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Betreiben des Grafen von Thurn, der sich an die Spitze der Unzufriedenen stellte, versammelten sich die evangelischen Stände in Prag. Bei der Gährung, die von Monat zu Monat wuchs, reifte um die Mitte Mai's der Entschluss, zur That der Selbsthülfe zu schreiten. Sie nahmen Rache an zwei kaiserlichen Statthaltern, und bemächtigten sich, obgleich sie in Manifesten an das Publicum und an den Kaiser den Verdacht des Abfalls fernzuhalten bemüht waren, und ihren Hass gegen den Eidbruch des Thronfolgers betonten, der Regierung und aller herrschaftlichen Gefälle, nahmen Beamten und Soldaten in Pflicht, und stellten die Verwaltung des Landes unter die Leitung eines Direktoriums. Des Angriffs gewärtig, der von kaiserlicher Seite erfolgen musste, stellten sie sich als kriegführende Partei auf, und nahmen den Kampf an. Unterstützt von der Union, die jetzt die Stunde ihres Handelns gekommen sah, warfen sie sich den kaiserlichen Truppen entgegen, und nahmen, ihren ersten Erfolg gegen sie ausnützend, ihren Marsch auf Wien, als Matthias starb, und Ferdinand die Nachfolge antrat.

Die Böhmen, sowie Mähren, Schlesien und Lausitz, benutzten den Tod des Kaisers, und wählten consequenterweise den Kurfürsten von der Pfalz zu ihrem König. Ferdinand sah sich Böhmen gegenüber in dem Falle, wie vordem Friedrich III., nur dass ihm die Treue der übrigen Länder die Mittel liess, zu rüsten, und die Niederwerfung des Aufstandes zu unternehmen. Von Sachsen unterstützt, weil dieses die Ausbreitung des Calvinismus in Böhmen verhüten wollte, von der Liga, die das Auftreten der Union wieder auf die Beine brachte, und von Spanien zugleich unterstützt, glaubte der Kaiser an dem Siege über die Rebellion nicht zweifeln zu dürfen. Schlesien und die Lausitz wurden von Sachsen unterworfen, die Pfalz von Spanien (Spinola) angegriffen, und der Herrschaft Friedrichs über Böhmen durch eine Niederlage, die der Herzog von Baiern seinem Heere in der Nähe der Hauptstadt Prag beibrachte (Anf. Nov.) | ein Ende gemacht.

1620

Die europäischen Kriege des 17. und 18. Jahrh.

Der dreissigjährige Krieg.

Die Art, wie die Reichsacht, welche den seit dieser Niederlage flüchtigen König traf, vor der die Union zerschmolz, und die den Katholiken durch Uebergang der erledigten Kurwürde an den

Herzog von Baiern das politische Uebergewicht bei den Wahlen gab, an Böhmen und an pfälzischen Landen vollzogen wurde, liess dies als einen Angriff auf die Sache der deutschen Protestanten erscheinen. Der Argwohn, der Alle erfasste, verursachte einen europäischen Krieg, zu dem das Bisherige als Vorspiel gedient hatte, den man den 30 jährigen Krieg nennt, der aber, von der Epoche, die das 1625 Auftreten des Dänenkönigs bezeichnet, datirt, datirt, nicht ganz ein Vierteljahrhundert dauerte. Die Zeit, während welcher er kirchenpolitischen Charakter trug, lief schon bei dem Prager Frieden, dem alle protestantischen Stände des mittleren und nördlichen 1635 Deutschlands beitraten, ab.

Erste Hälfte. 1)

Christian IV. von Dänemark büsste den Schritt, seinen Sympathien für die deutschen Glaubensgenossen mit den Waffen Ausdruck zu geben, um die norddeutschen Bisthümer zu erobern, mit einer Niederlage seines Heeres durch den bairischen (liguistischen) General Tilly auf braunschweigischem Boden, und konnte zufrieden sein, dass ihm, als Friede geschlossen wurde (in Lübeck), 1629, seine Länder zurückgegeben wurden, die theilweise Tilly und theilweise Wallenstein erobert hatten und besetzt hielten. Ihre Verbindung mit dem Dänenkönige hatte den Herzogen von Mecklenburg den Verlust ihrer Herrschaft gekostet, die durch kaiserliche Ernennung vom Jan. 1628, an den Fürsten von Friedland, Wallenstein, übergegangen war, eine Analogie zu dem Schicksale des Pfälzer Kurfürsten! 2)

Aus diesen beiden Belehnungen durften die Protestanten auf den Plan des Kaisers schliessen, mit Hülfe der Stärkung des katholischen Elementes nach und nach sich die deutschen Lande unmittelbar unterzuordnen und so vorreformatorische Zustände zurückzuführen. Sie in diesem Argwohn zu bestärken, war die noch vor dem Abschluss des Lübecker Friedens an sie durch ein besonderes Edikt gestellte Forderung, alle seit dem Passauer Vertrag eingezogenen geistlichen Güter (Erbstifter, Abteien, Stifter und Klöster) zu restituiren. Zu diesem Schritte, der, übereilt wie

1) Vgl. Gfrörer, A. F., Gustav Adolf, König von Schweden und seine Zeit. Zweite etc. Auflage. Stuttg. 1845. Buch 2. Cap. 6 u. ff.

2) Vgl. Janko, Wallenstein. Ein Gharakterbild im Sinne neuerer Geschichtsforschung (1867); Ranke, v., Geschichte Wallenstein's (1869).

er war, weil er seinen Sohn zum römischen König wählen zu lassen gedachte, und wegen der über der barbarischen Vollstreckung durch Wallenstein erwachten Klagen bald suspendirt wurde, hatte die im Dunkeln arbeitende höfische Partei, von der der Kaiser seine Inspirationen zu empfangen gewohnt gewesen, gedrängt.

Der weiteren Verfolgung des Planes dieser Umgebung trat die Invasion der Schweden einstweilen in den Weg. 1) Gustav Adolf, durch die Unterstützung geärgert, die Wallenstein seinem Feinde, dem Könige von Polen und Prätendenten der schwedischen Krone, während seines Feldzuges gegen diesen geliehen, schloss nach glücklicher Eroberung Lieflands, und noch ehe er die Eroberung Westpreussens ernstlich betrieb, einen Waffenstillstand auf sechs Jahre mit Polen ab. Er hielt bei der Gährung, die die Politik Ferdinands gegen sich wachgerufen, und weil er in den Protestanten schon darum natürliche Verbündete zu haben glaubte, die Zeit zu einem Einfall in das Reich für günstig. Seinen Standpunkt leitete die Absicht, dem Umsichgreifen der kaiserlichen Macht in Deutschland entgegenzutreten, was gleichbedeutend war mit dem Streben, selbst bleibend festen Fuss in Deutschland zu fassen. Wenn der Protestantismus davon einen Erfolg zu Gunsten seiner Sache erwartete, so erschien er zugleich als der dritte, der seine Dienste einer bedrohten Sache nur im Hinblick auf eine Ablohnung widmet. Immerhin mag er diese Absicht gegen das deutsche Reich nur darum verfolgt haben wollen, um bei Wiederaufnahme der Feindseligkeit gegen Polen nicht neuen gefährlichen Einmischungen von deutscher Seite begegnen zu müssen.

Es war von seiner Politik zu erwarten, dass er diese Absicht durch den Hinweis auf die Beleidigungen, die er durch die schimpfliche Abweisung seiner Gesandten aus Lübeck, und durch die gewaltsame Absetzung seiner Verwandten, der Herzoge von Mecklenburg erfahren hätte, officiell maskirte. Die Thatsache ist, dass das deutsche Reich den Einbruch Gustav Adolfs und seiner Schweden der Einmischung Wallensteins zu danken hatte, dass der Feldzug gegen den Kaiser gerichtet war, um ihn von der Ostsee zu verdrängen, endlich, dass er, fern davon, von dem Reichsrath gebilligt zu werden, des Königs eigenster, durch die Inspiration vorbeugender Politik eingegebener, Initiative entsprang, deren

1) Vgl. Gfrörer, a. a. O. Buch 3. Droysen, Gustav Adolph. Hammerstrand, Bidrag till historien om Konung Gustaf II. Adolfs deltagende i trettioåriga krige (in: Årsskrift, utgifven af Kongl. Vetenskaps-Societeten i Upsala. S. 1-120) Upsala 1860.

Doergens, Aristoteles.

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Billigung er von einem ergebenen Ausschuss des Reichsraths (Nov. 1629) zu erlangen vermocht hatte. 1)

Im Mai 1630 waren die Rüstungen vollendet. Sein Heer, numerisch in keinem Verhältnisse zu den deutschen Streitkräften, wenn diese vereint waren, schiffte sich im Juni in Elfsnahen ein, und landete bei der Mündung der Peene, um, da Wallenstein inzwischen abgedankt war, den Feldzug gegen die Liga zu beginnen, die durch diese Abdankung vor einem Zerwürfniss mit dem Kaiser bewahrt worden war. Auf die Ereignisse, die durch das Erscheinen der Schweden auf dem deutschen Boden zu Wege gebracht wurden, kann nur soweit eingegangen werden als hinreicht um ihren Gang kennen zu lehren. Bis zum Schluss des Jahres hatte Gustav Adolf die Provinz bis auf die Festungen Kolberg und Greifswalde in seiner Gewalt. Doch hatte es nur immer Gefechte von untergeordneter Bedeutung abgesetzt. Aber die Noth Magdeburgs, das im Vertrauen auf sein Kommen sich, Dank der Geschäftigkeit des Administrators des Erzstifts, für die Sache der Schweden erklärt hatte, lag wie eine dunkle Wolke auf der Zukunft seines Rufes. Nach mehrmonatlichen Unterhandlungen kam es um die Mitte Januars im Hauptquartier Gustav Adolfs zu Bärwalde (bei Küstrin) zu einem Vertrage mit Frankreich; darauf wandte sich der König gegen Mecklenburg. Hätte Einigkeit zwischen dem Kaiser und der Liga (dem Kurfürsten von Baiern) statt jener reservirten Politik, wonach der Eine dem Andern die Schweden auf den Hals zu laden wünschte, geherrscht, so möchte schon jetzt der Krieg eine Entscheidung gegen Gustav Adolf herbeigeführt haben. Trotz der Zögerung, welche den Kriegsmuth Tilly's und der liguistischen Truppen lähmte, wäre es diesem, sich zwischen Gustav Adolfs Hauptheer und das Heer seines F.-Marschall Horn zu werfen und ihre Verbindung zu sprengen, gelungen, Dank der grossen Geschicklichkeit des Letzteren. Tilly zog über Brandenburg nach der Elbe ab, und gab dadurch Gustav Adolf Frankfurt a. d. O. preis, das er am 3. April mit Sturm nahm. Er zwang indem er die protestantischen Fürsten aus dem Gedanken an eine bewaffnete Neutralität losriss, den Kurfürsten von Brandenburg, ihm Küstrin und Spandau einzuräumen, und ein Bündniss mit ihm zu schliessen, wodurch die Politik des Ministers Schwarzenberg

1) Vgl. Arkenholz Staatspapiere bei Mauvillon Histoire de Gustave Adolphe.

S. 210 u. ft.

überholt wurde. Die Unterhandlungen hatten ihn gehindert, Magdeburg zu Hülfe zu kommen, das seine Sache ergriffen hatte, und am 20. Mai von Tilly erstürmt und geplündert wurde. Dafür hatte die Diversion Horn's nach Mecklenburg Erfolg gehabt und die Herzoge zurückgeführt. Da Tilly, Da Tilly, dem es lieber darum zu thun gewesen wäre, Mitteldeutschland, wohin er zurückgegangen, zu räumen, auf Einschreiten des Kaisers Befehl erhielt, Kursachsen anzugreifen, so war dies für Gustav Adolf ein Wink, Tilly zuvorzukommen, und das sächsische Heer zum Anschluss zu nöthigen, wozu es auch kam, da der Kurfürst Rettung in seinem Lager suchte.

Am 7. September liess Tilly sich durch Pappenheim in eine Schlacht hineinziehen, zu Breitenfeld bei Leipzig, und erlag, die erste grosse Entscheidung, die Gustav Adolf über die Kaiserlichen davon trug, und die ihm nicht blos Sachsen in die Hände lieferte, sondern auch den Weg nach Mainz freimachte. Die Fortsetzung der Eroberungen am Rhein überliess er Bernhard von Weimar; er selbst folgte den Spuren Tilly's, forcirte den Uebergang über den Lech, den Grenzfluss Baierns, wobei Tilly fiel, und raubte mit der Einnahme Baierns der Liga den letzten Aufenthalt.

Nach diesem Ausgange, der das Dasein der letzteren vernichtete, sah der Kaiser seine Erblande einem direkten Angriffe seitens der Schweden 1) ausgesetzt. Jetzt brauchte er keiner Beschwerden seitens der Reichsfürsten zu achten, wenn er Wallenstein aus dem Dunkel, in das die Entlassung auf dem Reichstag von Regensburg ihn verwiesen, hervorzog. Wallenstein liess sich bewegen, dem Kaiser wieder wie vormals seinen Degen zur Verfügung zu stellen. Er hatte bald ein Heer beisammen, um damit die Vertheidigung des Kaiserthums zu beginnen (Jan. 1632), wozu die Erblande die Mittel aufbringen mussten. Um die Fortführung des Oberbefehls, auch als die Werbungen abgeschlossen waren, liess er sich wiederholt bitten, der ihm dann im weitesten Sinne ertheilt wurde. 2)

1) zunächst Böhmen durch die mit Gustav Adolf verbündeten Sachsen.

2) Die Vertragsbedingungen macht Gfrörer a. a, O. (Buch 4, Cap. 4, S. 968) namhaft. Politisch wichtig darunter die Artt. 7 u. 8, weil daraus der Schluss zu ziehen, dass der letzte Gedanke Wallensteins die Wiederherstellung des Kaiserthums auf Kosten der Reichsfürsten war. vgl. Janko a. a. O. S. 53.

Ausserdem vgl. Dudik, B., Waldstein von s. Enthebung bis zur abermaligen Uebernahme des Armee-Ober-Commando, 1630-1632. Nach den Akten des K. K. Kriegs-. archiv in Wien (1858).

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