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Frankreich. Ja schon damals tauchte der Plan auf, zu einem solchen Kriege sämmtliche deutsche Fürsten zu vereinigen. Denn man hielt es nicht für unmöglich, selbst den Kaiser Karl VII. ab= zuziehen von seinem scheinbar so engen Bündnisse mit Frankreich. Die Aussöhnung zwischen den Häusern Desterreich und Baiern wollte man dadurch herbeiführen, daß der Kurfürst zwar als Kaiser anerkannt, die Nachfolge auf dem Throne Deutschlands aber und die Rückkehr der Kaiserkro:e zu dem Hause Desterreich durch die Wahl des Großherzogs von Toscana zum römischen Könige sichergestellt würde").

Ohne Zweifel waren auch die beiden lezten Beweggründe von wesentlichem Einflusse auf das Verfahren Maria Theresias: die Abneigung gegen Frankreich, und die Sehnsucht, ihrem Gemahl die deutsche Kaiserkrone zuzuwenden. War das erstere Gefühl schon durch die treulose Politik des französischen Cabinetes lebhaft angeregt, so fühlte sich Maria Theresia durch den Hohn, mit welchem der greise Cardinal Fleury noch vor wenigen Wochen ihrem Bevollmächtigten gegenüber die Behauptung ausgesprochen hatte, „es gebe ,,kein Haus Desterreich mehr ")", persönlich aufs tiefste beleidigt. Ihn die Macht dieses Hauses in empfindlicher Weise fühlen zu lassen und es durch seine Erhebung auf den Kaiserthron neuerdings mit dem altererbten Glanze zu umgeben, gleichzeitig aber ihren geliebten Gemahl zu jener Würde zu erhöhen, welche sie für ihn längst schon ersehnt hatte, und dadurch einen Lieblingsplan zu verwirklichen, dessen bisherige Vereitlung sie wie ein erlittenes Unrecht empfand, darnach dürstete die hochstrebende Seele der Königin. Durch den Abschluß des Friedens mit Preußen sah sie sich diesem Ziele beträchtlich näher gerückt, und auch darum mag sie den in Breslau verabredeten Bestimmungen ihre Genehmigung ertheilt haben.

Das hauptsächlichste Motiv zum Abschlusse des Friedens lag jedoch für Maria Theresia in dem Ungestüm, mit welchem England sich dafür verwendete. Für den Fall der Fortdauer des Krieges mit Preußen stellte es seinen Rücktritt von dem Bündnisse mit dem Hause Desterreich, für den Fall des Friedensschlusses aber seinen gewaffneten

Beistand zur Fortführung des Krieges gegen Frankreich in Aussicht. Und daß man die Nachgiebigkeit der Königin selbst in London als einen zunächst der englischen Regierung erwiesenen Dienst ansehe, wurde von den hervorragendsten britischen Staatsmännern oftmals betheuert ""). Sie ergingen sich dafür in Danksagungen, in Lobpreisungen des Edelmuthes der Königin, und in Versprechungen, dieselbe so groß und so mächtig machen zu wollen, als dieß nur immer möglich erscheine *7).

Je mehr aber Maria Theresia der Ansicht war, daß beim Abschlusse der Friedenspräliminarien ihre Interessen in allzu geringem Maße gewahrt worden seien, desto mehr mußte sie dafür Sorge tragen, daß Gleiches nicht auch bei dem definitiven Frieden geschehe, an dessen Zustandebringung nun unverzüglich geschritten werden sollte. Ganz unthunlich erschien es, auch jezt noch Lord Hyndford, von dessen übereiltem und parteiischem Verfahren **)" man sich fernerer Nachtheile versah, als alleinigen Bevollmächtigten fungiren zu lassen. Außerdem konnte er ja auch nicht in ausreichendem Maße über die Verhältnisse unterrichtet sein, hinsichtlich deren definitive Bestimmungen in den Friedensvertrag aufgenommen werden sollten. Darum beeilte man sich in Wien, den Hofrath Hermann Lorenz von Kannegießer nach Breslau abzusenden, um bei den bevorstehenden Unterhandlungen Lord Hyndford mit seinem Rathe und seinen Kenntnissen zu unterstüßen.

Zwei Punkte waren es vorzüglich, hinsichtlich deren der Wiener Hof ganz besondere Ursache zu haben glaubte, mit den Präliminarien unzufrieden zu sein: die Bestimmung wegen der Bezahlung der schlesischen Schuld und die Festsehung des neuen Grenzzuges. In beiden Punkten hoffte man durch den definitiven Frieden bessere Bedingungen zu erhalten.

Was zunächst die Schuld betraf, so erschien die Unbilligkeit der hierüber in die Präliminarier aufgenommenen Bestimmungen so unbestreitbar, daß der König von Preußen nicht leicht sich weigern konnte, hierin weiter zu gehen als es Lord Hyndford gegenüber geschehen

war. Denn dieser hätte sich bald zufrieden gestellt, wenn nur die Interessen der englischen Gläubiger gesichert erschienen. Freilich behaupteten jezt die preußischen Bevollmächtigten, es sei ungerecht, ein schon erobertes und abgetretenes Land hinterher noch mit Geld erkaufen zu müssen. Von österreichischer Seite wurde hiegegen erwiedert, daß die Hypothek dem unbeweglichen Gute anklebe, und es noch ungerechter wäre, ein großes Land abtreten und dann überdieß auch noch die Schulden bezahlen zu sollen, welche darauf haften. Endlich erkannte man preußischer Seits die Nothwendigkeit, für die Holländer Aehnliches wie für die Engländer zu thun. Der König übernahm die Bezahlung der von englischen und holländischen Staatsangehörigen dargeliehenen, auf Schlesien versicherten Summen, jedoch nur gegen das Zugeständniß, von den leßteren seine Geldforderungen an die holländische Republik in Abzug bringen zu dürfen. Außerdem verpflichtete sich Friedrich, den Schlesiern die Beiträge zurückzuerstatten, welche sie dem Steueramte, der Bancalität und auf die schlesischen Domänen dargeliehen hatten. Hinsichtlich der gleichen Forderungen österreichischer und fremder Unterthanen sollte ein späteres Uebereinkommen abgeschlossen werden. Der Königin von Ungarn aber fiel die Bezahlung der Summen zu, welche von ihren eigenen Unterthanen in den österreichischen Niederlanden vorgestreckt worden waren.

Zugleich heftiger entbrannte der Streit, der sich über die Festsehung der neuen Grenzlinie entspann und einen Augenblick sogar das ganze Friedenswerk zu gefährden drohte.

In den Präliminarien waren das Fürstenthum Teschen, die Stadt Troppau sammt dem Lande dießseits der Oppa und des hohen Gebirges, endlich die Herrschaft Hennersdorf, welche Bartenstein gehörte, und die in Schlesien enclavirten mährischen Gebietstheile von der Abtretung an Preußen ausgenommen worden. Jezt handelte es sich darum, zu bestimmen, was unter dem allgemeinen Ausdrucke dießseits der Oppa und des hohen Gebirges" eigentlich zu verstehen sei. Die österreichischen Bevollmächtigten bemühten sich, den Befehlen des Wiener Hofes zu Folge, jenem Ausdrucke eine weiter gehende Auslegung zu geben, als man sie auf preußischer Seite angenommen hatte.

Arneth, Maria Theresia. B5. II.

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Schon hinsichtlich des hohen Gebirges," weit mehr aber noch in Bezug auf die „Oppa“ war dies der Fall. Denn es handelte sich hiebei nicht um dieses Flüßchen, sondern darum, wem Jägerndorf zufallen solle. Wurde unter der Oppa das nördlich von Jägerndorf fließende kleine Gewässer verstanden, so mußte die Stadt der Königin von Ungarn verbleiben. Nannte man das südlich von Jägerndorf strömende Flüßchen die Oppa, so fiel sie an Preußen.

Es läßt sich nicht läugnen, daß die Benennung des Flüßchens, wie sie im Volksmunde gebräuchlich war, der preußischen Auslegung entsprach. Hofrath von Kannegießer, welcher sich bei seiner Reise nach Breslau hierüber an Ort und Stelle Aufklärung zu verschaffen suchte, erhielt sogar von den in jener Gegend postirten österreichischen Generalen Festetics und Kheyll die Versicherung 49), daß das südliche Flüßchen allgemein die Oppa, das nördliche aber die Comeis heiße, somit Jägerndorf durch den Wortlaut der Präliminarien dem Könige von Preußen zugesprochen sei. Kannegießer ließ sich jedoch hiedurch nicht entmuthigen, sondern er wußte sich alte Landkarten zu verschaffen, auf welchen jedes der beiden Flüßchen als Oppa, und zwar das nördliche als Comeis-Oppa bezeichnet wurde. Hierauf gestüßt verlangte er, daß Jägerndorf bei Desterreich bleibe und von den preußischen Truppen geräumt werde 50).

Dieses Begehren wurde von dem Könige von Preußen, der sich zu sorgfältigster Wahrung seiner Interessen bei der Friedensverhandlung persönlich in Breslau eingefunden hatte, gar übel aufgenommen. Auch dießmal der Methode folgend, welche er in ähnlichen Fällen immer anzuwenden pflegte, erging er sich Lord Hyndford gegenüber in den heftigsten Ausdrücken. Niemals werde er, so lauteten seine Worte, hinsichtlich Jägerndorfs nachgeben. Wenn nicht noch an demselben Abende und zwar Punkt fünf Uhr der Friede seinem Verlangen gemäß abgeschlossen sei, so werde er um diese Stunde dem Prinzen Leopold von Dessau den Befehl zusenden, mit den preußischen Truppen neuerdings in Böhmen einzurücken. Höchstens dazu könne er sich herbeilassen, daß ihm statt Jägerndorf die Herrschaften Hoßenploy, Maidelberg und Roßwalde, welche zu den in Schlesien enclavirten

mährischen Districten gehörten, im Tauschwege zu Theil würden. Er bedaure lebhaft, nicht auf dem Schlachtfelde den Frieden geschlossen und seine Truppen so schnell aus Böhmen gezogen zu haben 51).

Den ihm von Hyndford hinterbrachten Drohungen des Königs hielt jedoch Kannegießer tapfer Stand. Er erklärte keine Einwendung gegen einen etwaigen Abbruch der Friedensverhandlungen zu erheben und jeden Augenblick zur Rückkehr nach Wien bereit zu sein 2). Als nun Friedrich sah, daß er dießmal durch Einschüchterung nichts zu erreichen vermöge, besann er sich bald eines Besseren. Die festgesezte Stunde verrann, ohne daß der Befehl zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten an den Prinzen von Dessau abging. Wohl zunächst um sich selbst die Demüthigung einer persönlichen Nachgiebigkeit zu ersparen, verließ der König Breslan, und nach seiner Abreise wurden die Verhandlungen von preußischer Seite weit glimpflicher geführt. Kannegießer hatte sich noch fernere Beweise, insbesondere eine schon im Jahre 1686 gedruckte Beschreibung zu verschaffen gewußt, in welcher das Comeiser Wasser als die eigentliche Oppa bezeichnet wurde. Hyndford war selbst nach Jägerndorf geeilt, um die Lage der Stadt und die beiden Flüßchen in Augenschein zu nehmen. Hie= bei hatte er sich von dem unbestreitbaren Rechte Maria Theresia's auf Jägerndorf überzeugt 53). Endlich erhielt Kannegießer auf seinen Vorschlag von Wien aus die Ermächtigung, dem Könige von Preußen als Aequivalent für Jägerndorf den Katscher District anzubieten. Podewils wies diesen Antrag zwar nicht mehr so unbedingt von sich, als es früher geschehen war. Er behauptete jedoch nur in Berlin, wohin ihn der König berufen hatte, eine definitive Erklärung darüber abgeben zu können.

Da auch Lord Hyndford zur Abreise nach Berlin sich anschickte und Kannegießer befürchtete, derselbe könnte sich daselbst neuerdings zu Zugeständnissen verleiten lassen, welche von Nachtheil für Maria Theresia wären, entschloß er sich ihm dorthin zu folgen. Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen erklärte Friedrich gegen den ihm angetragenen Tausch nicht länger Einwendung erheben zu wollen, wenn dem Katscher District auch noch die Städtchen Weidenau und Jauernig beigefügt würden. Er that dieß um dem Wunsche des Erzbischofs

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