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Ludwig machte, um ihn nochmal zu krönen, statt dass es bei der durch Karl an ihm in Aachen vollzogenen Krönung sein Bewenden haben sollte. Daraus erhellt, wie es kam, dass später die Kaiser 816 persönlich die Krone sich in Rom holten. Die Römerzüge der Kaiser, sofern die Krönung ihr Zweck war, erinnerten äusserlich an die Bewerbungen der Feldherrn des alten Roms um einen Triumph. Die römische Kaiserkrone sollte nach dem Willen der Päpste nur ein persönliches Attribut sein, und kein Erbrecht darauf ruhen, damit jeder neue Krönungsakt mit einer neuen Bestätigung der Schenkungen Pipins und Karls des Gr., worauf es den Päpsten am meisten ankam, verbunden wäre. In der je erneuerten Bestätignng lag die Garantie des weltlichen Besitzes, gleichviel ob der Bestätiger aus der Linie Lothar's war, oder Karl der Kahle, oder aus der Linie der deutschen Karolinger (Karl der Dicke.) Wer den Zug nach Rom zu diesem Zwecke unternehmen konnte, dabei war immer eine imposante Militärmacht einbegriffen, der war jedenfalls der Mächtigste, und auf den Mächtigsten musste der Papst sich stützen. Eine Zeitlang vacant, darauf von Arnulf erlangt, dann wieder für eine Generation (während der Regierung Ludwigs, Konrads, Heinrichs I.) vacant, kam die Kaiserkrone an Otto I.

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Otto I., der es mit der Würde ernst nahm, d. h. über den Standpunkt des Papstes hinaus, dass die kaiserliche Macht nur gut dazu wäre, den weltlichen Besitz zu garantiren, der sie in dem praktischen Sinn einer Ausübung der Herrschaft im Bereich der Grenzen des alten weströmischen Reichs erstrebte, bezeichnete die Epoche einer Politik, die man als kaiserliche bezeichnen sollte, deren Charakter in Wahrheit aber durch die Päpste erzeugt, und galvanisirt wurde. Die Abhängigkeit von den Deutschen Kaisern, worin allerdings die römische Kirche durch Otto II., der einen Papst (Sylvester) einsetzte, und noch mehr durch Heinrich III gerieth, der sogar dreimal nach einander Bischöfe auf den Stuhl erheben liess, schien in dem Verhältniss zwischen Papst und deutschem Kaiser die Zeiten erneuert zu haben, wo die byzantinischen Kaiser das Bestätigungsrecht übten. Einen solchen Einfluss hatten sogar Letzere nie gehabt. Die Erhebung des Bischofs Suidger (Clemens II.) und nach ihm Poppo's (Damasus), und Bruno's 1046 (Leo IX.) durch Heinrich III., wozu ein Schisma den Anlass gegeben, folgte nachmals noch die Bestätigung des Papstes Nikolaus II. durch die Kaiserin Agnes, der Hildebrand ihn vorgeschlagen hatte.

Aber die Zeit war gekommen, Normen festzusetzen, wodurch verhütet würde, dass die Römer sich wieder an einen Kaiser wenden müssteu, um einen Papst zu erhalten. Die Festsetzung ging von einem Concil aus, das der leztgenannte Nikolaus II. im Lateran 1059 abhielt.

Alexander II. war der erste Papst, der normalmässig gewählt und in Rom anerkannt wurde, ungeachtet des Widerstandes einiger Bischöfe aus Itálien und Deutschland, und sogar des Königs 1061 Heinrich,

Vom päpstlichen Standpunkt erschien Deutschland's Macht als Mittel zum Zwecke. In diesem Standpunkt wurzelte der Plan, den ein Mann, der im Rathe der bisherigen Päpste eine wichtige Person gewesen war, im Stillen eutwarf, und zu dessen Verwirklichung die Umstände den Anlass leihen mussten, der Plan, die Jurisdiktion über die regierenden Fürsten und durch sie über die Länder auszubreiten, damit nicht die inzwischen erfolgte Trennung der orientalischen Kirche eine Nachahmung fände, d. h. jenes Beispiel der Griechen nachmals die westlichen Völker, wenn sie eine gewisse Reife erlangt haben würden, ergriffe und zur Nachahmung verführe. Jener Mann war der Kanzler des P. Alexander, Hildebrand. Der Plan musste geschickt maskirt, und durch andere rein geistliche Forderungen verdeckt werden.

Davon im nächsten Abschnitte !

Excurs.

Die Marken.

Was vordem für Rom in Italien die Colonien (Militärcolonien) und nachher ausserhalb Italiens die stehenden Einquartierungen (castra stativa) gewesen waren; dazu dienten seit Karl d. Gr. die Marken. Auf römische Einrichtungen zurückweisend, hätte Byzanz die Defensive der Standlager an den bedrohten Grenzen gegen Avaren, Bulgaren u. s. w. ausnutzen müssen. Aber bekanntlich war die technische Fähigkeit der altömischen Legionäre den Byzantinern nicht mehr eigen; sie hätten daher die Einrichtung der Marken entlehnen müssen, um die Einfälle zu empfangen und die Nachbarn zu nöthigen, zu ihnen in ein internationales Verhältniss zu treten oder ihnen die Thüre zu verschliessen.

Die Marken, die Karl d Gr. und spätere Kaiser (Heinrich I., die Ottonen, Heinrich II.) z. B. im Osten und Norden gründeten, waren

die Versuchsstationen zur Civilisirung der barbarischen Nachbarvölker, darunter die Ostmark (das Vorland der Avaren) die wichtigste.

Was die Bulgaren für das griechische Reich, das waren die Magyaren für das deutsche. Als auf Kaiser Otto's d. Gr. Betreiben sich die Magyaren endlich dazu verstanden, christliche Glaubensboten anzunehmen, wurde die Arbeit der deutschen Mönche und Bischöfe, welche sich über das Land vertheilten, nicht wenig durch die ungeheure Menge christlicher Gefangener erleichtert, welche sie vorfanden. Diese waren so zahlreich, dass der Bischof Pilgrim von Passau im J. 974 aus Ungarn dem Pabste schrieb: „Diese zusammengeschleppten Christen machen die Mehrheit des Volkes aus." Die Folge der Berührung der Ungarn mit diesen war, dass sich nach und nach der Sinn für staatliche Ordrung ausbildete, und so der Kreis der politischen Arbeit um ein neues Arbeitsfeld. crweitert wurde, dass also die Grenze der Civilisation nach Osten hinausgerückt wurde. Das Lehnsverhältniss, in welches Ungarn in der ersten Hälfte des eilften Jahrhunderts zum deutschen Reiche (Heinrich III.) trat, bezeugte das Resultat einer der westlichen ebenbürtigen Reife, die kurze Dauer dieses Verhältnisses freilich zugleich die Reife seiner inneren Entwicklung. Die spätere durch ungarische Könige (Stephan d. H., Geisa II., Andreas II. u. A.) betriebene förmliche Hereinziehnng civilisirterer Einwanderer sollte die politische Arbeit, wozu die Missionen angeregt hatten, weiter bringen helfen. Die Deutschen brachten bürgerliche Einrichtungen mit.

Wäre nicht zu Ende des eilften Jahrhunderts und im Laufe des zwölften die Kraft der Europäer durch die Züge zur Eroberung Jerusalems absorbirt worden, hätte sie vielmehr nach jenen Arbeitsfeldern im Nordosten im Geiste Karls des Grossen geleitet werden können, um sie der Rohheit und Stumpfheit zu entreissen, so hätte die Zukunft Europa's eine weniger päpstlich römische werden, sie hätte die Absichten der päpstlichen Curie verlangsamen und erfolglos lassen können.

Fast noch zweihundert Jahre brauchte es, bis der deutsche Orden dort seine Arbeit begann, als solcher mit seiner Eroberung eine Mark darstellend, ohne gleichwohl so zu heissen.

Sechster Abschnitt.

Die Fürsten Europa's im Bereiche der Wirkung des Bannes. 1) Präesidium Reipublicae christianae.")

England's Selbsthülfe.

Vorbemerkung.

Der fünfte Abschnitt hat die griechische Kirche in einer Zeit aus dem Verbande mit der lateinischen scheiden sehen, wo das griechische Reich ein entgegengesetztes Interesse haben musste Hatte. es..durch die Saracenen seit dem siebenten Jahrhunderte namhaft eingebüsst, so drohten seit der Mitte des eilften seitens der. Türken noch grössere Verluste. Aber die Kaiser hatten sich des Einflusses auf sie längst begeben, sonst hätten sie die Beibehaltung des Verbandes garantirt, weil das Gebot der Selbsterhaltung ihnen dieses räthlich erscheinen lassen konnte. Die Trennung der Interessen des Reiches und der Kirche zu planen, dazu nahm die Tradition den Kaisern die Fähigkeit.

Während nun die griechische Kirche durch das Umsichgreifen das Mahometismus (auch die erst nur Schatten in die Geschichte vorauswerfenden Türken waren Bekenner des Islam) an Terrain und Bekennern verlor und geschwächt wurde, gewann die römische Kirche durch Missionen nach dem Norden (Britannien), nach Deutschland (durch von Britannien kommende Mönche), und nach Nordosten (Albingien u. s. w.) weite Gebiete. Nothwendig mussten diese Gegensätze den Schwerpunkt der Geschichte verschieben, und während Letztere die griechische Kirche, weil ihre Leitung es so wollte, sowie das Reich sich und ihrem Kampf mit dem Mahometismus überliess, das lateinische Europa aufrufen, seinen religiösen Einheitspunkt nur stärker noch, als bisher zu betonen.

In einer solchen Zeit, welche noch der Religion gehörte, war es selbstverständlich, dass der römische Papst, der bis dahin für sich ohne Rivalen diese ganze Hälfte Europa's auf den Synoden zu repräsentiren verstanden hatte, ein Concil im Westen, wenn ein

1) vgl. ausser Gregorovius 1. 1, Bd. V. u. ff. v. Reumont 1. 1. noch die Werke von Schmidt über Frankreich, Giesebrecht über deutsche Kaiser, die WW. über die Kreuzzüge von Michaud, Wilken, Kugler u. A. Lanfrey, Histoire politique des Papes.

2) Der Papst betrachtete sich als den Präsidenten und obersten Priester einer allgemeinen europäischen Christenrepublik (veri Dei in his terris vicem gerens et universae Reipublicae Praesidens) nach einer Bulle Innocenz IV. (1253).

solches müsse zusammenberufen werden, allein in der Hand haben würde, vermöge des in Rom vereinigten höchsten kirchlichen Interesses.

Dieser Sachverhalt war der Hebel, womit der erste normalmässig gewählte Papst durch seinen Kanzler die Zukunft Europa's, seiner Fürsten wie seiner Völker zu inauguriren bestrebt war. Die erste Herausforderung dieses auf sich angewiesenen religiös-politischen Centrums musste von entscheidenden Folgen für den unterliegenden Theil werden, weil die Antithese Papst und König (da seit Heinrich's III. Tode die kaiserliche Krone vacant war) sich 1056 im Beobachtungsstadium vor der Entscheidung durch einen Kampf des einen Princips gegen das andere, des geistlichen gegen das weltliche, oder umgekehrt befand.

Schon 1067 hatte Wilhelm der Eroberer, der unter dem Segen des Papstes die Eroberung Englands ins Werk gesetzt hatte, mit Geschenken aus der Beute dem Papste (noch war es Alexander II.) und der Mahnung, seines Kanzlers Hildebrand, eine Taxe, wie die Anderen, an den römischen Stuhl zu entrichten, Folge geleistet. Andererseits gab der deutsche König Heinrich IV. in einer anderen Angelegenheit dem Papste Anlass, ihn zum Gehorsam zu bringen Dieser hatte sich kaum verheirathet. Müde sehr bald seiner Ver. bindung, sann er darauf sie zu trennen, und hoffte ein Concil gefällig zu finden. Aber ein von Alexander abgesandter Legat durchkreuzte diese Aussicht. Die geistlichen und weltlichen in Frankfurt 1069 versammelten Grossen pflichteten dem Legaten bei; der König musste nachgeben. Dieser rein geistliche Erfolg war der erste Sieg der römischen Kirche in Deutschland. Ein zweiter drohte bald zu folgen. Die Sachsen, die nach ihrer Niederlage bei Hohenburg capitulirt hatten, wandten sich, weil der König die Vertragsbedingung (Freilassung ihrer Grossen) nicht einhielt, an den Papst. Nun hatte der Papst gegen den König bereits schon aus anderen Gründen Ursache aufzutreten. Die Klage der Sachsen war gleichwohl der Anlass einzuschreiten; er benutzte also denselben, und beschloss Heinrich vorzuladen.

Aber er starb. Sein Tod schien den Nothschrei der Sachsen 1073 in Vergessenheit zu bringen. Der Kanzler Hildebrand, der durch Acclamation des Volks und des Klerus von Rom zur Annahme der Papstwürde noch am gleichen Tage genöthigt wurde, ein Wahlmodus, dem erst nachträglich die Cardinäle die normalmässige Form gaben, hatte es nicht so eilig, wie man glauben könnte. Er

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