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Durch den Antrag der Königlich Preussischen Regier g

auf Einverleibung eines Theils der Unterelbe in das Zoll gebiet wurde die Frage angeregt, ob und welche rechtliche Bedenken, ausser den sehr nahe liegenden wirthschaftlichen, einem solchen Antrage entgegenstehen. Bei der Untersuchung dieser Frage, zu welcher der Verfasser der nachfolgenden Blätter sich durch das Bekanntwerden des Antrages veranlasst sah, drängte sich allerdings zunächst die Erwägung auf, dass die Wirkungen, welche die beabsichtigte Maassregel, nämlich die Durchschneidung der Elbe unterhalb der Stadt Hamburg, für den Seehandel der Elbhäfen haben wird, auch für die Rechtsfrage insofern wesentlich in Betracht kommen muss, als eine wirkliche Hemmung des freien Verkehrs durch Zollmaassregeln auf der Unterelbe eine Beeinträchtigung des der freien und Hansestadt Hamburg durch den Art. 34 der Reichsverfassung gesicherten Reservatrechts enthalten würde. Allein eine gründliche Erörterung der wirthschaftlichen Frage ist mehr oder weniger abhängig von der Kenntniss verschiedener noch nicht bekannter, wahrscheinlich noch nicht festgestellter Details der beabsichtigten neuen Einrichtung. Es schien deswegen richtiger, von der eben angedeuteten Folgerung aus dem Art. 34 der Reichsverfassung bei der vorliegenden Untersuchung ganz abzusehen und dieselbe auf eine Ermittlung der staatsrechtlichen Sachlage zu beschränken, wie sie sich aus dem bisherigen Gange der für die Elbschifffahrt in Betracht kommenden Ereignisse und Verhandlungen entwickelt hat.

Die nachfolgende Zusammenstellung der Ergebnisse war fertig und die Drucklegung derselben eben vollendet, als die telegraphische Meldung eintraf, dass die mit ungewöhnlicher Eile betriebene Annahme des Antrags durch den Bundesrath bereits erfolgt sei. Der eigentliche Zweck der Darstellung war also verfehlt; da dieselbe aber wesentlich historischen Inhalts ist, so dürfte die Veröffentlichung auch jetzt noch gerechtfertigt erscheinen.

Hamburg im Juni 1880.

I.

Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts war die Schifffahrt auf den grösseren deutschen Strömen in kläglichem Zustande. Die natürlichen Hindernisse, welche die vernachlässigte Fahrbahn den tiefer gehenden Flussfahrzeugen entgegenstellte, wurden noch überboten durch die Hemmnisse, welche zahlreiche Abgaben und die Art ihrer Erhebung künstlich herbeiführten. Die ältesten derselben mögen wohl auf die Zahlungen zurückzuführen sein, welche sich die anwohnenden Dynasten von den Schiffern dafür leisten liessen, dass sie ihnen für eine gewisse Strecke sicheres Geleit gaben; aber die Geleitzölle blieben, als die Schifffahrt längst keines thatsächlichen Schutzes mehr bedurfte. Doch galten die schiffbaren Ströme in Deutschland, wo sie die Hauptgrundlage des auflebenden Verkehrs bildeten, als des Reiches Strasse und die Erhebung von Schiffsabgaben bedurfte kaiserlicher Verleihung; durch diese wurden Kirchen, Fürsten und Städte begünstigt. Die verschiedenen Privilegien der Städte kamen hinzu, Stapelrecht, Umschlagsrecht, Monopole und Privilegien der Schiffergilden u. s. w.; hier mussten die Waaren ausgeladen und zum Verkauf ausgeboten, dort in andere Fahrzeuge umgeladen, dort wenigstens Abgaben entrichtet werden. Rhein, Weser, Elbe, Donau hatten solche Hebestellen in grosser Anzahl. Besonders gesegnet war

damit der Rhein.

Die Veränderungen, welche in diesen Zuständen während der Napoleon'schen Fremdherrschaft eingetreten waren, machen es erklärlich, dass man nach Beseitigung der letzteren einer Wiedereinführung der ersteren vorzubeugen bemüht war und im Pariser Frieden von 1814 darauf umsomehr Bedacht nahm, als bei der Rheinschifffahrt auch ausser

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deutsche Staaten, Frankreich und Niederlande, wes e
betheiligt waren. Der Pariser Friede bestimmte
Grund früherer, aber fruchtlos gebliebener Verhand I
des Rastatter Congresses) in Art 3 in Betreff des Rhe
,,la navigation sera libre de telle sorte, qu'elle ne

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être interdite à personne," und, die Schiffahrtsabgab

sollen regulirt werden,,de la manière la plus favorable

commerce de toutes les nations". Hinzugefügt wurde, dass der in Wien zusammentretende Congress bestimmen solle, in wie weit diese für den Rhein (und zugleich auch für die Schelde) aufgestellten Grundsätze auf alle diejenigen Flüsse auszudehnen seien, welche in ihrem schiffbaren Laufe verschiedene Staaten trennen oder durchströmen.

So war ein neuer staats- und völkerrechtlicher Begriff geschaffen, indem die seitdem so genannten conventionellen Ströme von den andern (bloss territorialen) Flüssen unterschieden wurden und die Regelung der Schifffahrt auf denselben zum Gegenstand völkerrechtlicher Uebereinkunft erhoben wurde. Diese Unterscheidung ist es, welche noch jetzt wesentlich in Betracht kommt.

Der Wiener Congress erfüllte die ihm gestellte Aufgabe, ernannte eine besondere Commission zur Bearbeitung der Flussschifffahrtsfrage und brachte endlich nach deren Vorschlägen die Artikel 108-116 der Wiener Congress-Akte zu Stande, welche hinsichtlich der deutschen Ströme 5 Jahre später noch ihre besondere Bestätigung erhielten, indem in der Sitzung des Bundestags vom 3. August 1820 alle Bundes staaten sich ausdrücklich verpflichteten, die Bestimmungen derselben „,unverbrüchlich zu halten“. Der erste dieser Artikel der Congress-Akte (108) besagt: „,Les puissances, dont les états sont separés ou traversés par une même rivière navigable, s'engagent à rêgler d'un commun accord tout ce qui a rapport à la navigation de cette rivière". Die folgenden 8 Artikel enthalten weitere Ausführungen der in Paris für den Rhein stipulirten Grundsätze für alle übrigen conventionellen Ströme. In Bezug auf die

Schifffahrts-Abgaben wird bestimmt, dass sie möglichst gleich, nicht zu hoch sein und ohne all zu grosse Belästigung erhoben werden sollen, und ferner dass der einmal festgestellte Tarif nicht ohne gemeinsame Uebereinkunft der Uferstaaten erhöht werden dürfe; und im Art. 115 heisst es:,,Les douanes des états riverains n'auront rien de commun avec les droits de navigation; on empêchera par des dispositions reglementaires, que l'exercice des fonctions des douaniers ne mettent pas d'entrave à la navigation“.

Diesen auf dem Wiener Congress vereinbarten, im Bundestage 1820 bestätigten Bestimmungen gemäss traten für die Elbe die Commissare sämmtlicher Uferstaaten zur ersten Elbschifffahrts-Commission in Dresden zusammen und entwarfen die Elbschifffahrts-Akte von 1821. Dieselbe enthielt (in 33 Artikeln) Bestimmungen

über alle bei der Schifffahrt in Betracht kommenden Verhältnisse. Sie gelten nach dem Wortlaut der Einleitung der Akte von der ,,Elbe in ihrem schiffbaren Laufe". Im Artikel 1 wird die völlige Freiheit der Schifffahri stipulirt für den ,,Elbstrom, von da an, wo derselbe schiffbar wird, bis in die offene See und umgekehrt aus der offenen See". Diese Worte waren den beiden früheren Verträgen nachgebildet, nur mit dem Unterschied, dass es im Pariser Frieden hiess: „jusqu'à la mer" (statt des von einer Seite verlangten jusque dans la mer") und in der Wiener Akte jusqu'à son embouchure." Die ersten 7 Artikel beziehen sich auf die Freiheit der Schifffahrt und haben immer unzweifelhaft für den ganzen Strom in der oben bezeichneteu Ausdehnung gegolten. Die folgenden 20 Artikel aber betreffen die Abgaben, welche jetzt dahin regulirt wurden, dass im Ganzen statt der vorhandenen 35 He bestellen deren nur 14 sein sollten, dass jeder Staat eine bestimmte Recognitionsgebühr vom Fahrzeug und gewisse nach der Waare und nach der durchfahrenen Strecke normirte,,Elbzölle" erheben dürfe und von diesen letzteren hiess es (im Art. 9) sie dürften im Ganzen „von Melnik bis Hamburg" nicht mehr als 27 Gr. 6 Pfg. pro Centner betragen. Hiermit

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war allerdings für verschiedene Artikel derselben verschiedenes Geltungsgebiet angedeutet, aber ein diesen Unterschied dahin auszudeuten, dass nun Hamburg's beliebig Zölle und Zollmaassregeln ange werden könnten, wurde niemals gemacht; selbst Ha berief sich zur Vertheidigung seines Stader Zolles hierauf, sondern lieber auf die Behauptung, dass ders von einkommenden Seeschiffen erhoben, weil nur Seezoll sei.

Auch

Ibe, cin

doch War durch die Elbakte von 1821 ein gegen früher sehr zweckmässiger Zustand geschaffen, so genügte er andererseits dem Handel durchaus nicht. Namentlich drang Hamburg, von Oesterreich lebhaft unterstützt, auf Ermässigung der Elbzölle und Erleichterung der Zollmaassregeln. der Schifferstand und die Elbstädte, besonders Magdeburg, erhoben im Laufe der Jahre immer neue, meist sehr beDiese abzustellen war die Aufgabe der gründete Klagen. sogenannten Elbschifffahrts-Revisions-Commissionen, welche nach einander 1824 in Hamburg, 1842 in Dresden, 1850 in Magdeburg, 1858 und 1863 wieder in Hamburg zusammentraten. Die auf diesen Conferenzen im allmähligen Fortschritt beschlossenen, zum Theil sehr wesentlichen Aenderungen und Verbesserungen, unter denen hinsichtlich der Elbzölle die zu Hamburg unterzeichnete Convention vom 4. April 1863 die wichtigste war, berührten allerdings hauptsächlich die Oberelbe von Melnik bis Hamburg.

Hamburg (mit Altona und Harburg) ist der Punkt, wo
einerseits die oberelbische Flussschifffahrt, andererseits die
Seeschifffahrt ihr natürliches Ende erreicht; bis hierher
reichte in vorgeschichtlicher Zeit der Meerbusen, bis hierher
ungefähr steigt noch jetzt die Meeresfluth. Von jeher herrschten
Es
hier vollständig andere Verhältnisse als oberhalb Hamburg;
sie wurden auf diesem Theil des Stromes von jeher mehr
denen der See gleichgestellt als denen der Oberelbe.
war deswegen begreiflich, dass, wie auch im Art. 1 der
Uebereinkunft der Uferstaaten vom 28. November 1844 aus-
drücklich ausgesprochen wird, die für die letztere getroffenen,

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