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löhnern bei den Grossgrundbesitzern herabsanken, theils der Hauptstadt zuwanderten, um dort ihren Verdienst zu suchen. Das hatten die Verwüstungen des hannibalischen Krieges zurückgelassen, und die Zerstörung der grossen Handelsstädte Karthago und Korinth vollendet. Vergebens waren, um dem Umsichgreifen des Landschaft und Hauptstadt heimsuchenden Elends zu steuern, die Anstrengungen des Tiberius Gracchus, und des Caius nach 133 ihm. Sie scheiterten, und diejenigen, welche die Mission hatten, 123 Gesellschaft und Staat zu retten, räumte Hass und Furcht der Reichen aus dem Wege. Voraussichtslosigkeit und Eigennutz waren die Stärke, womit sich die Partei gewaffnet hatte. Der Tod des Tiberus führte, ob auch die sogenannte Optimaten-Partei (To- 132 ries) durch den neuen Sieg ihres Hauptführers über die Numantiner mächtiger als je in den Vordergrund trat, im Geheimen zur Bildung einer Partei aus Solchen, die an die Möglichkeit glaubten, dass sich der Mittelstand der Kleinwirthe wieder aufrichten lasse. Die Wahl des Caius Gracchus nach zehn Jahren Zwischenzeit, damit der Reformversuch erneuert würde, bewies, dass es eine solche Partei gab. Man hört sie Demokraten bezeichnen; vielleicht kommt man an Stelle dieser griechischen Bezeichnung weiter mit dem Namen Whigs. 1) Wenn anlässlich des Untergangs dieses Tribunen, von 3000 Anhängern die Rede ist, die den Tod mit ihm in dem grässlichen Strassenkampfe getheilt hätten, so bekommen 121 wir einen Begriff von der Stärke dieser römischen Whigs, und kann daraus einerseits auf die Erbitterung über die Kopfzunahme dieser Gegner der römischen Tories, und auf den Hass der Whigs gegen die Tories andererseits schliessen, welcher den Charakter der nächstfolgenden Zeit bestimmen half. Wie lange die Tories Oberwasser behalten würden, hing davon ab, dass die Umstände aus der Mitte der Whigs einen Mann an die Spitze brachten, der nicht mehr Plebstribun, sondern Militär und Consul wäre. Im Kriege gegen Jugurtha kündigte sich den Tories dieser Mann in Marius an; sie mussten darein willigen, dass dieser, der Legat im Heere des Metellus das Consulat erhielt, und mit dieser Eigen- 107 schaft den Oberbefehl über die Legionen gegen Jugurtha. Dieser recrutirte seine Armee aus Proletariern. Das war die Katastrophe des Gemeinwesens! Nicht das Interesse des Staates, da es die Tories selbst durch ihren Parteigeist corrumpirt hätten, sondern das

1) Tories und Whigs: Namen der politischen Parteien in England,

Interesse ihres Führers machten sie zu dem ihrigen. Durch ihn das zu erlangen, was die Gemeinschaft ihnen verweigerte, war der verschwiegene Beweggrund der Anhänglichkeit im Heere des Marius. Der Gedanke an sociale Reform, wie sie zwanzig Jahre früher noch hatte angestrebt werden können, war auf die Seite geschoben. Die Bedeutung, die die Whigs durch die Siege ihres Führers in Africa und einige Jahre später über die Cimbern auf der Raudischen Ebene in Oberitalien erlangten, war noch durch den Antheil aufgewogen, der die Tories, dort durch Sulla hier durch Catulus, daran hatten. Noch wurden die Schwankungen und Kämpfe, die zwischen diesen Parteien geliefert werden sollten, aufgehalten. Aber den Beweis, dass ihre Zeit abgelaufen wäre, sollten die Tories doch noch der Geschichte 95 geben, indem sie eine Epuration der Bürgerlisten ins Werk setzten. Dieser Coup war gegen die italischen Bundesgenossen gerichtet, wo Viele das Bürgerrecht ausübten, ohne es nachweisen zu können. Eine Verleihung desselben an die stammverwandten Völkerschaften Mittelitaliens überhaupt, wenn sie dazu die Initiative ergriffen, hätte ihr Ansehen verjüngt und auf lange gestützt. Sie thaten das Gegentheil, und trieben die Betroffenen, das Bürgerrecht mit Gewalt zu erlangen. Zwar blieben Latiner, Campaner, Etrusker und Umbrer ruhig. Aber die übrigen Landschaften erhoben sich, und 91 lösten ihren seitherigen Zusammenhang. | Darauf folgten Kämpfe 89 wider sie. Das Ende war, dass der Senat gewähren musste; | die Partei hatte nichts gewonnen, und nur den Schein dem staatlichen Ansehen gerettet. Denn das Glück, das die Insurgenten anfangs hatten, blieb ihnen nicht treu. Gleichwohl widerstanden die Sammiten auch nach ihrer Niederlage durch Sulla. Da der Feldherr der Tories, Sulla, für einen Feldzug gegen Mithridates den Oberbefehl erhielt, und als er sich kaum erst zum Heere begeben hatte, brach Marius eine Fehde vom Zaun. Sulla rückte auf die Nachricht von dem Putsch, wodurch er die Bevölkerung gegen ihn aufregte, gegen Rom, säuberte die Stadt von dem Gladiatoren-Gesindel, und liess Marius und einige der Seinigen ächten. Man hätte denken sollen, dass es mit der Rolle des Marius zu Ende wäre. Die Legionen schifften sich nach Griechenland ein, um die Invasion auf dem Boden Attika's zu bekämpfen. Während entscheidende Nachrichten aus Griechenland noch auf sich warten liessen, wurde Rom der Schauplatz eines entsetzlichen Terrorismus. Marius war zurückgekehrt. Die Unterstützung, die er in Italien gefunden, 87 machte ihn zum Herrn von Rom. | Consul zum siebenten Male

Male, starb er aber schon in der zweiten Woche des Amtsjahres (86).

Zweite Hälfte.

Die Organisation, die er seiner Partei gegeben, war der Ausgangstermin der Gegensätze; die Namen der Führer waren von da ab das Programm. Im J. 84 hatte Sulla mit dem pontischen Sultan Frieden geschlossen, die Marianer des Fimbria auf seine Seite gebracht, und endlich den Asiaten eine aussaugende Kriegssteuer auferlegt. Im folgenden Jahre landete er in Brundusium. Seinen Marsch bis Rom bezeichnete eine Reihe von Kämpfen gegen ihm entgegen geschickte Heere. Am 1. Nov. fiel nach einer blutigen Schlacht vor dem Collinischen Thore die Stadt in seine Gewalt. | 83 Jetzt waren die Sullaner obenauf. Der nämliche Terrorismus, nur systematischer. Denn Sulla erfand die Proscripitionen. Er erlangte die Dictatur, und das Vorrecht, durch Gesetze die Staatsgemeinschaft neu zu constituiren. Dieser Zustand war seinem Wesen nach ein Uebergang. Es war gewiss, dass eher der Senat Souverän würde, wenn anders dem Ehrgeize Sulla's eine politische Voraussicht als Stütze diente. Sulla stellte den Senat als Souverän auf, wovon die Folge war, dass, da mit Sulla's Rücktritt die 79 Bezeichnung der bisherigen Parteien ohne Inhalt war, seitdem die Bezeichnung Senatspartei aufkam. Auf diese nämliche Dictatur und nämlichen Vorrechte sah es Pompeius ab, als er nach Beendigung des Mithridatischen Krieges u. s. w. nach Rom zurückkehrte. Allein es fehlte eine Gefahr, aus der er die Staatsgemeinschaft zu retten gehabt hätte, wie sie vor zwanzig Jahren Sulla's Einschreiten gefordert hatte. Denn die Verschwörung des Catilina, die zwar eine Gefahr dieser Art darstellte (63), war schon unterdrückt gewesen. Diese Verspätung war seinem Ehrgeiz verhängnissvoll; anders als Cicero würde er den Fall zu benutzen verstanden haben. Als er zurückkam (61), gab es nur Anhänger des Senats, und solche, die es nicht waren, Ehrgeizige, in deren Kreis ihn der Souverän drängte, und Unzufriedene, die nur auf ihren Mann warteten. Jedenfalls musste der Ehrgeizige, wenn er zu den Gegnern des Senats gehörte, aus den Geschlechtern kommen, weil ein Solcher seine Schritte am besten reguliren konnte. Julius Cäsar, obwohl zu den Geschlechtern gehörend, aber ehrgeiziger, als sich mit der Loyalität dem Souverän gegenüber ver

trug, verband sich heimlich mit dem unzufriedenen Pompeius, und 60 zog, da Cicero zu difficil that, den reichen Crassus heran. | Die Wirkung, die dieses haben sollte, erfolgte: Er erhielt das Consulat für das folgende Jahr! Wir dürfen überzeugt sein, dass der Beitritt Cicero's Cäsarn willkommner gewesen wäre, und dass Cicero seinerseits dabei besser gefahren wäre. Der Bund dieser drei Männer, bekannt unter dem Namen Triumvirat, seinem Wesen nach eine Verschwörung gegen den Senat, liess nicht ahnen, was er zur Folge haben, und dass der Senat dadurch mit sich selbst in Widerspruch gebracht und gesprengt werden könne. Da aber Pompeius Schwiegersohn Cäsars war, so liess Nichts darauf schliessen. Die schwierige Aufgabe, welche letzterer als Proconsul der beiden Gallien, namentlich des jenseitigen angetreten hatte, sah darnach aus, dass diese Art collegialer Dictatur durch die Gewohnheit ihren Werth erproben, und verfassungsmässige Geltung erhalten sollte, wenn Cäsar mit Gallien fertig geworden wäre. Ehe es dazu kam, hatte letzterer Ursache bekommen, die Loyalität seines Collegen in dieser Dictatur ohne Namen anzuzweifeln. Es musste ihm, da Pompeius nicht wie er in seine Provinz abgegangen, sondern beharrlich in Rom geblieben war, scheinen, als ob derselbe darauf ausgehe, alleiniger Dictator zu werden, und dass, wie die Sachen lägen, er durch ihn in die Lage versetzt werden sollte, die Rolle des Marius zu wiederholen. Als Cäsar, nach Ablauf seines Proconsulats und der Vertragsfrist mit Pompeius, hätte nach Rom kommen müssen, sich aber weigerte, ohne Heer heimzukehren, so 49 lange Pompeius in Rom wäre, lagen die Sachen ganz so, wie wenn man in Cäsar sich eines neuen Marius zu versehen hätte. Daher das stillschweigende Einverständniss zwischen dem Senat und Pompeius. Cäsar sah sich zu dem Entschlusse gedrängt, den Kampf gegen den Senat zu beginnen nnd dadurch Pompeius zu entwaffnen. Ich muss auf vollständigere Darstellungen verweisen, und deute der Uebersicht wegen kurz an, dass es für Cäsar der Feldzüge durch Italien, nach Spanien, wo die erste Entwaffnung gelang, nach Griechenland, wo bei Pharsalus der Hauptschlag gegen die Senatspartei fiel, nach Africa, wo die Partei ein neues Heer zum Schlagen bereit hatte, und endlich wieder nach Spanien bedurfte. Der neue 45 Marius entwaffnete hier (bei Munda) | den letzten Rest der Partei. Sie mochte, als er in Rom einzog, sich trösten, dass er ein Ma rius aus den alten Geschlechtern war. Allein in seinem eigenen Senate kehrte, ohne dass er es ahnte, eine Partei sich gegen ihn.

Der Untergang des Pompeius war 'sein Schicksal.

Hätte dieser,

seine Entwaffnung überlebend, sich zur Erneuerung der collegialen Dictatur entschlossen, so hätte dieses Mal Cicero den Beitritt nicht abgelehnt. So aber war Cäsar's souveräne Stellung ein verfrühtes Faktum. Er fiel durch die Hand von Phantasten. (44).

Kaum aber hatte der Senat die Zügel der Regierung auf's Neue ergriffen, da bildete sich das nämliche Triumvirat von Neuem, nur zwischen anderen Personen, die verhängnissvoll für Rom, 43 durch ihre Proscriptionen an die Zeit Sulla's zurückerinnerten. Cicero, der gegen Antonius geeifert, und den Mörder Cäsar's Dec. Brutus in der Vertheidigung seiner Provinz unterstützt hatte, fiel durch die Häscher seines Freundes Octavian. Einer ausführlicheren Darstellung gehört das Detail dieses schrecklichen ersten Jahres. Auch hier deute ich kurz die Entwicklung an. Während der eine Triumvir Lepidus, dem Spanien als Provinz bestimmt war, des Consulats wegen und im Namen des Collegiums in Rom zurückblieb, unternahmen die beiden anderen Antonius und Octavian den Feldzug gegen die den Orient vertheidigenden Heere des Brutus und Cassius. Die Senatspartei ward bei Philippi entwaffnet (Ende 42) und die römischen Provinzen so vertheilt, dass Antonius die östlichen erhielt, Octavian den europäischen Westen, Lepidus Africa. Der Umstand, dass Antonius mit der Königin der Aegyptier anknüpfte, wurde die Ursache einer Spannung mit Octavian, weil dieser, als er auf das Drängen seiner eifersüchtig gewordenen Gemahlin in Brundusium landen wollte, ihm den Hafen sperrte. Die Spannung legte sich. Nach einigen Jahren, trotz der inzwizchen eingetretenen Verschwägerung, wieder erwacht, wurde sie zum zweiten Male beigelegt. Denn es gab noch Triumvirn. Als aber Lepidus wegen versuchter Aneigung hatte austreten müssen, und der Austrag zwischen Octavian und Antonius hin und her schwankte, da brauchte nur ein neuer Anlass zum Bruch zu kommen, um die römische Menschheit zur Zeugin eines Kampfes nicht wie vor Jahren zwischen einem Feldherrn und dem Senate, sondern zwischen zwei Feldherrn gegen einander zu machen. Antonius gab den Anlass zum Bruch durch den Scheidebrief, den er der Octavia nach Athen überschickte (32). Es war ein Scheidebrief an Octavian selbst, der, um den Schein zu meiden, den Krieg nicht Antonius, sondern der Königin der Aegyptier erklären liess. 31

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