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mit den früheren Kennzeichen lebhafter Sympathie und mit der son= stigen Thatkraft der englischen Nation so seltsam contrastirte, der Einwirkung der Regierung selbst zuschreiben zu müssen. Denn in einer Art von eifersüchtiger Regung scheine dieselbe es verhindert zu haben, daß was zuvor niemals geschehen, das englische Volk aus eigenem Antriebe und ohne Mitwirkung des Königs und des Parlamentes einer fremden Macht eine Geldhülfe anbiete 16). Auch die Auszahlung der vom Parlamente bewilligten fünfmalhunderttausend Pfund wurde über die Gebühr verzögert und die Summe selbst, wie es das erste Mal der Fall gewesen, auch jezt wieder unter allerlei Vorwänden mannigfachen, höchst beträchtlichen Abzügen unterworfen. Die Entsendung der Truppen nach den Niederlanden kam gleichfalls nicht ganz so schnell zu Stande als man ursprünglich gehofft hatte. Troy alle dem brachte jedoch die unzweideutige Parteinahme der öffentlichen Meinung in England für Maria Theresia und die Voraussicht, die britische Regierung werde hindurch zu entscheidenden Schritten zu Gunsten der Königin von Ungarn gedrängt werden, einen für dieselbe sehr vortheilhaften Umschwung hervor. Insbe= sondere trat er in den Verhandlungen an den Tag, welche jezt auf persönlichen Antrieb des Königs von Preußen neuerdings wieder angeknüpft wurden.

Am 23. März 1742 hatte der Domherr Graf Giannini, welcher sich noch fortwährend in Brünn befand, durch einen Trompeter die Aufforderung erhalten, sich insgeheim zu Friedrich nach Selowiß zu verfügen. Dort wurde ihm eröffnet, der König habe sich entschlossen, Lord Hyndford nach Ölmüß zu berufen und dort binnen sechs Wochen mit Maria Theresia Frieden zu schließen. Er werde sich in der Zwischenzeit, wenn man ihn nicht angreife, nur vertheidigungsweise verhalten, und man möge sich daran nicht stoßen, daß er in anscheinendem Widerspruche mit dieser Erklärung den Fürsten von Dessau mit der unter seinen Befehlen stehenden Armee an sich ziehe17).

Von tief eingewurzeltem Mißtrauen gegen die Aufrichtigkeit der Mittheilungen des Königs von Preußen beseelt, zweifelte man in Wien nicht daran, daß es ihm vor der Hand nur darum zu thun sei, vor dem Eintreffen des Fürsten von Dessau nicht angegriffen zu

werden. Nach der Ankunft dieser mächtigen Verstärkung werde er wahrscheinlich wieder ganz nach eigenem Ermessen handeln. Ein Briefwechsel zwischen Belleisle und dem französischen Hofe, in welchem der Erstere sich für die Bundestreue König Friedrichs verbürgte, war in die Hände der österreichischen Regierung gefallen und bestärkte ihren Verdacht 1). Daher hütete sie sich jezt, einen vielleicht vorschnellen Schritt zu thun, und wartete die Mittheilungen ab, welche in dem Falle, als König Friedrich die Verhandlungen mit Lord Hyndford ernstlich wieder angeknüpft hätte, von dem Leßteren ge= macht werden mußten. Man hatte um so mehr Ursache, in dieser Zurückhaltung zu verharren, als statt etwaiger Eröffnungen Lord Hynfords eine Anzahl wichtiger, durch eine Streifpartei einem preußischen Courier abgenommener Briefschaften nach Wien gelangte. Zwei eigenhändige Schreiben des Cardinals Fleury an König Friedrich bewiesen am besten die ungeschwächte Fortdauer des freundschaftlichen Einvernehmens der Höfe von Versailles und Berlin '). Mehr noch als durch diese Schriften glaubte man jedoch des Königs trügerisches Spiel aus einem Briefe seines Ministers Podewils an den französischen Gesandten Valori zu ersehen, durch welchen der Leztere nach dem preußischen Heerlager berufen wurde 20). Also den Bevollmächtigten Frankreichs und nicht Lord Hyndford wolle Friedrich, so folgerte man in Wien, in seiner Nähe haben, und daraus schloß man, daß alle Erklärungen des Königs auf nichts abzielten als Maria Theresia neuerdings zu hintergehen 21).

Eo leicht zugänglich war man am Wiener Hofe einem solchen Argwohn gegen Friedrich, daß man mit einer Art von Verwunderung erfuhr, die Berufung Lord Hyndfords in das preußische Lager jei doch erfolgt, und der König habe dem englischen Gesandten wirklich Vorschläge zum Abschlusse des Friedens mit Maria Theresia ge= macht. Und wie verschieden waren diese Vorschläge von den Anforde rungen, von welchen Friedrich so oft mit Emphase erklärt hatte, nicht ein Haarbreit abweichen zu wollen. Von der Sache seiner Verbündeten und der Nothwendigkeit, ihnen einen angemessenen Gewinn zu Theil werden zu lassen, war nur mehr ganz im Allgemeinen die Rede.

Arneth, Maria Theresia. Bb. II.

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Desto bestimmter lauteten die Forderungen des Königs für sich selbst. In der ersten Mittheilung, welche dem Wiener Hofe am 23. April übergeben wurde, verlangte Friedrich außer Glaß auch noch den Königgräßer Kreis und die Herrschaft Pardubiß 2). In einer zweiten, um fünf Tage später überreichten Schrift wurde statt der böhmischen Gebietstheile ganz Oberschlesien mit Ausnahme des Fürstenthums Teschen begehrt 2).

Der König begriff wohl, daß er durch sein bisheriges Verfahren dem Wiener Hofe ein Recht zu begründetem Mißtrauen gegeben hatte. Wie sehr er dieß fühlte, zeigen die Betheuerungen, mit welchen er seine Mittheilung begleitete. „Von dem Augenblicke „angefangen," so lauten seine eigene Worte, „als Alles abgeschlossen „und unterzeichnet sein wird, soll keine Betrachtung und kein Vor„wand der Welt im Stande sein, mich zu einem Bruche der ge= ,,troffenen Verabredung zu vermögen. Dieselbe wird vielmehr, was „auch immer geschehen möge, von meiner Seite als heilig angesehen „und unverbrüchlich beobachtet werden 24)."

Es mußte auffallen, daß Friedrich jezt nichts mehr für seine Verbündeten verlangte und mit keinem Worte auf die früher so oft wiederholte Behauptung zurück kam, seine königliche Ehre verbiete es ihm, sich von ihnen zu trennen. Da er jedoch auch nicht so weit ging, Maria Theresia gewaffneten Beistand gegen ihre übrigen Feinde zu versprechen, da er vielmehr in dem Kampfe wider dieselben neutral zu bleiben verlangte, so dachte die Königin nicht daran, jeßt, wo ihre Stellung sich so wesentlich gebessert hatte, auf seine Begehren einzugehen. Denn sie übertrafen die Anerbietungen noch, welche sie in weit üblerer Lage und in der Vorausseßung gemacht hatte, hiedurch des Königs werkthätige Hülfe zu erlangen. Maria Theresia beschränkte sich darauf, in einer ausweichenden Antwort 2) ihre Geneigtheit zum Frieden im Allgemeinen und ihre Bereitwillig= keit auszusprechen, denselben auch durch Opfer zu erkaufen, wenn sie nur nicht jedes billige Ausmaß überstiegen.

Noch war diese Erklärung von Wien nicht abgegangen, als fernere Mittheilungen von Hyndford eintrafen. Sie dürften als ein

untrügliches Zeichen des hohen Werthes angesehen werden, welchen der König von Preußen, der noch vor wenigen Wochen vom Frieden nichts hören wollte, jezt auf das Zustandekommen eines solchen legte. Ueberdieß erhielt man durch Hyndfords neuen Bericht eine Aufklärung darüber, wie es fam, daß König Friedrich jest mehr begehrte, als Maria Theresia jemals in den Sinn gekommen war anzubieten. Zu großer Verwunderung überzeugte man sich, daß man ihm dieß eine Mal wenigstens Unrecht gethan und daß das von ihm gestellte Begehren, in welchem man eine unerträgliche Anmaßung erblickt hatte, eigentlich durch ein nur schwer zu entschuldigendes Verfahren der englischen Unterhändler Hyndford und Robinson hervorgerufen war. Denn diese hatten, wie sie jezt selbst gestanden, ohne hiezu die entfernteste Ermächtigung von Seite Maria Theresia's erhalten zu haben, ja ihr solches vielmehr sorgfältig verhehlend, schon im Jänner und Februar 1742 dem Könige von Preußen, um ihn von dem Bunde mit Frankreich, Baiern und Sachsen zu trennen, die gleichzeitige Abtretung der Grafschaft Glat und Oberschlesiens in Aussicht gestellt. Sie erfuhren nun die Beschämung, daß diese Ueberschreitung ihrer Vollmacht aufgedeckt und. von Maria Theresia die Erklärung abgegeben wurde, sie habe sich nie zu einer derartigen Abtretung bereit gezeigt, noch werde sie sich jemals dazu herbeilassen.

Was die Forderungen des Königs betraf, so wurde jeder Gedanke an Abtretungen in Böhmen mit Entschiedenheit von der Hand gewiesen. Sich zu solchen zu verstehen, wäre der Königin natürlicher Weise weit schwerer geworden, als zu noch beträchtlicheren Zugeständnissen in Schlesien zu schreiten, welches Land sie ja ohnedieß zum größten Theile verloren geben mußte. Auf eines der beiden Begehren wolle fie eingehen, ließ Maria Theresia durch Hyndford erklären, in keinem Falle aber auf beide zugleich. Endlich werde sie stets an der ausdrücklichen Bedingung festhalten, daß ihr der König von Preußenden Besiß ihrer übrigen Staaten, wenigstens der in Deutschland ge= legenen garantire und sich mit ihr und den Seemächten vereinige, um die französischen Truppen so bald als möglich von dem Boden Deutschlands zu vertreiben. Diese Bedingung, weit davon entfernt,

entehrend für Friedrich zu sein, würde ihm den Ruhm eines Befreiers seines Vaterlandes, eines Wiederherstellers der öffentlichen Ruhe erwerben und ihm Geringeres auferlegen, als wozu er früher selbst sich angeboten habe 26).

Es ist von vielem Interesse, den ferneren Unterhandlungen zu folgen und sowohl das mit seiner früheren Zögerungspolitik so seltsam contrastirende Drängen des Königs, als das tief eingewurzelte Mißtrauen zu beobachten, mit welchem man auf österreichischer Seite die von dem schlauen Widersacher herrührenden Mittheilungen entgegen nahm. Man war davon überzeugt, daß er nur darauf ausgehe, den Wiener Hof neuerdings zu überlisten, und in jeder anscheinend noch so geringfügigen Kundgebung erblickte man eine Bestätigung dieses Argwohns. „Ich bedauere," ließ sich um diese Zeit ein einflußreicher österreichischer Staatsmann gegen Robinson vernehmen, „daß man in England etwas für möglich hält was es „meines Erachtens nicht ist, nämlich daß der König von Preußen „uns nicht betrügen werde 27)." Und es wurde allsogleich bemerkt und bitter empfunden, daß der König bei der Grundsteinlegung zu einem öffentlichen Gebäude in Neisse sich rühmte, Niederschlesien mehr durch die Gewalt des Geistes als durch die der Waffen" erworben zu haben 20).

Eine neuerliche Mittheilung Lord Hyndfords, in welcher die früheren Begehren des Königs eigentlich nur wiederholt wurden, beantwortete auch Maria Theresia in dem Sinne ihrer vorhergegangenen Erklärung. Dabei blieb sie und es ließ sich vorhersehen, daß sie ohne in noch größere Bedrängniß zu gerathen, von ihrem Entschlusse nicht abgehen werde. Das gleiche war bei Friedrich der Fall. Auch er schien von seinen erhöhten Anforderungen nicht das Mindeste nachlassen, und obgleich jeden Augenblick bereit, sich von seinen Verbündeten zu trennen, doch keinen Kampf wider dieselben auf sich laden zu wollen. Darum ruhten jezt die Verhandlungen einen Augenblick, und es schien, daß dieselben erst dann wieder mit Ausficht auf Erfolg aufgenommen werden könnten, wenn durch ein Ereigniß auf dem Kriegsschauplaße der eine oder der andere der streitenden Theile sich zu größerer Nachgiebigkeit gezwungen sehen würde.

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