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anfangs nahen, als ihn die Rückkehr Napoleons yon Elba vertrieb. 1) Unzugänglich gegen die Friedensanträge seitens des Kaisers, bearbeitet für die Absicht, Napoleon, nur weil er an die Revolution erinnerte, von Neuem zu bekriegen, hiessen am 12. Mai auch die Cabinette Russlands und Oesterreichs 2) das Manifest vom 25. März gut, das Napoleon als Friedensstörer vervehmte. 3) Gegen dieses gemeinsame Handeln dachte Letzterer durch successive Siege die Partie auszuspielen, da er sich wohl bewusst war, dass er, Allen auf einmal gegenübergestellt, unterliegen müsse. Aber die Preussen waren zu bald fertig, um Wellington zu unterstüzen. Seine Niederlage bei Waterloo (18. Juni), durch die Desertion eines seiner Generale (Bourmont) am Vorabende der Schlacht bei Ligny vorbereitet, durch Grouchy's Ausbleiben verursacht, und durch Bülow's Eintreffen herbeigeführt, hatte den Verlust der Schlacht, seine Flucht, jähe Abdankung (21. Juni) und die Constituirung einer provisorischen Regierung zur Folge, die Louis XVIII. zur Wiederübernahme der Regierung einlud. Mittlerweile hatte der Wiener Congress, der während dieser Episode zu tagen fortgefahren hatte, die Schluss- oder Generalakte unterzeichnet (9. Juni).4) Der Schlussakt der kurzen Tragödie hatte die Person der Discretion der Verbündeten anheimgegeben. Dann wurde zwischen der Coalition und Frankreich zum zweiten Male Friede geschlossen (20. Nov.), aber zum Nachtheil Frankreichs, das in seinem Territorialbesitz auf die Grenzen von 1790 eingeschränkt wurde.

Die Politik der Epoche. I. In Südeuropa.

Im J. 1818, als das Aufhören der Occupation des französischen

die Staaten Europa's im Einzelnen zu vgl. die im Hirzel'schen Verlage in Leipzig erschienen Specialgeschichten, von denen bezüglich Frankreichs neben dem Werke Rochau's der Wachsmuth'sche Band IV. seiner Gesch. Frankreichs im Revolutionszeitalter für die Zeit dieses Unterabschnittes unbestreitbar seinen Platz behauptet, und was Italien betrifft, neben dem Werke Reuchlin's auch das Werk Ruth's Erwähnung verdient. Ueber Russland schrieb Bernhardi, über England Pauli, über Spanien Baumgarten u. s. w. Aber eine Geschichte Deutschlands existirt unter jenen Werken des Hirzel'schen Verlages nicht, wohl eine Geschichte. Oesterreichs von Springer. Eine Geschichte Preussens wird erwartet. 1) Specialwerk: Ott, Gesch. der letzten Kämpfe Napoleons (1843).

2) Vgl. Oeuvres de Napoléon III. T. II. (1856), S. 101 (,,A quoi tiennent les destinées des empires!").

3) Mürat, dem der Congress Friedensanträge vergebens gemacht (31. März), war durch seine Niederlage bei Tolentino (3. Mai) schon ein verlorener Mann.

4) Vgl. Klüber, Akten des Wiener Congresses. 9 Bde (1815—35).

Bodens, Dank den Vorstellungen des Herzogs von Richelieu von dem Congress zu Aachen1) bewilligt wurde, trat auch Ludwig XVIII. dem heiligen Bunde der europäischen Grossmächte bei, d. h. machte sich zur Pflicht, die constitutionellen Neuerungen, wo sie auftauchten, unterdrücken zu helfen, und, wo sie bestehen, wie z. B. in Frankreich selbst, sie nicht zu begünstigen. Die Früchte der Politik von Aachen her sollten bestätigen, dass die heil. Allianz das Werk völkerwidriger Absichten war, als welche sie England's Weigerung beizutreten, denuncirt hatte.

Mit dem Eintritt in die 20er Jahre zeigte sich Oesterreich, das jetzt wenn nicht die erste der continentalen Grossmächte war, doch die erste diplomatische Aktion übte, einerseits und Frankreich andererseits die Gelegenheit, für jenes in Italien, für dieses in Spanien, im Geiste des heil. Bundes durch ihre Intervention den Kampf mit dem Zeitgeist bald aufzunehmen.

Die nach Erlösung ringende Bewegung, welche den Süden Europa's ergriff, nahm in Spanien ihren Anfang, wo unter den in Cadix versammelten und für Südamerika bestimmten Regimen1820 tern eine Verschwörung ausbrach (1. Jan.), deren Alarmruf die Wiederherstellung der Verfassung von 1812 war, und an deren Spitze sich Quiroga stellte, deren Seele aber der Oberst Riego war. Diese Erhebung, welche auch Portugal ergriff, wo die Einberufung der Stände erfolgen musste, griff andererseits nach Neapel hinüber, wo Gen. Pepe von Nola aus den Aufstand zu Gunsten einer der spanischen ähnlichen Verfassung organisirte (Juli); Piemont, dessen Anschluss an die Politik der heil. Allianz kurze Zeit ausser Zweifel gestanden hatte, wurde bald in diese Bewegung hereingezogen.

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Der Mangel an Verständniss, den die Erhebung der spanischen sowie der neapolitanischen Verfassungsfreunde bei ihrer Nation fanden auf deren Anschluss doch dabei gerechnet war, stempelten sie, weil Militärs sie unternommen, zu Verbrechen gegen die Disciplin. Jedes politische Beginnen, das ohne den Beifall der Nation bleibt, ist Verbrechen in den Augen Derer, die die Gesetze hüten. Gegen die Constitutionellen in Neapel schickte der Congress der Monarchen 1821 zu Laibach (Nov.) | die Oesterreicher, welche die Truppen Pepe's

zersprengten und Carascosa zur Capitulation zwangen; gegen die Spanier schickte der im Jahre darauf (Octob.) zu Verona vereinigte

1) Dauer des Aachener Congresses von 30. Sept. 21. Nov.

Congress ein französisches Heer unter dem Herzog von Angoulème (April), der, als Befreier von dem unwissenden Pöbel und von 1823 der adelsstolzen Hofpartei begrüsst, siegreich Spanien bis Cadix durchzog und hier die Cortes zur Capitulation zwang (1. Oct.), welche dem Kriege nach drei Jahren ein Ende machte und Ferdinand die volle Gewalt zurückgab..

Die Hellenen. 1) Um die Zeit, als diese Einmischungspolitik erst geplant wurde, hätte die Erhebung der Hellenen gegen die Türkei, eingeleitet durch den Aufstand Ypsilanti's in der Moldau, den souveränen Mitgliedern der heil. Allianz Aussicht auf einen würdigeren Anlass zu Einmischungen zu bieten gehabt. Aber nein! Hier hatte man Zeit genug, während es in Neapel und Spanien drängte. Sehr spät (1826), wegen der Deutung, welche Metternich diesem Aufstand angehängt hatte, machte, auf Canning's Antrag, England die Sache der Hellenen zu seiner eigenen, als die Verwüstung Morea's durch die vom Sultan zu Hülfe gerufenen Aegyptier in vollem Zuge war, und Missolunghi von letzteren zu Falle gebracht wurde. Nikolai von Russland und Karl X. traten dem Antrage Englands bei, dessen Bestimmung dahin ging, durch eine 1826 bewaffnete Demonstration auf die Pforte zu drücken. 2) Der den Verbündeten aufgedrungene Seesieg bei Navarino (20. Oct.) | 1827 brachte die Hellenen auf einmal ihrem ersehnten Ziele nahe. Die Flotte der Türken und Aegypter war vernichtet. Der Sultan hätte eingelenkt. Aber England verleugnete seine Politik, und so überkam Russland die Aufgabe, das Werk Griechenlands zu verbürgen, die den Ruhm Englands hätte bilden können. Russland, durch den trotzigen Mahmud gereizt, trat aus dem Stadium der Demonstrationen heraus, schickte den Gen. Diebitsch in die Donau- 1828 länder. Dieses Auftreten, das den Sultan nöthigte, seine Truppen aus Morea heranzuziehen, in Verbindung mit der Landung eines französischen Heeres (Maison) in Morea, vor dem Ibrahim sich zurückziehen musste, liessen dem Sultan keine Wahl mehr. Er gab den Vorschlägen Frankreichs und Englands Gehör und schloss den Frieden zu Adrianopel. (Sept.) | Mit dem russischen Protektorat 1829 über die Donauländer und der Unabhängigkeit der Hellenen ent

1) Vgl. Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenland (Leipz, Hirzel).

2) Nikolai hatte im Jahre zuvor durch die Unterdrückung der Militärverschwörung, welche seine Herrschaft bestritt, sich im Geiste der Allianz bewährt. Denn ihr Haupt (Trubetzkoi) war von dem Schlage der Riego und Pepe, da er constitutionelle Absichten wie diese gehabt hatte.

zog er sich der drohenden Gefahr eines Krieges mit Europa. Für Russland hatte dieser Friede die wichtige Folge, dass er sein Uebergewicht auch im Süden begründete, wie vor einem Jahrhundert der Nystadter Friede sein Uebergewicht im Norden begründet hatte.

Uebrigens trat damals Russland zum ersten Male, Dank den Erfolgen des Gen. Paskiewicz in Asien die militärisch-civilisatorische Mission im Kaukasus an, die es seit dem unablässig verfolgte.

Einem Volk das Joch türkischer Herrschaft abwerfen zu helfen, dazu hatten sich die Cabinette Schandhalber herbeigelassen; aber weiter war ihre Nachsicht nicht zu erlangen. Die Forderungen des Zeitgeistes erschienen anderwärts ihnen durchaus vom Bösen. Wie hätte, da das engherzige Gebot der Allianzmächte die übrigen Nationen niederhielt, das höhere Gebot der Zeit sich Gehör verschaffen sollen? Es musste in den Staaten der hl. Allianz selbst Gehör finden, und vor Allem in Frankreich, dem mit Macchiavellismus, ohne dass Gewinn dabei war, nicht imponirt werden konnte. Die Entwicklung reifte hier einem Ausbruche entgegen, der nur noch aufgeschoben werden konnte, den aber das Ministerium Polignac (seit Aug. 1829) über Erwarten jäh herbeiführte. Durch eine Adresse, womit die Deputirtenkammer 1830 die drohende Eröffnungsrede des Königs vom 2. März | beantwortet hatte, gereizt, hatte Letzterer die Kammern aufgelöst (16. Mai) und neue Wahlen angeordnet. Vergebens erklärte er in einer später erschienen Proclamation, dass er die Charte aufrecht erhalten werde; denn die Wahlen fielen grösstentheils im Sinne der Adresse aus. Er hatte den Glauben an seine Versicherungen bei den Wählern verscherzt. Am 25. Juli verfügte er daher die Suspension der Freiheit der periodischen Presse, die Anordnung eines neuen Wahlsystems, die Auflösung der auf den 3. August. einberufenen Wahlkammern und die Anordnung einer neuen Wahl zum September.

Diese Ordonanzen, als sie am Morgen des 26. im Moniteur erschienen, brachten die Gährung, welche vorausgegangene royalisirende und verfassungswidrige Schritte seitens der Regierung verursacht hatten, zum Ausbruch. Der König verlor die Stütze, welche er in der Garnison gehabt, und damit das Ruder aus den Händen. Eine provisorische Regierungsbehörde ergriff die Zügel der Regierung. Diese, sowie ein Municipalausschuss für Paris sprachen sich für Absetzung Karl's X. aus. Seitens der bei Lafitte ver

sammelten Pairs und Deputirten wurde beschlossen, die Regentschaft dem Herzog von Orléans, Louis Philipp, anzutragen (29. Juli).

Der Muth, womit die Vertreter der französischen Nation ihre ihnen von der Nation aufgebürdete Restauration vom Throne entfernten, richtete die Hoffnung auf eine Besserung der politischen Zustände auch anderwärts in den zur stumpfen Resignation verurtheilten Gemüthern auf.

II. In den deutschen Bundesländern.

Die nachnapoleonische Zeit gab Deutschland, welches seit einem Decennium aus drei Gruppen, dem Rheinbund, Preussen und Oesterreich bestanden hatte, auf Grund der vom Wiener Congresse beschlossenen Schöpfung eines Staatenbundes eine neue, aber nur lose Gliederung, die eine den Gesandten der Einzelstaaten zusammengesetzte Centralbehörde (Bundestag) äusserlich zusammenhielt, eine Einrichtung ad hoc, bis eine bessere gefunden würde, keine Vertretung der Nation, sondern nur der Fürsten und ihrer Interessen. Bei dem Standpunkte, den Oesterreich, das den Vorsitz führte, gegenüber dem, was die Nation um ihrerselbst willen verlangen durfte, einnahm, erwiesen sich selbst Wünsche, die hie und da laut wurden, als Gefahren seitens cines in Deutschland vorhandenen revolutionären Geistes. Die österreichische Partei, welche der Nation und ihren Interessen günstige Regungen hasste, brachte, um die Rehabilitirung vornapoleonischer Zustände zu Wege zu bringen, die Ministerconferenzen zu Karlsbad zu Stande. 1) 1819 Hier wurde beschlossen (20. Sept.), die Censur, wie sie vor Alters bestanden, wieder einzuführen, eine Centraluntersuchungscommission einzusetzen, die über die revolutionären Umtriebe und die Auslegung des Art. 13 der Bundesverfassung in Sinne des monarchischen Princips zu wachen haben sollte, u. A. Preussen, das bei dem grösseren Reichthum an einsichtsvollen Staatsmännern eine selbstständige Haltung hatte erwarten lassen, gab dieser Richtung nach. Jenen Muth zeigten nur die kleineren Staaten, die sich landständische Verfassungen bereits gegeben hatten (Nassau, S.Weimar, Baiern, Baden, Würtemberg), obwohl sie von der durch

1) Dazu wäre es auch ohne voraufgegangene Ereignisse, wie das Reformationsfest auf der Wartburg (1817), und Kotzebue's Ermordung, nur nicht so rasch, gekommen.

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