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suchte zuvor seiner Anerkennung nach allen Seiten, sowohl in der Kirche, als bei den Vasallen der Kirche (Benevent, Capua), bei der Markgräfiu Mathilde ú. s. w. einen festen Halt zu geben, versuchte ferner die Stärke seines Einflusses in einem Vorgehen gegen den König Philipp von Frankreich wegen des Verkaufs geistlicher Stellen zu erproben. Er brachte dabei in bis dahin unerhört ge. wesener Weise die Androhung des Anathems (d. h. die Absetzung durch das eigene Land) als Probemanöver in Anwendung. Er hatte in allen diesen Dingen Erfolg. Eine kirchliche Versamm1074 lung in Rom schritt gegen das Concubinat ein, und erliess Beschlüsse gegen die Simonie.

Erst nachdem alles dieses, was noch innerhalb der zwei ersten Regierungsjahre in Vollzug gesetzt wurde, voraufgegangen war, ging er, der schon ein König über Königen schien, an die Hauptaufgabe, im deutschen Reiche die Investitur der Bischöfe und Aebte mit geistlichen Symbolen, die bisher von dem Könige daselbst vorgenommen worden war, an den römischen Stuhl zu bringen, in Gemässheit der von der bezeichneten Versammlung erlassenen Beschlüsse. Kein Laie (König, Herzog, Markgraf u. s. w.) sollte mehr ein Servitut an der geistlichen Belehnung haben.

Er liess also Legaten an den König Heinrich IV. abreisen mit einem Schreiben, worin demselben die Beschlüsse zu Wissen gethan und er zum Gehorsam gegen sie aufgefordert wurde. Die Legaten hatten aber auch den Auftrag in der Tasche, ihn nach Rom vorzuladen, je nachdem er die Aufforderung aufnehmen werde. Denn Gregor hatte sich bei Heinrich des Muthes versehen, dass er die Aufforderung ablehnen werde, wie es auch eintraf. Die Legaten cntledigten sich also ihres eventuellen Auftrags und schieden von dannen.

Das Signal zum Kampf zwischen König (Reich) und Papst (Kirche) war gegeben.

Erster Unterabschnitt.

Die Zeit der souveränen Oberhoheit der Päpste. 1)

I..

Begründung und Ausübung der Oberhoheit.

Die ganze volle Anstrengung war gegen König Heinrich im Zuge. Es hätte dem Ernste der Lage, in welche dieser gedrängt wurde, entsprochen, wenn er sich an die Spitze eines Heeres gestellt hätte, und nach Rom marschirt wäre. Der Incidenzfall hätte zu einem Compromiss führen müssen. Dieser Weg wäre im Geiste des damaligen Zeitalters staatsmännisch gewesen. Wir werden sehen, dass dieser Weg erst später eingeschlagen wurde. Was seitens des Papstes hätte erwartet werden sollen, das schloss dieser von seinem Vorhaben aus. Er hätte nämlich einfach den Bischöfen verbieten können, überhaupt ein Lehen anzunehmen. Aber den Papst beherrschte der Gedanke an Rom. Rom's Be

stimmung, Europa Gesetze zu geben, war von einem Vorgänger auf die Franken übertragen worden, aber mit dem karolinginschen Geschlechte für die Nation erloschen. Rom war sich selbst zurückgegeben. Warum sollte nicht jetzt, wo das Belehnungsrecht, das sich zu einer Streitfrage entwickelt hatte, Gelegenheit gab, der Papst diese Gelegenheit ergreifen, um für Europa den alten Vorrang Roms dem Stuhl Petri zu erringen? Die Hülfsquellen der Politik, worüber Heinrich IV. verfügte, bestanden in dem Verfahren, den Forderungen Roms seinen königlichen Willen entgegen zu stellen. Dieser einseitige und blos persönliche Widerspruch war ohne die dauernde Zustimmung der Vasallen eine durchaus unzureichende Bürgschaft für den Sieg.) Bei der Verfügung über kirchliche Strafmittel bedarf es keiner weiteren Andeutungen, um die Chancen, die der Papst vor dem Könige in dem ausgebrochenen Streite voraus haben würde, zu ahnen.

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Der erste Abschnitt des Kampfes geht bis zum Jahre 1111.
Heinrich, der am 22. Febr. 1076 nach Rom citirt war, stürzte

1) Literatur über einzelne Päpste z. B. über „Hildebrand Papst als Gregor VII. u. s. w." von Voigt (1846), Gfrörer (1859 u. ff.) Villemain 'Histoire de Grégoire VII. etc. (1873), über „Alexander III. und die Kirche seiner Zeit" von Reuter (1845), über ,,Innocenz III. und seine Zeitgenossen" von Hurter (1842). Ueber die Kreuzzüge haben geschrieben Michaud, Wilken, Sybel, Kugler u. A.

sich ohne die nöthige Berechnung, wie und ob er zum Ziele kommen werde, in den Widerstand. Eine von ihm berufene Synode zu Worms setzte den Papst sofort ab; die Bischöfe der Lombardei dem strengen Gregor abhold, traten auf einer Versammlung zu Piacenza dem Absetzungsbeschluss bei. Gregor antwortete mit der Excommuniction gegen die geistlichen Rädelsführer und mit dem Anathem gegen den König. 1) Er hatte nämlich auf den Unabhängigkeitsdünkel der Herzoge gerechnet, und sich nicht verrechnet: Der König stand allein! Ein Reichstag, der in Tribur zusammentrat, beschloss, dass Heinrich nicht mehr König sei, so lange, bis das Anathem von ihm genommen wäre. Und das sollte binnen Jahresfrist geschehen. Jetzt war kein anderer Ausweg, als der von den Fürsten angedeutete. Von Allen verlassen, musste Heinrich einen Schritt zur Aussöhnung mit allen den Umständlichkeiten, wie sie die Lossprechung vom Bann erheischte, unternehmen. Gregor auf der Reise nach der Lombardei begriffen, erhielt, als er auf der ämilischen Strasse bis Reggio gekommen, Kunde, dass Heinrich herankomme, und wandte sich seitwärts ins Gebirge, wo die Burg Canossa ihn aufnahm. Heinrich kam nicht mit einem Heere, wie er gefürchtet hatte. Nach förmlich abgelegter Busse, erfolgte hier die Lossprechung von dem Banne, ein Auftritt, der den Anfang des Friedens zu bedeuten schien, der aber dem Streite erst noch einen verschärften Charakter gab, weil die Frage, ob Heinrich sofort wieder die königliche Gewalt wieder erhalten, eigenmächtig von Gregor verneint wurde. Die Auseinderhaltung der Aussöhnung mit der Kirche (dem Papste) und der Wiedereinsetzung wie sie der Papst befolgte, war nicht misszuverstehen. Die Einsetzung der Könige sollte künftig durch die Wahlfürsten unter der Sanction des Papstes zu erfolgen haben.

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Durch die ihm widerfahrene Demüthigung, und weil nicht einmal der Zweck, den die beschwerliche Reise hatte haben sollen, erreicht war, geärgert, und auf seiner Rückkehr durch die Haltung der lombardischen Bischöfe aufs Neue in den Widerstand fortgerissen, beschloss er sich lediglich an die ihm vorher von dem Fürstentage in Tribur gestellten Bedingungen zu halten, benutzte die Unterstützung, die er fand, um die wiedererlangte Stellung mit den Waffen zu behaupten. Man hatte da, wo man auf des Papstes Weisung achtete, einen Gegenkönig aufgestellt. Er führte

1) Siehe Anhang (I, 1.)

einen dreijährigen Krieg gegen den Rebellen, der zuletzt in der Schlacht an der Elster unterlag, und trat an der Spitze eines Heeres 1080 im Jahre darauf einen Zug gegen Rom an, was er sechs Jahre früher hätte thun können. Erst auf seinem dritten Zug | erreichte 1083 er seinen Zweck; er eroberte die Leonina mit dem Vatican und der Peterskirche und wurde, da die Römer den Standpunkt des Papstes nicht theilten, der mit dem aufs Neue Gebannten nicht in Unterhandlungen treten wollte, von diesen eingeladen, seinen Einzug in die Stadt zu halten. Das beliebte Mittel, durch eine Synode Gregor abzusetzen, wurde abermals in Vollzug gesetzt; aber Gregor verliess die Engelsurg erst, als in den Normannen Entsatz anlangte. Die Stadt, aus welcher das deutsche Kriegsheer sich entfernt hatte, musste die Barbarei der Normanen über sich ergehen lassen, die die Stadt durch Brand verwüsteten, und dann abzogen, die erste schwere Heimsuchung seit den Tagen, da sich die Byzantiner in der Stadt gegen die Gothen zu vertheidigen gehabt hatten. Die Hülfe, die die Normannen dem Papste geleistet hatten, liess diesen nur mit Schmerz an Rom denken. Sein Tod erfolgte bald darauf. Seine Nachfolger Victor und Urban II. wirkten in dem 1085 Geiste, wie er angefangen hatte, fort; die Entscheidung über die Belehnung (Investitur) kam dadurch aber nicht vom Fleck, ja sie schien durch das inzwischen auftauchende Projekt einer Eroberung des hl. Landes aufs Ungewisse hinaus vertagt zu sein. Vielleicht rechnete Urban II, von dem die Initiative dafür ausging, auch auf Erledigung des Streites durch Ableitung der widerhaarigen Elemente.

Die Züge, welche das Projekt zu verwirklichen bestimmt waren, bekannt unter dem Namen Kreuzzüge, weil das Kreuz das Abzeichen (insigne) aller Theilnehmer war, waren von dem Standpunkte, den durch Gregor das Papstthum hervorzukehren begonnen hatte, Unternehmungen, wie sie nur ein Herrscher zu Stande bringen konnte, der Europa zu seinen Füssen sah.

Der Kampf um das Recht der Belehnung konnte nicht in der Schwebe gelassen werden. Nicht lange nach der Wahl Paschal's II. erfolgte der Tod des Gegenpapstes Clemens, den Heinrich gegen Gregor hatte wählen lassen. Die Könige von Frankreich und England gaben jetzt dem neuen Papste gegenüber ihren Standpunkt in der Investiturfrage auf: sie verzichteten auf die Belehnung der Bischöfe und der Aebte mittelst Ring und Stab, und verlangten statt dessen, dass diese Geistlichen ihnen für ihre Besitzungen den Lehnseid leisten sollen. Einfaches Abkommen! So praktisch dachte

man in Deutschland nicht. Heinrich IV. starb 1106. Endlich, fünf Jahre später, schien das Ende des Streites auch für den deutschen König gekommen zu sein. Der Papst, in der Peterskirche gefangen genommen, willigte in die Investitur des Bischofes oder Abtes mittelst Ring und Stab, bevor derselbe geweiht d. h. so lange er noch Candidat seines geistlichen Amtes wäre.

Heinrich V. wurde gekrönt; die Sache schien ausgetragen.

Im Jahre darauf war der Streit wieder auf dem alten Fleck. 1112 Denn der Papst wiederrief die gemachten Zugeständnisse. | Hiemit begann eine zweite Periode. Heinrich, in den Bann gethan, kam angerückt, konnte aber mit dem Papste, der sich der Unterhandlung entzog, sich nicht benehmen. Der Papst starb; alsbald trat ein neuer an die Stelle. Der Kaiser war mit dem Entschlusse, einen Papst einzusetzen, überholt; eine Gegenwahl wäre keine Erledigung gewesen. Auch dieses Pontificat dauerte nicht lange. Dann kam Calixtus II. Noch einmal versuchte das Papstthum das alte Mittel, 1119 die Vasallen des Eides der Treue gegen den Kaiser zu entbinden. | Es verfing in dieser Frage nicht mehr. Die Fürsten und Völker waren des Kampfes müde. Ein allgemeiner Reichsfrieden wurde 1121 geschlossen, | eine Einmüthigkeit, die den Papst stutzig und nachgiebig machte. Ein Fürstenrath, der beauftragt wurde, den Streit beizulegen, führte im Jahre darauf zu dem berühmten Vertrage von Worms, 1) den ein allgemeines Concil im Lateran) einige Zeit darauf bestätigte. Der Bann von Rheims war hinfällig.

Keine Frage, welche das Verhältniss zwischen Papst und König oder (wenn er in Rom sich die Krone holte) Kaiser trüben würde, zeigte sich am Horizont. Die Aufmerksamkeit Europa's, wo jetzt der Papst an die Spitze grosser Angelegenheiten sich zu stellen verstand, beschäftigte sich seit dem ersten Kreuzzuge mit dem hl. Lande und seinen Gefahren seitens der ägyptischen Chalifen oder der Saracenen am Euphrat. Die Annäherung, die der Papst durch Begünstigung der Züge zwischen den Königen herstellte, wurde bei der festen Organisation, die die Kirche vor dem Staate voraus hatte, ein Mittel gewaltiger Kraftanstrengungen. Eine ganz einzige Zeit freundlichen Zusammengehens der fürstlichen und kirchlichen Interessen! Aber eine kurze Zeit, die sich für Deutschland mit

1) Vgl. Anhang (I. 2.)

2) Das erste der allgemeinen Concilien im Westen.

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