete Prinz Karl sein Heer, das ungefähr dreißigtausend Mann größtentheils kriegserfahrner und erprobter Truppen 35) zählte, auf dem von Czaslau gegen Chotusit sanft abfallenden Plateau in zwei Treffen zur Schlacht. Die Infanterie, von dem Feldzeugmeister Freiherrn von Thüngen commandirt, bildete das Centrum. Die Reiterei befand sich auf beiden Flügeln, deren linken der General der Cavallerie Graf Karl Batthyany, den rechten aber der General der Cavallerie Graf Hohenembs befehligte. Die beiden Flügel waren vorwärts gebogen; ein Blick auf ihre Aufstellung zeigt jedoch, daß dieselbe durchaus nicht glücklich ersonnen war. Denn der linke Flügel entbehrte jedweden Stüßpunktes, und auf

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dem rechten Flügel hatte die Reiterei ein Flüßchen und stark coupirtes Terrain gerade vor sich. Ein ungünstigerer Boden für ihre Bewegungen wäre in der That nicht leicht zu finden gewesen.

Den Desterreichern gegenüber stellten sich die Preußen, bei welchen ihr König mit seiner Heeresabtheilung von Kuttenberg rechtzeitig eingetroffen war, gleichfalls in Schlachtordnung. Ihre Truppen, der Zahl nach ein Weniges geringer als die der Oesterreicher, be= fanden sich jedoch in einer vortheilhafteren Stellung, indem ihr rechter Flügel durch die beiden großen Teiche von Czirkwiß geschüßt, ihr linker Flügel aber durch den Park von Sehusitsch so ziemlich ge= deckt war. Auch bei ihnen stand, wie es damals gewöhnlich der Fall war, das Fußvolk in der Mitte, die Reiterei auf den beiden Flügeln. Der König und der Erbprinz von Dessau befehligten im Centrum, Generallieutenant von Buddenbrock auf dem rechten, Generallieutenant von Waldow aber auf dem linken Flügel.

Um acht Uhr Morgens, während die Oesterreicher ihren Aufmarsch bewerkstelligten, begann das preußische Geschüßfeuer den Kampf. Alsbald bemerkte der Erbprinz von Dessau, daß der linke Flügel der Desterreicher, indem er sich vorwärts bewegte, dem Gegner die Flanke darbot. Ungesäumt benüßte er diese Blöße; die preußische Cavallerie, an welcher seit der Mollwißer Schlacht der König unablässig gearbeitet hatte, um sie kriegstüchtiger zu machen, warf sich, von Buddenbrock persönlich geführt, auf die österreichische Reiterei und brachte sie in Unordnung. Nur der hartnäckige Widerstand des Fußvolkes und ein Angriff, welchen die österreichische Tavallerie des zweiten Treffens auf die Preußen vollführte, verhin= derten es, daß der linke Flügel der Desterreicher gleich zu Anfang der Schlacht völlig geschlagen wurde. Die preußischen Schwadronen kehrten in ihre erste Aufstellung zurück.

Weit günstiger für die Oesterreicher gestaltete sich der Gang des Kampfes auf dem rechten Flügel. Ungehindert durch das, was auf der anderen Seite des Schlachtfeldes sich ereignete, drangen die Desterreicher gegen die ihnen gegenüber stehenden Preußen vor und trieben sie hinter Chotusig zurück. Das Dorf wurde von den Oesterreichern

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